Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufforderung an einen Notar, sich um Notarstelle zu bewerben. Aufhebung einer Aufforderungsverfügung durch OLG. Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Sofortige Beschwerde einer Notarkammer gegen Entscheidung des OLG
Leitsatz (amtlich)
Beantragt ein Notarassessor gem. § 111 BNotO gerichtliche Entscheidung gegen eine Aufforderung gem. § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO, so ist die für den Bezirk zuständige Notarkammer nicht befugt, gegen die Entscheidung des OLG sofortige Beschwerde einzulegen.
Normenkette
BNotO § 7 Abs. 7 S. 2, § 67 Abs. 1, § 111 Abs. 4; FGG § 20 Abs. 1, § 29 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Notarkammer gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des OLG Köln - 2 VA (Not) 14/07 - vom 29.2.2008 wird als unzulässig verworfen.
Die Notarkammer hat dem Antragsteller die Hälfte der ihm im Verfahren der sofortigen Beschwerde entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Im Übrigen sind für beide Instanzen außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Der Antragsgegner schrieb eine Notarstelle in X aus. Die fristgerecht eingegangenen Bewerbungen von Notarassessoren wurden später zurückgenommen oder erledigten sich anderweitig. Unter Berufung auf § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO forderte der Antragsgegner den Antragsteller als dienstältesten Notarassessor mit Schreiben vom "13.3.2007" (richtig: 13.6.2007) auf, sich um die Notarstelle zu bewerben.
[2] Der Antragsteller hat gegen den vorgenannten Bescheid des Antragsgegners gerichtliche Entscheidung beantragt. Das OLG hat den Bescheid aufgehoben. Hiergegen haben der Antragsgegner und die Notarkammer sofortige Beschwerde erhoben.
[3] Während des Verfahrens der sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner nach Einziehung der fraglichen Notarstelle die Aufforderungsverfügung aufgehoben. Der Antragsteller hat daraufhin, soweit die sofortige Beschwerde des Antragsgegners betroffen ist, die Hauptsache für erledigt erklärt; der Antragsgegner hat sich dieser Erklärung angeschlossen.
II.
[4] 1. Die sofortige Beschwerde der - für den Bezirk zuständigen - Notarkammer ist unzulässig. Ihr fehlt die Beschwerdeberechtigung.
[5] a) Gemäß §§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG i.V.m. § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO und §§ 40 Abs. 4, 42 Abs. 6 BRAO steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die Entscheidung des Notarsenats des OLG beeinträchtigt ist (BGH vom 25.10.1982 - NotZ 9/82 - DNotZ 1983, 506, 507; vom 18.11.1983 - NotZ 12/83 - DNotZ 1984, 435, 437; vom 28.11.2005 - NotZ 26/05, NJW-RR 2006, 706; vgl. auch Sandkühler in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl. 2008, § 111 Rz. 167). Dabei genügt weder eine bloß formelle Beteiligung noch eine nur mittelbare Berührung rechtlicher Interessen. Entscheidend ist vielmehr die materielle Beschwer (Senat, Beschluss vom 28.11.2005, a.a.O.; Bassenge in: Bassenge/Roth, FGG/RPflG, 11. Aufl. 2007, § 20 FGG Rz. 2), d.h. die unmittelbare Beeinträchtigung dem Beschwerdeführer zustehender materieller Rechte durch den Entscheidungssatz der angefochtenen Entscheidung (Bassenge, a.a.O., Rz. 5 ff.; Briesemeister in: Jansen, FGG, 3. Aufl. 2006, § 20 Rz. 7, 12; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl. 2006, § 20 Rz. 5; Keidel/Kahl, 15. Aufl. 2003, § 20 Rz. 12). Bei einer Behörde liegt eine solche Beeinträchtigung dann vor, wenn sie durch die angefochtene Entscheidung an der Erfüllung der ihr obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgabe gehindert wird (KG, OLGZ 75, 63, 66; Bumiller/Winkler, a.a.O.).
[6] b) Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der weiteren Beteiligten nicht erfüllt.
