Normenkette
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 08.12.2020; Aktenzeichen 2 Ks - 2234 Js 46842/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 8. Dezember 2020 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall 1 der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen Nötigung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und in einem anderen Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet wird. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall 1 der Urteilsgründe wegen tateinheitlich mit Nötigung begangener gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 3
a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte sich nachts zu der im Bett liegenden Neben- und Adhäsionsklägerin begab, mit einer Hand deren Hals umfasste und so fest zudrückte, dass diese darüber erwachte und Luftnot erlitt. Er drohte ihr damit, dass er, wenn sie nicht still sei, so fest zudrücken werde, dass sie sterben werde. Aus Angst signalisierte die Neben- und Adhäsionsklägerin, sich des Ernstes der Situation bewusst geworden, dem Angeklagten, dies verstanden zu haben und still sein zu wollen. Anschließend richtete sie sich auf, setzte sich aufs Bett und beantwortete die Fragen des Angeklagten zu außerehelichen Sexualkontakten. Anders als vom Landgericht angenommen, belegen diese Feststellungen keine das Leben gefährdende Behandlung i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.
Rz. 4
b) Zwar kann festes Würgen am Hals geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen, doch reicht insoweit nicht jeder Griff aus, ebenso wenig bloße Atemnot. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit Dauer und Stärke der Einwirkung, die abstrakt geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden (BGH, Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR 341/07, BeckRS 2008, 1435 Rn. 4; Urteil von 12. März 2013 - 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519 (520), jeweils mwN). Solche Umstände, wie etwa das Abschnüren der Halsschlagader, der Bruch des Kehlkopfknorpels oder massive Würgemale sind hier jedoch nicht festgestellt. Zwar sind solche Feststellungen in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten. Die Sache bedarf insoweit gleichwohl neuer Verhandlung und Entscheidung, da einer Schuldspruchänderung auf Körperverletzung nach § 223 StGB durch den Senat entgegensteht, dass ein rechtzeitiger Strafantrag fehlt und die Staatsanwaltschaft bislang nicht gemäß § 230 Abs. 1 StGB erklärt hat, dass sie aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
Rz. 5
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 1 der Urteilsgründe entzieht der zugehörigen Einzelstrafe und dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
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Fundstellen
Haufe-Index 15217661 |
NStZ-RR 2022, 205 |