Gründe
Gegen das ihr am 17. September 1993 zugestellte Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Memmingen, das sie zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 182.464,67 DM nebst Zinsen verurteilte, legte die Beklagte am 15. Oktober 1993 durch ihren Prozeßbevollmächtigten zweiter Instanz Berufung ein.
Auf eine schriftliche Anfrage des Oberlandesgerichts vom 23. November 1993, warum die Berufung nicht begründet worden sei, reagierte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nicht. Auf erneute telefonische Anfrage am 2. Dezember 1993 kündigte er unter Hinweis auf eine Herzerkrankung an, alsbald ein Wiedereinsetzungsgesuch stellen zu wollen. Mit Schreiben vom 31. Januar 1994 gab der Vorsitzende des Senats ihm Gelegenheit, bis zum 14. Februar 1994 zu der beabsichtigten Verwerfung des Rechtsmittels Stellung zu nehmen. Am 14. Februar 1994 begründete die Beklagte die Berufung und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs führte sie aus: Nachdem ihr Prozeßbevollmächtigter bereits 1991 wegen eines schweren Hinterwandinfarkts mehrere Monate lang stationär behandelt worden sei, habe er während der Vorbereitung der Berufungsbegründung am Freitag, dem 12. November 1993, schwere Herzanfälle mit der Gefahr eines neuerlichen Infarkts erlitten. Die in Ruhestellung auf über 130 gestiegene Pulsfrequenz habe er zwar durch Einnahme von Betablokkern reduzieren können; diese hätten aber zugleich zu so schweren Kreislaufbeschwerden geführt, daß er bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 15. November 1993 weder habe Verlängerung beantragen noch gemäß § 53 BRAO einen Vertreter bestellen können.
Seit dem 12. November 1993 sei er arbeitsunfähig erkrankt gewesen; sein Gesundheitszustand habe lediglich tägliche Besuche in der Kanzlei zur Überwachung von Fristen und zur Verlegung von Terminen zugelassen. Selbst geringfügigste Belastungen hätten zu einer bedrohlichen Steigerung der Herzschlagfrequenz und wegen der Gefahr eines erneuten Infarkts zu psychischen Beeinträchtigungen geführt. Da jede medikamentöse Behandlung zugleich starke Kreislaufprobleme ausgelöst habe, sei es ihm nicht möglich gewesen, juristische Tätigkeiten als Rechtsanwalt zu entfalten. Erst seit dem 2. Februar 1994 habe sich sein Gesundheitszustand so weit gebessert, daß er seiner beruflichen Tätigkeit - wenn auch in eingeschränktem Umfang - wieder nachgehen könne. Die Richtigkeit dieser Angaben versicherte der Prozeßbevollmächtigte in dem Wiedereinsetzungsgesuch an Eides Statt.
Durch Beschluß vom 21. Februar 1994, dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zugestellt am 25. Februar 1994, lehnte das Berufungsgericht die Wiedereinsetzung ab und verwarf die Berufung als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte sei nicht ohne ihr Verschulden verhindert gewesen, die Frist des § 519 ZPO einzuhalten, weil sie sich das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen müsse (§ 85 Abs. 2 ZPO). Dieser habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, daß es ihm unmöglich gewesen sei rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist einzureichen. Denn nach seinem eigenen Vortrag habe er sich täglich zur Wahrung von Fristen und Verlegung von Terminen in seine Kanzlei begeben. Es sei weder ersichtlich, daß er dies am letzten Tag der Frist (Montag, 15. November 1993) nicht getan habe, noch daß er außerstande gewesen sei, seine Kanzleikraft zur Fertigung eines Antrags auf Fristverlängerung zu veranlassen und diesen Antrag zu unterschreiben. Außerdem sei nicht dargelegt, daß er seiner anwaltlichen Pflicht genügt habe, seinen Kanzleibetrieb für die Zwecke der Fristwahrung sorgfältig, sicher und effektiv zu organisieren und insbesondere vor seiner aktuellen Erkrankung dem Büropersonal eine allgemeine Anweisung zu erteilen, wie es sich im Falle seiner Erkrankung bezüglich laufender Fristen zu verhalten habe (Benachrichtigung eines Vertreters oder Veranlassung von Fristverlängerungsanträgen). Hierzu hätte um so mehr Anlaß bestanden, als er bereits 1991 einen Herzinfarkt mit der Folge verminderter Herzmuskeltätigkeit erlitten habe.
Dagegen richtet sich die am 11. März 1994 zum Oberlandesgericht München eingelegte sofortige Beschwerde, mit der die Beklagte durch ihren Prozeßbevollmächtigten weiter vorträgt und dieser an Eides Statt versichert, sein Büropersonal angewiesen zu haben, im Falle einer plötzlichen Erkrankung einen anderen Rechtsanwalt, mit dem er eine entsprechende Vereinbarung auf Gegenseitigkeit getroffen habe, zur Erledigung fristgebundener Anträge und Handlungen heranzuziehen.
