Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung zur Notarin
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Kammergerichts vom 10. März 1998 wird zurückgewiesen, soweit die Antragstellerin weiterhin die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, sie zur Notarin zu bestellen.
Auf den Hilfsantrag der Antragstellerin wird festgestellt, daß der Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 1997 rechtswidrig war.
Die Antragstellerin hat die Hälfte der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Für das Verfahren des ersten Rechtszuges werden Gerichtskosten nicht erhoben.
Die Antragsgegnerin hat die der Antragstellerin im ersten Rechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Im Beschwerdeverfahren entstandene Auslagen werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 DM (51.129,19 EUR) festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat ihr juristisches Studium in L. im Juli 1981 mit dem akademischen Grad einer Diplom-Juristin abgeschlossen. Durch Verfügung des Ministers der Justiz der ehemaligen DDR vom 15. März 1990 wurde sie zum 1. April 1990 als Rechtsanwältin im früheren Ostteil der Stadt B. zugelassen. Seit Ende 1990 ist sie als Rechtsanwältin bei dem Landgericht B. und seit November 1995 auch beim Kammergericht zugelassen.
Die Antragstellerin hat sich um eine der im Amtsblatt für B. vom 25. Oktober 1996 ausgeschriebenen 58 Notarstellen beworben. Mit Bescheid vom 30. Oktober 1997 teilte ihr die Antragsgegnerin mit, sie könne sie in dem Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO nicht berücksichtigen, weil ihr die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz fehle (§ 5 BNotO i.V.m. § 5 Abs. 1 DRiG).
Die Antragstellerin hat mit dem Ziel der weiteren Teilnahme am Auswahlverfahren gerichtliche Entscheidung beantragt. Sie meint, die gesetzliche Regelung verletze Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung der B. Diplom-Juristen sei im Vergleich zu den vor dem 3. Oktober 1990 in B. (Ost) zu Notaren bestellt gewesenen Diplom-Juristen, deren Zulassung nach dem Beitritt wirksam geblieben ist, und den Diplom-Juristen im übrigen Beitrittsgebiet sachlich nicht gerechtfertigt.
Das Kammergericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist vom Senat mit Beschluß vom 30. November 1998 ebenfalls zurückgewiesen worden.
Auf die Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin hat das Bundesverfassungsgericht die Beschlüsse des Senats und des Kammergerichts sowie den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 1997 aufgehoben und das Verfahren an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Es hat ausgeführt, die angegriffenen Entscheidungen berücksichtigten die Fiktionen des Einigungsvertrages und der nachfolgenden Gesetze nicht; ihre Auslegung, die für das Anwaltsnotariat in B. für solche Diplom-Juristen, die im Zeitpunkt des Beitritts noch nicht zum Anwaltsnotar bestellt gewesen seien, die Befähigung zum Richteramt zwar für den Anwaltsberuf nicht voraussetze (oder als fingiert ansehe), wohl aber für den Notarberuf fordere, verkenne damit die Reichweite des Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG in Ansehung der Gesamtregelung, die der Gesetzgeber zur Integration der Diplom-Juristen getroffen habe.
Im weiteren Verfahren hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, sie habe, nachdem der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 30. November 1998 rechtskräftig geworden sei, die für die Antragstellerin zunächst freigehaltene Notarstelle anderweitig besetzt. Die Antragstellerin bestreitet die anderweitige Besetzung. Sie verfolgt ihre Bestellung zur Notarin weiter und beantragt hilfsweise festzustellen, daß die Ablehnung ihrer Bewerbung um eine der im Amtsblatt für B. vom 25. Oktober 1996 ausgeschriebenen Notarstellen rechtswidrig gewesen sei. Daraufhin hat die Antragsgegnerin eine Aufstellung vorgelegt, nach der sämtliche 58 ausgeschriebenen Notarstellen besetzt sind, die letzte Stelle seit dem 27. April 2000.
II.
Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
1. Der von der Antragstellerin in erster Linie weiterverfolgte Verpflichtungsantrag ist unzulässig. Es besteht keine Veranlassung, die Richtigkeit der von der Antragsgegnerin abgegebenen Erklärung, sie habe nach Rechtskraft des Senatsbeschlusses vom 30. November 1998 auch die der Antragstellerin zunächst freigehaltene Stelle anderweitig besetzt, in Zweifel zu ziehen. Sind danach die im Amtsblatt für B. ausgeschriebenen Stellen, auf die sich die diesem Verfahren zugrundeliegende Bewerbung der Antragstellerin bezog, nunmehr sämtlich vergeben, so ist damit das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin für den gleichwohl aufrechterhaltenen Verpflichtungsantrag entfallen (Senatsbeschluß vom 20. Juli 1998 – NotZ 4/98 – DNotZ 1999, 252).
2. Dagegen ist der Hilfsantrag zulässig und begründet.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist allerdings im Verfahren nach § 111 BNotO ein Fortsetzungsfeststellungsantrag grundsätzlich unzulässig (BGHZ 81, 66, 68; Beschluß vom 20. Juli 1998 – NotZ 36/97 – BGHR BNotO § 111 Abs. 1 Feststellungsantrag 7). Im vorliegenden Fall erscheint es jedoch angezeigt, daß der Bundesgerichtshof, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Senatsbeschluß vom 30. November 1998 aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hat, die verfassungsgerichtliche Entscheidung in der Sache nachvollzieht. Jedenfalls solange die Antragstellerin nicht zur Notarin bestellt ist, besteht ihr Interesse an einer solchen Feststellung fort.
b) Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß der Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 1997 die Antragstellerin in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Daran ist der Senat gebunden. Daraus folgt, daß die Antragsgegnerin die Bestellung der Antragstellerin zur Notarin nicht mit der Begründung ablehnen durfte, der Antragstellerin fehle die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz.
Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, die Note des Hochschulabschlußzeugnisses eines Diplom-Juristen könne der entsprechenden Notenstufe in der Zweiten juristischen Staatsprüfung nicht gleichgestellt werden, trägt dieses Vorbringen die Ablehnung der Antragstellerin schon deshalb nicht, weil das Bundesverfassungsgericht sich in seinem Beschluß vom 23. September 2001 mit diesem Gesichtspunkt auseinandergesetzt und entschieden hat, der Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 1997 verletze die Antragstellerin in ihren Grundrechten. Danach ist es dem Senat verwehrt, die Rechtswidrigkeit des Bescheides in Frage zu stellen.
Unterschriften
Rinne, Streck, Seiffert, Bauer, Eule
Fundstellen
NJW-RR 2002, 922 |
NJ 2002, 336 |