Verfahrensgang
LG Passau (Urteil vom 26.11.2007) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 26. November 2007 dahin abgeändert, dass vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ein Jahr und drei Monate von der gegen den Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zu vollziehen ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
1. Der in dieser Sache seit 23. April 2007 inhaftierte Angeklagte wurde wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet (§ 64 StGB). Zur Vollstreckungsreihenfolge hat die Strafkammer unter Hinweis auf § 67 Abs. 2, 5 StGB nF (Gesetz vom 16. Juli 2007, BGBl I 1327) bestimmt, dass von der Strafe ein Teil von zwei Jahren vor der Unterbringung in der Entziehungsanstalt zu vollziehen ist. Sachverständig beraten geht sie davon aus, dass beim Angeklagten eine Therapiedauer von voraussichtlich einem Jahr erforderlich ist. Auf dieser Grundlage hat sie sich bei der Bemessung der Dauer des Vorwegvollzuges an der Möglichkeit einer „Zwei-Drittel-Reststrafenaussetzung” orientiert. Angesichts seiner näher dargelegten, teilweise einschlägigen Vorstrafen und seiner bisherigen Strafverbüßungen sei nicht von einer „positiven Halb-Reststrafenaussetzung” auszugehen.
Rz. 2
2. Seine auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision führt (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO) zu einer Änderung der Entscheidung über den vorweg zu vollziehenden Teil der Strafe, bleibt aber im Übrigen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 3
a) Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
Rz. 4
b) Die Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzugs war abzuändern:
Rz. 5
(1) Gemäß § 67 Abs. 1 StGB ist die Maßregel vor der Strafe zu vollziehen. Das Gericht bestimmt jedoch, dass die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2 Satz 1 StGB). Ist – wie hier – eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verhängt, „soll” das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB); dies also dann, wenn nicht aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eine andere Entscheidung eher die Erreichung eines Therapieerfolges erwarten lässt (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 67 Rdn. 10, 12 m.w.N.). Liegen – wie hier – keine Gründe vor, die gegen eine Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr. Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB „i s t” dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und der anschließenden Unterbringung eine Entscheidung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist, also eine Halbstrafenentlassung. Darauf, ob es nahe liegend erscheint, dass die zuständige Strafvollstreckungskammer zu gegebener Zeit eine solche Entscheidung auch treffen wird, oder ob, wie dies die Strafkammer hier nachvollziehbar meint, ein solches Ergebnis letztlich nicht zu erwarten ist, kommt es nicht an. Eine an einer mutmaßlichen Zwei-Drittel-Reststrafenaussetzung orientierte Bemessung der Dauer des Vorwegvollzuges, wie sie die Strafkammer vorgenommen hat, ist dem Tatrichter nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, wie er sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt und der von den Gesetzesmaterialien zusätzlich bestätigt wird (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 11), versagt. Dies hat auch der Generalbundesanwalt zutreffend im Einzelnen ausgeführt und belegt (vgl. zusammenfassend auch BGH, Beschl. vom 8. Januar 2008 – 1 StR 644/07).
Rz. 6
(2) Zu der nach alledem gebotenen Entscheidung hat der Generalbundesanwalt unter anderem ausgeführt:
„Einer Zurückverweisung der Sache … bedarf es … nicht. Vielmehr kann der Senat die Dauer des Vorwegvollzuges … selbst festlegen (vgl. BGH Beschl. v. 15. November 2007 – 3 StR 390/07). Die … Therapie (wird) voraussichtlich ein Jahr dauern …. Demgemäß kann der Senat die Höhe des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Gesamtstrafe auf ein Jahr und drei Monate bestimmen. Nach dessen Vollstreckung und einer ein Jahr dauernden Unterbringung ist mit zwei Jahren und drei Monaten die Hälfte der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe erledigt. Die … Untersuchungshaft ist auf die Dauer des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Strafe anzurechnen (BGH aaO).”
Rz. 7
Dem stimmt der Senat zu.
Rz. 8
c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
Unterschriften
Nack, Wahl, Boetticher, Elf, Sander
Fundstellen
Haufe-Index 2564162 |
NStZ-RR 2008, 182 |
StV 2008, 306 |
R&P 2009, 58 |