Entscheidungsstichwort (Thema)
landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung des Hofübergabevertrages vom 30. April 1993 (UR-Nr. 299/93 des Notars R. in L.)
Leitsatz (amtlich)
Ein am Hofübergabevertrag nicht beteiligter weichender Erbe kann allein aus seiner formellen Beteiligteneigenschaft am Genehmigungsverfahren kein Beschwerderecht gegen die landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung des Vertrages ableiten. Dies gilt auch in Fällen einer etwaigen Verletzung des rechtlichen Gehörs jedenfalls insoweit, als der weichende Erbe nicht erhebliche Tatsachen gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vertrages vorbringt.
Normenkette
LwVG § 9; FGG § 20 Abs. 1; HöfeO § 17
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 7. Zivilsenats – Senat für Landwirtschaftssachen – des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Oktober 1995 wird auf Kosten der Beteiligten zu 3, die dem Beteiligten zu 2 die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu erstatten hat, zurückgewiesen.
Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 228.000 DM.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1 war Eigentümer von bebautem und landwirtschaftlich genutzten Grundbesitz zur Größe von fast 26 ha, eingetragen in den Grundbüchern von S. sowie G. und K. mit einem Einheitswert von 57.000 DM. Für den im Grundbuch von S. eingetragenen Grundbesitz von fast 13 ha war seit 1952 ein Hofvermerk eingetragen, der aufgrund einer Erklärung des Beteiligten zu 1 am 19. November 1992 gelöscht, aber nach dessen notariell beglaubigter Erklärung vom 18. Dezember 1992 am 18. Januar 1993, zugleich auch für den im Grundbuch von G. zur Größe von 2.98.21 ha gebuchten Grundbesitz wieder eingetragen wurde.
Mit notariellem Hofübergabevertrag vom 30. April 1993 übertrug der Beteiligte zu 1 seinen vorgenannten Grundbesitz an seinen Sohn, den Beteiligten zu 2. Der Vertrag enthält unter anderem eine Altenteilsregelung zugunsten des Beteiligten zu 1 und seiner Ehefrau. Festgestellt wird, daß der Übernehmer seiner Schwester, der Beteiligten zu 3, keine Abfindung zahlen müsse, weil sie sich in notarieller Urkunde vom 10. Oktober 1985 für abgefunden erklärt habe. Der Beteiligte zu 2 verpflichtete sich jedoch, seiner Schwester auf entsprechendes Verlangen ein Hausgrundstück in S. nach Maßgabe eines beigefügten Plans gegen Zahlung eines noch durch einen Sachverständigen festzulegenden Verkehrswerts zu übertragen.
Das Landwirtschaftsgericht hat nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten zu 3, die der Genehmigung widersprach, den Übergabevertrag genehmigt. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3 hat das Oberlandesgericht – Landwirtschaftssenat – als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3, deren Zurückweisung der Beteiligte zu 2 beantragt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zwar zulässig (vgl. insbesondere § 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG), hat sachlich aber keinen Erfolg, weil das Beschwerdegericht zutreffend eine Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 3 verneint.
Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 3 hängt davon ab, ob durch die Genehmigung des Übergabevertrages ihr subjektives Recht unmittelbar beeinträchtigt wird (§ 9 LwVG i.V. mit § 20 Abs. 1 FGG). Dies ist nicht der Fall.
1. Die Rechtsbeschwerde stellt im wesentlichen darauf ab, daß die Beteiligte zu 3 vom Landwirtschaftsgericht nur schriftlich angehört, sie jedoch entgegen § 15 Abs. 2 LwVG zum Erörterungstermin nicht geladen worden sei. Damit sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, denn sie sei Beteiligte des Genehmigungsverfahrens. Sie sei auch vor der Wiederaufnahme des ausgesetzten Verfahrens nicht gehört worden.
