Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 30.06.2020; Aktenzeichen 1025 Js 9982/19 2 KLs) |
Tenor
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. Juni 2020 wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung in zwei tateinheitlichen Fällen und in weiterer Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und in der Sicherungsverwahrung angeordnet sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen.
Rz. 2
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte fristgerecht Revision eingelegt. Das schriftliche Urteil ist dem Angeklagten am 10. August 2020 zugestellt worden. Nachdem bis zum 17. September 2020 keine Revisionsbegründung eingegangen war, hat das Landgericht mit Beschluss von diesem Tag die Revision nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Der Beschluss ist dem Verteidiger zugestellt und an den Angeklagten formlos übersandt worden.
Rz. 3
Mit einem beim Landgericht am 1. Oktober 2020 eingegangenen persönlichen Schreiben vom 28. September 2020 hat der Angeklagte vorgebracht, ihm sei der Revisionsverwerfungsbeschluss am 24. September 2020 zugegangen. Da sein Verteidiger die Revisionsbegründung nicht fristgerecht eingereicht habe, lege er „Widerruf gegen den Bescheid” ein und bitte darum, die Frist zur Abgabe der Revisionsbegründung um mindestens 14 Tage zu verlängern; er habe einen neuen Anwalt mandatiert.
Rz. 4
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 5. Oktober 2020, eingegangen beim Landgericht am selben Tag, hat der Angeklagte um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersucht, die Aufhebung des Urteils vom 30. Juni 2020 beantragt und die Revision mit der allgemein erhobenen Sachrüge begründet. Zum Wiedereinsetzungsantrag trägt der Verteidiger vor, nach Zustellung des schriftlichen Urteils am 10. August 2020 habe er eine Revisionsbegründung erstellt, unterschrieben und zur Absendung per Fax an das Landgericht bereitgelegt. Durch ein Versäumnis einer Kanzleiangestellten sei diese jedoch nicht abgesandt worden. Er sei vom 14. September 2020 bis einschließlich 4. Oktober 2020 im Urlaub gewesen. Nach seiner Rückkehr am 5. Oktober 2020 habe er Kenntnis davon erlangt, dass die von ihm gefertigte Revisionsbegründungsschrift nicht abgesandt worden war.
Rz. 5
II. Bereits das persönliche Schreiben des Angeklagten vom 28. September 2020 ist als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44, 45 StPO) zu werten (§ 300 StPO). Da der Angeklagte die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht in Abrede stellt, sondern geltend macht, sein Verteidiger habe dies zu vertreten, wird seinem Rechtsschutzbegehren durch eine entsprechende Auslegung des Schreibens hinreichend Rechnung getragen. Eine Deutung des Antrags als zudem gestellter Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO ist demgegenüber nicht veranlasst.
Rz. 6
Sowohl dieser vom Angeklagten selbst gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch der mit dem Verteidigerschriftsatz vom 5. Oktober 2020 gestellte Wiedereinsetzungsantrag sind unzulässig.
Rz. 7
1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Zudem ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Rz. 8
2. Zwar ist der mit Schreiben des Angeklagten vom 28. September 2020 gestellte Wiedereinsetzungsantrag fristgerecht angebracht worden. Nachdem der Angeklagte am 24. September 2020 von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Kenntnis erlangt hatte und damit das Hindernis für die Fristwahrung entfallen war, hat er mit seinem am 1. Oktober 2020 beim Landgericht eingegangenen Schreiben die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO hinsichtlich des Anbringens des Wiedereinsetzungsantrages gewahrt. Jedoch ist entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO innerhalb der am 1. Oktober 2020 endenden Wochenfrist die Revisionsbegründung und damit die versäumte Handlung nicht nachgeholt worden. Die Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gilt – von hier nicht relevanten Ausnahmefällen abgesehen – auch dann, wenn es sich bei der versäumten und nachzuholenden Handlung um die Begründung einer Revision handelt. Die Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO wird insofern durch die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ersetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1997 – 1 StR 543/96, NStZ-RR 1997, 267; KK-StPO/Maul, 8. Aufl., § 45 Rn. 9; MüKoStPO/Valerius, § 45 Rn. 19). Die Revisionsbegründung ist jedoch erst mit dem Verteidigerschreiben vom 5. Oktober 2020 nachgeholt worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte schuldlos gehindert war, für ein Anbringen der Revisionsbegründung innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO Sorge zu tragen, sind nicht ersichtlich, zumal er in seinem Schreiben vom 28. September 2020 vorgebracht hat, er habe bereits einen anderen Anwalt mandatiert.
Rz. 9
3. Auch der mit Verteidigerschriftsatz vom 5. Oktober 2020 gestellte weitere Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand genügt den Formerfordernissen des § 45 StPO nicht. Denn maßgebend für den Beginn der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte selbst Kenntnis von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erlangt hat (BGH, Beschlüsse vom 27. November 2019 – 5 StR 539/19, juris; vom 20. November 2019 – 4 StR 522/19, NStZ-RR 2020, 49, 50; vom 26. Juni 2018 – 3 StR 197/18, juris Rn. 3 f.; vom 29. November 2016 – 3 StR 444/16, StraFo 2017, 66; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger – wie hier – eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschlüsse vom 20. November 2019 – 4 StR 522/19, NStZ-RR 2020, 49, 50; vom 2. Juli 2019 – 2 StR 570/18, StraFo 2019, 469, 470; vom 2. April 2019 – 3 StR 63/19, juris Rn. 5 f.). Auf den im Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 mitgeteilten Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Verteidiger kommt es hingegen nicht an. Daher hätten mit dem Verteidigervorbringen Angaben dazu gemacht werden müssen, wann der Angeklagte Kenntnis von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erlangt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2019 – 2 StR 570/18, StraFo 2019, 469, 470; vom 26. Juni 2018 – 3 StR 197/18, juris Rn. 3 f.; vom 29. November 2016 – 3 StR 444/16, StraFo 2017, 66; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145). Hieran fehlt es jedoch. Zudem ergibt sich aus dem Vorbringen des Angeklagten in seinem Schreiben vom 28. September 2020, dass dieser – wie dargetan – am 24. September 2020 Kenntnis davon erlangt hat, dass die Revisionsbegründungsfrist versäumt worden war. Die Unzulässigkeit des mit dem Verteidigerschriftsatz vom 5. Oktober 2020 gestellten weiteren Wiedereinsetzungsantrags folgt deshalb auch daraus, dass die mit diesem Schreiben angebrachte Revisionsbegründung entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO nachgeholt worden ist.
Rz. 10
III. Damit verbleibt es bei dem Beschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 17. September 2020.
Rz. 11
Die Revision wäre im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO gewesen. Das Urteil ist dahin zu verstehen, dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) vor der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) zu vollziehen ist (§ 72 Abs. 3 Satz 1 StGB).
Unterschriften
Schäfer, Spaniol, Berg, Hoch, Kreicker
Fundstellen
Haufe-Index 14311887 |
NStZ 2021, 245 |
NStZ-RR 2021, 6 |