Entscheidungsstichwort (Thema)
Markenanmeldung Nr. 395 43 509.9
Verfahrensgang
BPatG (Beschluss vom 05.05.1999) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 5. Mai 1999 wird auf Kosten des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Mit ihrer am 26. Oktober 1995 eingereichten Anmeldung hat die Anmelderin die Eintragung der Zahl „6” zunächst für die Waren
„Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten; Raucherartikel, soweit in Klasse 34 enthalten; Streichhölzer”
in das Markenregister begehrt.
Die Markenstelle des Deutschen Patentamts hat der angemeldeten Marke die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses versagt.
Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin das Warenverzeichnis auf die Waren
„Tabak, Tabakerzeugnisse, nämlich Cigaretten; Steckcigaretten, Cigarillos, Cigarren, Rauchtabak, Pfeifentabak, Kautabak, Schnupftabak; Raucherartikel soweit in Klasse 34 enthalten, nämlich Aschenbecher, Feuerzeuge, Tabakbeutel, Tabakdosen, Etuis für Cigaretten, Cigarillos und Cigarren, Taschenapparate zum Drehen von Cigaretten, Pfeifen, Pfeifenreiniger, Pfeifenständer, Cigarettenmundstücke, Cigarettenspitzen, Cigarrenspitzen, Cigarrenabschneider, Cigarettenpapier, Cigarettenhülsen, Cigarettenfilter; Streichhölzer”
beschränkt.
Der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts ist dem Verfahren auf eine entsprechende Anheimgabe des Bundespatentgerichts (§ 68 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) beigetreten und hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Bundespatentgericht hat den Beschluß der Markenstelle aufgehoben (BPatG GRUR 1999, 1088 [Ls.]).
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde begehrt der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung an das Bundespatentgericht. Die Anmelderin bittet (schriftlich) um Entscheidung nach Lage der Akten.
Entscheidungsgründe
II. Das Bundespatentgericht hat die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren für eintragungsfähig gehalten und Schutzhindernisse i.S. des § 8 Abs. 2 MarkenG nicht für gegeben erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Bei der angemeldeten Zahl handele es sich insbesondere nicht um eine Angabe i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, die dem Verkehr zur Bezeichnung der Menge der beanspruchten Waren dienen könne. Für die Zurückweisung der Anmeldung einer Zahl als Mengenbezeichnung bedürfe es der Feststellung eines besonderen Bedürfnisses zur Freihaltung gerade der in Frage stehenden Zahl mit Bezug auf die konkreten Waren, für die sie geschützt werden solle. Ein solches Bedürfnis habe weder die Markenstelle noch der weitere Verfahrensbeteiligte konkret belegen können. Die Zahl „6” sei für einen Teil der beanspruchten Waren, insbesondere für „Cigaretten, Steckcigaretten, Cigarettenpapier, Cigarettenhülsen, Cigarettenfilter” schon deshalb als Mengenangabe ohne praktische Bedeutung, weil diese Waren regelmäßig nur in größerer Stückzahl als in Sechser-Packs verkauft würden. Die Zahl der Zigaretten pro Packung bzw. der Zigarettenpackungen pro Stange bewege sich seit Jahrzehnten oberhalb der beanspruchten Zahl „6” im zweistelligen Bereich. Aber auch für die übrigen Tabakerzeugnisse und die weiterhin beanspruchten Raucherartikel fehle es an Verkaufseinheiten zu jeweils sechs Stück. Das gelte auch für Zigarren, die entweder einzeln oder in Kisten mit höherer Stückzahl angeboten würden. Bei Zigarillos betrage die Gebindezahl durchweg zehn Stück.
Bei der Zahl „6” handele es sich auch nicht um eine Angabe, die zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren dienen könne. Der Prüfung zugrunde zu legen sei insoweit die Marke in ihrer angemeldeten Form, also die Zahl „6” in Alleinstellung ohne irgendwelche hinzugedachten Zusätze. In dieser Form sei die Zahl „6” in ihrem Aussagegehalt aber unklar, da ohne die Hinzusetzung weiterer Angaben, wie etwa der von der Markenstelle ergänzten Begriffe „Stück”, „Packung”, „Die Nr. … unter”, für den Verkehr nicht eindeutig erkennbar sei, was mit ihr zum Ausdruck gebracht werden solle. Insoweit komme eine Vielzahl weiterer Verständnismöglichkeiten in Betracht, u.a. auch ein Verständnis als Kennzeichnung eines einzelnen Produkts einer (Marken-)Serie.
