Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 14.08.2008) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 14. August 2008 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. Februar 2009 bemerkt der Senat:
1. Zwar ist die Rüge, mit der die Revision einen Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG geltend macht, nicht schon – wie der Generalbundesanwalt meint – unzulässig. Denn in einem Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG liegt – anders als bei Missachtung des in § 51 Abs. 1 BZRG enthaltenen Vorhalteverbots – ein sachlich-rechtlicher Fehler, der auf die allgemeine Sachrüge hin zu berücksichtigen ist (vgl. BGHSt 25, 100; BGH StraFo 2006, 296).
2. Die Rüge ist aber unbegründet.
a) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts scheitert sie jedoch nicht daran, dass nach der Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 1972 – 2 StR 384/72 – (BGHSt 25, 25, 26 ff.) eine indizielle Verwertung einer getilgten oder tilgungsreifen Verurteilung und der dieser zugrunde liegenden Tat in einem anderen Strafverfahren für solche Fälle zulässig war, in denen Vortat und Verurteilung bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung wegen der neuen Tat als Beweisanzeichen Bedeutung haben konnten. Denn der Gesetzgeber hat als Reaktion auf diese Rechtsprechung (vgl. BTDrucks. 7/4328 S. 12) in dem Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vom 25. Mai 1976 (BGBl I, 1278) die Vorschrift des § 49 Abs. 2 BZRG aF (die wortgleich ist mit der geltenden Regelung des § 51 Abs. 2 BZRG) dahingehend konkretisiert, dass diese ausschließlich bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der früheren Tat oder der früheren Verurteilung entstandene Rechte Dritter unberührt lässt. Dies entspricht seither der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (dazu grundlegend BGHSt 27, 108 f.).
b) Ein Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG, wonach eine im Register getilgte oder tilgungsreife Verurteilung und die ihr zugrunde liegende Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden dürfen, liegt aber deshalb nicht vor, weil die vom Landgericht indiziell verwertete Körperverletzungshandlung vom 4. Februar 2002 zum Nachteil der Geschädigten K. nicht Bestandteil der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Rastatt, Az. 9 Cs, rechtskräftig seit 28. Juni 2002, abgeurteilten Tat im Sinne des § 264 StPO ist, die eine Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen L. zum Gegenstand hat.
aa) Bei der zum Nachteil des Zeugen L. begangenen Körperverletzung und derjenigen zum Nachteil der Geschädigten K. handelt es sich jeweils um eine eigene verfahrensrechtliche Tat. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam die Geschädigte hinzu, als der Angeklagte auf den Zeugen L. einschlug. Nachdem sie den Angeklagten aufgefordert hatte, den Zeugen in Ruhe zu lassen, nahm der Angeklagte sie „zur Seite in ein Nebenzimmer” und schlug dort mehrfach mit den Fäusten auf sie ein. Liegen wie hier zwei materiell-rechtlich selbständige Taten vor, handelt es sich regelmäßig auch um zwei Taten im prozessualen Sinne, es sei denn, die einzelnen Handlungen sind innerlich derart miteinander verknüpft, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände richtig gewürdigt werden kann, die zu der anderen Handlung geführt haben, und dass die getrennte Aburteilung einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 44, 45 jeweils m.w.N.).
Eine solche Verknüpfung der strafbaren Handlungen ist hier, gemessen am Verhalten des Angeklagten, nicht gegeben. Die örtliche und zeitliche Nähe sowie der situative Zusammenhang der beiden Körperverletzungshandlungen genügen dafür nicht. Vielmehr hebt sich jede Körperverletzungshandlung gegenüber einer bestimmten Person, soweit nicht die Voraussetzungen des § 52 StGB gegeben sind, so sehr von jeder Körperverletzungshandlung zum Nachteil eines anderen Menschen ab, dass ein noch so enger äußerer, zeitlicher und psychologischer Zusammenhang verschiedene Körperverletzungshandlungen nicht zu einer Tat im prozessualen Sinne machen kann (vgl. zur Tatidentität bei Tötungshandlungen BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 45). Vorliegend lagen auch weder eine gleichartige Angriffsrichtung noch dasselbe Tatobjekt noch eine Überschneidung im äußeren Tatablauf oder eine deliktsimmanente Verbindung der Handlungen vor.
bb) Auch eine Zusammenfassung der gegenüber den Zeugen L. und K. geführten Schläge zu einer natürlichen Handlungseinheit (vgl. dazu Fischer, StGB 56. Aufl. Vor § 52 Rdn. 3 ff.) scheidet gegenständlich aus. Denn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen sind einer additiven Betrachtungsweise nur ausnahmsweise zugänglich. Greift ein Täter – wie hier – nacheinander einzelne Menschen an, besteht regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs – wie etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden – willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 45 m.w.N.). Ein solcher Sonderfall ist vorliegend indes nicht gegeben. Bereits der in Bezug auf die Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten K. neu gefasste Tatentschluss steht der Annahme einer natürlichen Handlungseinheit entgegen.
c) Der Senat kann offen lassen, ob das Urteil auf dem von der Revision gerügten Verstoß beruhen würde.
Unterschriften
Nack, Wahl, Kolz, Jäger, Sander
Fundstellen