Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.08.2020; Aktenzeichen 5/03 KLs 7/20 4711 Js 255460/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. August 2020 in den Einzelstrafaussprüchen und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; die Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in weiteren zehn Fällen zu sieben Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Rz. 3
2. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Indes hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 4
a) Die Strafkammer hat bei der Bemessung der Einzelstrafen zu allen Straftaten straferschwerend berücksichtigt, dass erhebliche psychische Folgen der Taten vorlägen, eine Nebenklägerin eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt habe, die andere Nebenklägerin ebenfalls stark belastet sei, weil es ihr nicht immer gelinge, nicht an die Vorfälle zu denken, und dass beide Nebenklägerinnen schließlich ihr Zuhause hätten aufgeben müssen. Dies lässt besorgen, dass der Strafkammer aus dem Blick geraten ist, dass festgestellte Tatfolgen einer Serie von Sexualdelikten nur dann bei der Einzelstrafbemessung mit ihrem vollen Gewicht berücksichtigt werden können, wenn sie unmittelbare Folge allein einzelner Taten sind; sind sie Folge aller abgeurteilten Straftaten, können sie strafzumessungsrechtlich nur einmal bei der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2019 – 2 StR 469/19, NStZ 2020, 278; Urteil vom 9. Juli 2014 – 2 StR 574/13, NStZ 2014, 701; Beschluss vom 13. November 1997 – 4 StR 539/97, NStZ-RR 1998, 107; offen gelassen in BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 5 StR 541/17 Rn. 10). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen – obgleich nicht unangemessen – auf diesem Rechtsfehler beruhen.
Rz. 5
b) Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche zieht auch die des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Dieser leidet darüber hinaus an einem durchgreifenden Begründungsmangel. Wird – wie hier – bei der Bemessung der Gesamtstrafe die Einsatzstrafe (hier zwei Jahre und sechs Monate) stark erhöht, bedarf dies regelmäßig besonderer Begründung, wenn sich diese Erhöhung nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (BGH, Beschlüsse vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NJW 2010, 3176; vom 2. Oktober 2001 – 4 StR 381/01). Dem wird die Bezugnahme auf die bei der Einzelstrafbemessung genannten „für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände unter besonderer Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit und des zumindest bei den Taten II.9.-II.12. engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs” vorliegend nicht gerecht, zumal unklar bleibt, ob sich der „enge zeitliche und räumliche Zusammenhang” zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat.
Rz. 6
c) Die Feststellungen sind von den aufgezeigten Wertungsfehlern nicht betroffen; sie haben Bestand.
Unterschriften
Franke, Krehl, Eschelbach, Zeng, Meyberg
Fundstellen
Haufe-Index 14435573 |
NStZ 2021, 7 |
NStZ-RR 2021, 365 |
NStZ-RR 2021, 6 |