Der angemeldeten Marke fehle auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Der Gesetzgeber sei von der grundsätzlich bestehenden Unterscheidungskraft reiner Zahlen ausgegangen. Bei der angemeldeten Zahl „6” handele es sich für die beanspruchten Waren auch nicht um irgendeine in einer bestimmten Richtung sofort verständliche, beschreibende Sachangabe. Zwar sei der Verkehr bisher im allgemeinen nicht daran gewöhnt, einfache Buchstaben oder Zahlen als Markenbezeichnungen zu verstehen. Jedenfalls einem nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs werde sich heute aber die angemeldete Zahl bei der beanspruchten Verwendung in Alleinstellung und in einer nach Art einer Marke herausgestellten Form nicht nur als eine Angabe über die erworbene Menge des Produkts, sondern als Marke eines einzelnen Unternehmens darstellen, zumal der Verkehr erfahrungsgemäß nicht zu einer analysierenden Betrachtung von ihm in markenmäßiger Form entgegentretenden Bezeichnungen neige.
Die von der Markenstelle festgestellte Verwendung der Bezeichnungen „R 1” bzw. „R 6” sei nicht geeignet, ein Freihaltungsbedürfnis oder das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft an der in Alleinstellung angemeldeten Zahl „6” zu begründen. Denn bei den Bezeichnungen „R 1” und „R 6” handele es sich nicht um warenbeschreibende Angaben für Tabakwaren oder Raucherartikel, sondern um Marken für Zigaretten.
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, der Eintragung der angemeldeten Marke stünden keine Eintragungshindernisse entgegen, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zutreffend hat das Bundespatentgericht die abstrakte Unterscheidungseignung der angemeldeten Marke i.S. von § 3 Abs. 1 MarkenG nicht in Zweifel gezogen. Zahlen sind nach der ausdrücklichen Bestimmung der angeführten Regelung als Marke schutzfähig (BGH, Urt. v. 20.10.1999 – I ZR 110/97, GRUR 2000, 608, 609 = WRP 2000, 529 – ARD-1). Das stellt auch die Rechtsbeschwerde nicht in Frage.
2. Das Bundespatentgericht ist davon ausgegangen, daß sich jedenfalls einem nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs die angemeldete Zahl bei der beanspruchten Verwendung in Alleinstellung und in einer nach Art einer Marke herausgestellten Form nicht als eine Angabe über die erworbene Menge des Produkts, sondern als Marke eines einzelnen Unternehmens darstelle, der angemeldeten Marke also auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle. Auch das kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden.
In seiner „FÜNFER”-Entscheidung (Beschl. v. 22.9.1999 – I ZB 19/97, GRUR 2000, 231, 232 = WRP 2000, 95) hat der Bundesgerichtshof die Frage noch offengelassen, ob einer einstelligen Zahl generell die Unterscheidungskraft abzusprechen sei (vgl. HABM MarkenR 1999, 323, 324 Tz. 14 – Zahl „7”; s. auch Prüfungsrichtlinien des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt Nr. 8.3 ABl. [HABM] 1996, 1307; tendenziell wohl auch Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 8 Rdn. 65) oder ob eine Einzelfallprüfung stattzufinden habe (vgl. BGH, Beschl. v. 9.2.1995 – I ZB 21/92, GRUR 1997, 366, 367 – quattro II; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 8 Rdn. 116b ff. mit ausführlicher Darstellung der Rechtsprechung). In einer späteren Entscheidung hat er dazu ausgeführt, die Zahl „1” sei für die Dienstleistungen „Sendung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk” schon deshalb nicht konkret unterscheidungskräftig, weil sie als Grundzahl und erste Ziffer der Zahlenreihe für derartige Dienstleistungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung vom angesprochenen Verkehr in der Regel beschreibend und nicht kennzeichnend verstanden werde; insoweit sei der Verkehr besonders auf dem Gebiet der Sendung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen allgemein an die beschreibende Verwendung derartiger Ordnungszahlen (zur Unterscheidung einzelner Programme eines Senders) gewöhnt (BGH GRUR 2000, 608, 610 – ARD-1).
Eine derartige Einzelfallbeurteilung ist stets erforderlich. Im vorliegenden Fall hat das Bundespatentgericht Feststellungen über die Verwendung der Zahl „6” in einer, wie vorstehend beispielhaft angeführt, beschreibenden Weise nicht getroffen. Ein Anhaltspunkt für eine derartige Verwendung könnte allenfalls dem von der Rechtsbeschwerde aufgenommenen Hinweis des weiteren Verfahrensbeteiligten entnommen werden, daß der Verkehr wegen der Verwendung der Marken „R 1” und „R 6” bei der Begegnung mit der angemeldeten Zahl „6” annehmen könnte, die Ziffern zwischen 0 und 9 fänden auf dem in Frage stehenden Warengebiet der Tabakwaren und Raucherartikel zur Kennzeichnung einer Produktserie, nicht aber zur Herkunftskennzeichnung der Waren Verwendung.