Ob das Landwirtschaftsgericht einen Verfahrensverstoß gegenüber der Beteiligten zu 3 begangen hat, kann offenbleiben. Dies hinge zunächst davon ab, ob der Beteiligten zu 3 als weichender Erbin im Genehmigungsverfahren überhaupt die Beteiligteneigenschaft zukommt. Auch diese neuerdings heftig umstrittene Frage (vgl. zum Meinungsstand mit umfangreichen Nachweisen Barnstedt/Steffen, LwVG, 5. Aufl., § 14 Rdn. 297) kann dahinstehen. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, daß die Beschwerdeführerin im Genehmigungsverfahren zu beteiligen war, steht ihr keine Beschwerdeberechtigung nach § 20 Abs. 1 FGG zu. Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung, daß die angefochtene Entscheidung in den materiellen Rechtsbereich des Beschwerdeführers eingreift. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere des Senats, muß das verletzte subjektive Recht nämlich dem materiellen Recht angehören (BGHZ 1, 343, 352; 41, 114, 116; Beschl. v. 20. Februar 1968, V BLw 34/67, RdL 1968, 97, 98; Beschl. v. 12. November 1980, IVb ZB 712/80, FamRZ 1981, 132; v. 11. April 1984, IVb ZB 87/83, FamRZ 1984, 671; v. 18. Januar 1989, IVb ZB 208/87, NJW 1989, 1858). Es gibt danach kein allgemeines Recht eines Beteiligten auf eine verfahrensrechtlich ordnungsgemäße Führung seiner Angelegenheit. Wer in seiner materiellen Rechtsstellung vom Ergebnis der Entscheidung nicht betroffen ist, hat grundsätzlich kein Rechtsschutzbedürfnis, die verfahrensrechtliche Behandlung nachprüfen zu lassen. Diese Auffassung entspricht auch der überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. Barnstedt/Steffen, LwVG, 5. Aufl., § 22 Rdn. 34, 37; Bassenge/Herbst, FGG, 6. Aufl., § 20 Anm. 2 a aa; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit und Notarrecht, § 29 II 4; Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 29 A III, 3 a; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 20 Rdn. 5; Keidel/Kahl, FGG, 13. Aufl., § 20 Rdn. 10 m.w.N.; Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 6. Aufl., § 17 HöfeO Rdn. 131). Ob von diesem Grundsatz im Falle einer Grundrechtsverletzung nach Art. 103 Abs. 1 GG eine Ausnahme zu machen ist (vgl. Keidel/Kahl aaO Rdn. 11) und ob das Landwirtschaftsgericht durch seine Verfahrensweise das rechtliche Gehör der Beteiligten zu 3 verletzt hat (obwohl diese schriftlich angehört wurde), mag ebenfalls offenbleiben, denn die Einwände der Beteiligten zu 3 gegen die Genehmigung des Vertrages (die sie auch vor dem Beschwerdegericht wiederholt hat) sind nach den zutreffenden Ausführungen des Beschwerdegerichts für die Entscheidung ohne jede Bedeutung. Der Genehmigungsmaßstab orientiert sich in erster Linie an der Einhaltung der Vorschriften des Grundstückverkehrsgesetzes (§§ 17, 16 HöfeO) und an höferechtlichen Grundsätzen. Die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages kann allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn eine offensichtliche Nichtigkeit vorliegt (vgl. BGHZ 12, 286, 295; Lüdtke-Handjery, DNotZ 85, 358-360; Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 17 Rdn. 226; vgl. auch Senatsbeschl. v. 12. Mai 1982, V BLw 13/81, RdL 1983, 305), wobei die Landwirtschaftsgerichte nur berechtigt, nicht aber verpflichtet sind, die Genehmigung im Falle evidenter Nichtigkeit des Vertrages zu versagen (BGHZ aaO S. 296).
Die Beteiligte zu 3 meint, der Beteiligte zu 1 habe den Übergabevertrag zu Recht angefochten, wobei ihr Tatsachenvortrag vom Beteiligten zu 2 bestritten ist. Ein Prozeßkostenhilfegesuch des Beteiligten zu 1 zur Durchsetzung seines Standpunkts blieb mangels Beweisangeboten ohne Erfolg. Von einer offensichtlichen Nichtigkeit des Vertrages kann deshalb keine Rede sein. Ohne Bedeutung ist auch, daß die Beteiligte zu 3 die Wirksamkeit des wieder eingetragenen Hofvermerks in Zweifel zieht, da die Genehmigung auch dann wirksam wäre, wenn es sich nicht um einen Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt hätte (vgl. Senatsbeschl. v. 3. Mai 1956, V BLw 64/55, RdL 1956, 201, 202; OLG Celle RdL 1956, 339, 340; Wöhrmann/Stöcker aaO Rdn. 114).
Was die Beteiligte zu 3 im Falle ihrer Ladung und Anhörung über ihre schriftliche Stellungnahme hinaus vorgetragen hätte, führt die Rechtsbeschwerde nicht aus. Auch deshalb ist es nicht geboten, hier den Grundsatz einer notwendigen materiellen Rechtsbeeinträchtigung zu durchbrechen (vgl. auch BVerfGE 72, 122, 132 m.w.N.).
2. Als weichender Erbin steht der Beteiligten zu 3 generell keine Beschwerdeberechtigung zu, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Erbrechts noch unter dem ihrer etwaigen Abfindungsansprüche. Insoweit wird auf den Beschluß des Senats vom heutigen Tag (BLw 43/95, zur Veröffentlichung bestimmt) Bezug genommen.
Ein Beschwerderecht der Beteiligten zu 3, die am Vertragsschluß nicht beteiligt war, ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, daß ihr im Übergabevertrag ein eigenes Recht auf Übertragung von Grundbesitz eingeräumt wurde (vgl. Senat aaO). Ihr diesbezüglicher vertraglicher Anspruch kann überhaupt nur dann entstehen, wenn der Vertrag genehmigt wird; von einer Rechtsbeeinträchtigung durch die Genehmigung kann folglich keine Rede sein.
Es geht schließlich nicht um die Frage, welchen Einfluß der im Laufe des Genehmigungsverfahrens eingetretene Tod des Beteiligten zu 1 als des Übergebers auf das Verfahren haben kann (vgl. etwa Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 9. Aufl., § 17 Rdn. 119-121), denn auch insoweit ist nicht ersichtlich, wieso die nach dem Tode des Übergebers erfolgte Genehmigung Rechte der Beteiligten zu 3 beeinträchtigen könnte. Im übrigen konnte das Beschwerdegericht mangels Zulässigkeit der Beschwerde diesen Gesichtspunkt nicht prüfen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 44, 45 LwVG; die Geschäftswertfestsetzung ergibt sich aus § 20 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 HöfeVfO i.V. mit 5 19 Abs. 4 KostO.
Unterschriften
Hagen, Vogt, Wenzel
Fundstellen