Entscheidungsstichwort (Thema)
vorläufige Amtsenthebung nach § 54 Abs. 2 BNotO
Leitsatz (amtlich)
Ist gemäß § 110 BNotO über die Verfehlungen eines Anwaltsnotars im anwaltsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden, sind die Voraussetzungen für eine in diesem Fall nach § 54 Abs. 2 BNotO zulässige vorläufige Amtsenthebung nur gegeben, wenn im anwaltsgerichtlichen Verfahren die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) oder die Verhängung eines Berufs- oder Vertretungsverbots (§ 150 BRAO) oder ein Vertretungsverbot für das Gebiet des Zivilrechts (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO) zu erwarten ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Verfahren allein Verfehlungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Rechtsanwalt zum Gegenstand hat.
Normenkette
BNotO § 54 Abs. 2, § 110 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Celle (Entscheidung vom 19.10.2001) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 19. Oktober 2000 (richtig: 2001) wird zurückgewiesen.
Das Land Niedersachsen hat die dem Notar im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Gründe:
I. Gegen den Notar, der seit Oktober 1978 Rechtsanwalt im Landgerichtsbezirk O. und seit Februar 1983 Notar mit dem Amtssitz in V. ist, läuft ein anwaltsgerichtliches Verfahren.
Bereits früher waren gegen ihn berufsrechtliche Verfahren vor dem Ehren- bzw. Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer O. anhängig. Außerdem wurden gegen ihn Disziplinarmaßnahmen wegen Verletzung seiner Dienstpflichten als Notar ergriffen. Gegenstand der Verfahren war mehrfach der Vorwurf anwaltlicher Untätigkeit und des Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten. Als Sanktionen wurden in den anwaltsgerichtlichen Verfahren und den Disziplinarverfahren gegen den Notar Geldbußen zwischen 1.000 DM und 20.000 DM verhängt und in den meisten Fällen daneben Verweise ausgesprochen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung in dem angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichts verwiesen.
Das derzeit laufende anwaltsgerichtliche Verfahren ist durch die Anschuldigungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft O. vom 3. Juli 2000 eingeleitet worden. Darin wird dem Notar zur Last gelegt, er habe seit Februar 1996 seinen Beruf als Rechtsanwalt nicht gewissenhaft ausgeübt und seine Berufspflichten im Zusammenhang mit der Annahme, Wahrnehmung und Beendigung eines Zwangsvollstreckungsmandats, seine Pflicht zur Herausgabe der Handakten, seine Grundpflicht zur sachlichen Berufsausübung sowie seine Pflicht zur Auskunftserteilung gegenüber dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer verletzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anschuldigungsschrift und deren auszugsweise Wiedergabe im angefochtenen Beschluß Bezug genommen.
Das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer O. hat durch Beschluß vom 14. September 2001 die Anschuldigung zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.
Der Beteiligte hat als Aufsichtsbehörde gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 BNotO beantragt, den Notar vorläufig seines Amtes zu entheben, weil seine Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft zu erwarten und die Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten sei.
Das Oberlandesgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 19. Oktober 2001 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde.
Während des Beschwerdeverfahrens hat das Anwaltsgericht durch Urteil vom 20. Februar 2002 auf die Maßnahmen eines Verweises und einer Geldbuße von 6.000 EUR erkannt. Gegen dieses Urteil hat die Generalstaatsanwaltschaft O., die die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft beantragt hatte, vorsorglich Berufung eingelegt.
Entscheidungsgründe
II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 105 BNotO i.V. mit § 79 BDO), hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf vorläufige Amtsenthebung zu Recht zurückgewiesen.
1. Die vorläufige Amtsenthebung setzt nach den vom Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen voraus, daß die endgültige, wenn auch nur befristete Amtsenthebung zu erwarten ist, die Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist und daß sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (Senatsbeschluß vom 26. Oktober 2000 – NotSt (B) 3/00 – DNotZ 2001, 567 ff., st. Rspr.). Ist gemäß § 110 BNotO über die Verfehlungen eines Anwaltsnotars im anwaltsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden, sind die Voraussetzungen für eine in diesem Fall nach § 54 Abs. 2 BNotO zulässige vorläufige Amtsenthebung nur gegeben, wenn im anwaltsgerichtlichen Verfahren die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO mit der Folge des Erlöschens der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 13 BRAO und des Notaramtes nach § 47 Nr. 3 BNotO) oder die Verhängung eines Berufs- oder Vertretungsverbots nach § 150 BRAO oder ein Vertretungsverbot für das Gebiet des Zivilrechts nach § 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO (wodurch die Wirkungen der vorläufigen Amtsenthebung nach § 54 Abs. 4 Nr. 2 BNotO kraft Gesetzes eintreten) zu erwarten ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Verfahren – wie hier – allein Verfehlungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Rechtsanwalt zum Gegenstand hat.
2. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, wie das Oberlandesgericht ausführlich und zutreffend dargelegt hat. Der Senat nimmt darauf Bezug. Diese Einschätzung wird durch das Urteil des Anwaltsgerichts bestätigt, durch das lediglich ein Verweis und eine Geldbuße von 6.000 EUR verhängt worden sind.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Beteiligte vermag insbesondere nicht aufzuzeigen, daß die vom Anwaltsgericht aufgrund einer Hauptverhandlung vorgenommene Würdigung fehlerhaft oder gar unvertretbar ist. Die Pflichtverletzungen des Notars im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag E. im Jahre 1998 sind schon deshalb nicht geeignet, die vorläufige Amtsenthebung zu stützen, weil sich der Notar im ganz überwiegenden Zeitraum dieses Jahres in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung befunden hatte, der sich auf Anraten seines Arztes Anfang 1999 eine fünf Wochen dauernde stationäre Behandlung anschloß. Daß der bloße Verdacht weiterer unentdeckter Pflichtverletzungen nicht ausreicht, dürfte auf der Hand liegen.
Unterschriften
Rinne, Streck, Seiffert, Bauer, Eule
Fundstellen
Haufe-Index 726011 |
NJW-RR 2002, 922 |
Nachschlagewerk BGH |
KammerForum 2002, 269 |