Hiervon kann aber nicht ausgegangen werden. Das Bundespatentgericht hat eine derartige Verkehrsvorstellung rechtsfehlerfrei verneint, weil eine Produktserie durch eine durchlaufende Numerierung gekennzeichnet sein müsse. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit der Erwägung, die Verwendung der Bezeichnungen „R 1” und „R 6” für Zigaretten gebe – für sich genommen – keine Auskunft darüber, daß es sich nicht um Produkte einer Produktserie handele. Damit verschiebt die Rechtsbeschwerde – im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässig – den Gesichtspunkt der tatrichterlichen Würdigung, wonach die beiden Bezeichnungen keinen hinreichenden Anhalt für eine Produktserie und die entsprechende Verkehrsvorstellung ergäben. Daß dies für erfahrungswidrig erachtet werden müsse, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht hinreichend auf. Auch die in diesem Zusammenhang herangezogene Annahme, eine Produktserie bedürfe keineswegs einer durchlaufenden Numerierung, greift schon deshalb nicht durch, weil bei Serienzeichen Zahlen regelmäßig nicht in Alleinstellung verwendet werden.
3. Das Bundespatentgericht hat ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Zahl „6” i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verneint. Es hat angenommen, daß die Zahl „6” als Mengenangabe für die in Anspruch genommenen Waren nicht in Betracht komme, weil diese regelmäßig nur in größerer Stückzahl als in Sechser-Packungen verkauft würden. Das beanstandet die Rechtsbeschwerde mit der Erwägung, daß eine Zahl schon dann unter das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG falle, wenn sie sich als konkrete Möglichkeit einer für den Verkehr sinnvollen Verwendung als Bezeichnung einer bestimmten Menge der in Frage stehenden konkreten Waren darstelle. Gerade das hat das Bundespatentgericht in tatrichterlicher Würdigung aber verneint, wenn es ausführt, keine der Waren des Warenverzeichnisses werde in Sechser-Packungen verkauft; die Zahl „6” sei für diese ohne praktische Bedeutung, weil sie regelmäßig nur in größerer Stückzahl verkauft würden. Darüber hinaus sei die Zahl „6” in Alleinstellung in ihrem Aussagegehalt unklar, weil für den Verkehr nicht eindeutig erkennbar werde, was mit ihr zum Ausdruck gebracht werden solle. Diese aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Beurteilung steht der Erwägung der Rechtsbeschwerde entgegen, daß die Zahl „6” als Mengenangabe sinnvoll für die in Frage stehenden Waren Verwendung finden könne. Soweit die Rechtsbeschwerde zu einer anderen Auffassung gelangt, setzt sie nur – im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässig – ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters.
Die Rechtsbeschwerde macht weiter geltend, das Bundespatentgericht habe für die Waren „Kautabak, Schnupftabak” keine Feststellungen getroffen, warum es für den Verkehr nicht naheliege, daß diese Waren in Sechser-Gebinden vertrieben würden; das gelte ebenfalls für Feuerzeuge. Diese Rüge greift nicht durch. Der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts hat im Beschwerdeverfahren keine tatsächlichen Ausführungen dazu gemacht, daß Kau- oder Schnupftabak in Gebinden von Einzelstücken vertrieben würden. Das liegt auch, wie der allgemeinen Lebenserfahrung entnommen werden kann, eher fern, weil Schnupftabak regelmäßig in Pulverform in größeren oder kleineren Behältnissen vertrieben wird und auch Kautabak nicht nach Stücken in Gebinden angeboten wird. Auch im übrigen fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, daß etwa Feuerzeuge – insbesondere Einwegfeuerzeuge, die allenfalls in Zweier-Gebinden vertrieben werden – oder sonstige Raucherartikel zu sechs Stück gebündelt in den Verkehr gebracht werden.
Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde – wie schon der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts im Beschwerdeverfahren – auch geltend, wegen der Tatsache, daß die Bezeichnungen „R 1” und „R 6” als Marken für Zigaretten im Verkehr Verwendung fänden, liege es nahe, daß – zumindest – Ziffern zwischen 0 und 9 zur Kennzeichnung einer Produktserie benutzt werden könnten. Das hat das Bundespatentgericht, wie schon zu Ziffer 2 ausgeführt, rechtsfehlerfrei verneint, weil eine Produktserie durch eine durchlaufende Numerierung gekennzeichnet sein müsse.
IV. Danach war die Rechtsbeschwerde auf Kosten des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts (§ 90 Abs. 2 MarkenG) zurückzuweisen.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Bornkamm, Pokrant, Büscher
Fundstellen