[7] Nach § 67 Abs. 1 BNotO hat die Notarkammer die Interessen der "Gesamtheit der in ihr zusammengeschlossenen Notare" wahrzunehmen. Die Notarkammer wird daher dann in ihren Rechten beeinträchtigt, wenn die angefochtene Entscheidung die berechtigten Interessen der Gesamtheit der der Kammer angehörenden Notare verletzt (vgl. für die Antragsbefugnis i.S.d. § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO: BGH BGHZ 63, 274, 275 = DNotZ 1975, 693, 694 f und BGHZ 139, 249, 251; Custodis in: Eylmann/Vaasen/Custodis, 2. Aufl. 2004, § 111 Rz. 103; Sandkühler, a.a.O., Rz. 100). Das Recht zu einer allgemeinen Legalitäts- oder Legitimitätskontrolle steht ihr hingegen nicht zu (BGH BGHZ 139, 249, 252; weitergehend Dumoulin, DNotZ 1975, 696 ff.).
[8] Berechtigte Interessen der Gesamtheit der in der weiteren Beteiligten zusammengeschlossenen Notare sind vorliegend nicht berührt. Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist allein die Aufforderung des Antragsgegners an den Antragsteller, sich um die fragliche Notarstelle zu bewerben. Von dem Erfolg des Aufforderungsverfahrens ist die weitere Beteiligte nur reflexartig bezüglich ihrer Rechte und Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Ausbildungsverhältnis zu dem antragstellenden Notarassessor betroffen. Die Aufgabe, eine den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entsprechende Zahl von Notarstellen - notfalls im Wege der Aufforderung gem. § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO - zu besetzen, obliegt der Landesjustizverwaltung. Aus diesem Gesichtspunkt kann eine Beschwerdeberechtigung der weiteren Beteiligten nicht hergeleitet werden (vgl. BGH BGHZ 139, 249, 251).
[9] Allerdings hat eine Notarkammer im gerichtlichen Verfahren bestimmte Mitwirkungsrechte (vgl. § 111 Abs. 4 Satz 4 BNotO); dies hat aber nicht zur Folge, dass sie als "echte" Beteiligte anzusehen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 26.3.2007 - NotZ 44/06 - Rz. 8). Dass das OLG die Rechtslage insoweit anders beurteilt und die Notarkammer analog § 65 Abs. 1 VwGO förmlich beigeladen hat, vermag eine Beschwerdeberechtigung nicht zu begründen.
[10] Im Übrigen trifft auch die Auffassung der Notarkammer nicht zu, die Senatsentscheidung BGHZ 63, 274 = DNotZ 1975, 693 habe eine vergleichbare Fallkonstellation zum Gegenstand gehabt. Die Besonderheit dieses Falles, bei dem die Landesjustizverwaltung entgegen dem Antrag der zuständigen Notarkammer die Bestellung eines Notarverwesers unterlassen hatte, lag darin, dass - anders als hier - eine gerichtliche Kontrolle des Verhaltens der Landesjustizverwaltung überhaupt nur dann möglich war, wenn man der Kammer ein Antragsrecht nach § 111 Abs. 1 BNotO zubilligte (Senat, a.a.O., S. 278 bzw. S. 695).
[11] 2. Was das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner angeht, so haben die Beteiligten nach der Aufhebung der Aufforderungsverfügung die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit ist aber über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91a ZPO analog); die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten ist § 13a FGG zu entnehmen. Dabei sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Antrags zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 4.12.1989 - NotZ 17/89, BGHR FGG § 13a Abs. 1 Satz 1 Hauptsacheerledigung 3). Allerdings kann sich das Gericht mit einer summarischen Prüfung begnügen (vgl. BVerfG NJW 1993, 1060, 1061; BGHZ 67, 343, 345); die Entscheidung nach §§ 91a ZPO, 13a FGG ist nicht darauf angelegt, schwierige Rechtsfragen zu klären (Senatsbeschlüsse vom 24.7.2006 - NotZ 5/06 -; v. 26.11.2007 - NotZ 33/07).
[12] Hier stellt sich gerade eine solche schwierige, in Rechtsprechung und Literatur bisher kaum behandelte Rechtsfrage, nämlich die nach den rechtlichen Voraussetzungen einer möglicherweise zur Entlassung eines Notarassessors nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO führenden Aufforderung. Der Erfolg des dagegen gerichteten Antrags nach § 111 BNotO ist so ungewiss, dass es nicht billig erscheint, dem Antragsgegner gem. §§ 91a ZPO, 13a FGG außergerichtliche Kosten des Antragstellers aufzuerlegen. Gerichtskosten sind nicht zu erheben.
III.
[13] Die unzulässige Beschwerde der Notarkammer kann der Senat ohne mündliche Verhandlung verwerfen (BGHZ 44, 25).
Fundstellen
Haufe-Index 2089242 |
EBE/BGH 2009 |
NJW-RR 2009, 349 |
DNotZ 2009, 313 |
ZNotP 2009, 28 |