Dazu sei es vorliegend nur deshalb nicht gekommen, weil er sich die Handakten am Freitag, dem 12. November 1993, habe vorlegen lassen, um sie über das Wochenende mit nach Hause zu nehmen und die Berufungsbegründung dort ungestört diktieren zu können. Seine Herzbeschwerden seien am Freitagabend aufgetreten; zu diesem Zeitpunkt habe er sein Büropersonal nicht mehr erreichen können. Auch sei er davon ausgegangen, daß die Beschwerden über das Wochenende wieder abklingen würden; nach einer vorübergehenden Besserung habe sein Zustand sich aber am Sonntagabend wieder so verschlechtert, daß er am Montag, dem 15. November 1993, bettlägerig gewesen sei. Da er die Handakten mitgenommen habe, sei das Büropersonal davon ausgegangen, er habe die Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist selbst übernommen, so daß sich ein Fristverlängerungsantrag erübrige.
Nach ärztlicher Behandlung sei er erst vom 22. November 1993 an in der Lage gewesen, Termine und Fristen wieder selbst zu überwachen, nicht jedoch fundierte juristische Tätigkeiten zu entfalten. Umfangreiche Schriftsätze habe er erst ab Februar 1994 wieder fertigen können.
II. Die gemäß § 519b Abs. 2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel erst nach Ablauf der Monatsfrist begründet worden ist (§§ 519 Abs. 2 Satz 2, 519b Abs. 1 ZPO). Die Frist zur Begründung der am 15. Oktober 1993 eingelegten Berufung endete am 15. November 1993. Durch die erst am 14. Februar 1994 eingereichte Berufungsbegründung wurde sie nicht gewahrt.
2. Das Oberlandesgericht hat die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Begründungsfrist schon deswegen im Ergebnis zu Recht versagt, weil nicht dargetan ist, daß sie innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO beantragt worden ist.
Diese Frist beginnt mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist, § 234 Abs. 2 ZPO, oder von dem an das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1989 - I ZB 3/89 - MDR 1990, 413 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 1 und vom 31. Januar 1990 - VIII ZB 44/89 - NJW-RR 1990, 830; Zöller/Greger ZPO 18. Aufl. § 234 Rdn. 5).
Die Beschwerde macht zwar geltend, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten sei erst ab Februar 1994 wieder in der Lage gewesen, umfangreiche Schriftsätze zu fertigen. In Verbindung mit dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsgesuch, erst seit dem 2. Februar 1994 sei er wieder in der Lage gewesen, seiner anwaltlichen Tätigkeit nachzugehen, ist daraus zu folgern, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten bis zu diesem Tage gehindert war, die Berufungsbegründung selbst zu fertigen. Darauf kommt es aber nicht an.
Im Falle schwerer Erkrankung einer nicht vertretenen Partei entfällt das darin zu sehende Hindernis mit der Möglichkeit, Prozeßvollmacht zu erteilen (vgl. Zöller/Greger aaO § 234 Rdn. 5 m.N.). Ebenso steht die schwere Erkrankung des im zweiten Rechtszug allein beauftragten Rechtsanwalts der Begründung des Rechtsmittels nicht mehr entgegen, sobald der Anwalt seiner Verpflichtung nachkommen kann, einen Vertreter zu beauftragen.
Für den Fall seiner plötzlichen Erkrankung hat der Rechtsanwalt Vorsorge zu treffen, zum Beispiel durch Anweisungen an sein Büropersonal, zur Erledigung fristgebundener Handlungen einen Vertreter heranzuziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 1968 - VII ZB 6/68 - VersR 1968, 850; vom 6. März 1990 - VI ZB 4/90 - VersR 1990, 1026 = BGHR § 233 ZPO Erkrankung 1 und vom 11. März 1991 - II ZB 1/91 - VersR 1991, 1270, 1271; Stein/Jonas/Roth ZPO 21. Aufl. § 233 Rdn. 64 Stichwort Abwesenheit zu c); MünchKomm/Feiber ZPO § 233 Rdn. 53, 77; Zöller/Greger aaO § 233 Rdn. 23 "Krankheit"; Feuerich BRAO 2. Aufl. § 53 Rdn. 4). Insoweit kann dahinstehen, ob die mit der Beschwerde vorgetragene Anweisung, im Falle plötzlicher Erkrankung des Anwalts einen zur Vertretung bereiten Kollegen heranzuziehen, ausreichend war, oder ob der Anwalt sein Büropersonal darüber hinaus hätte anweisen müssen, auch dann von sich aus durch einen Vertreter Fristverlängerung beantragen zu lassen, wenn er die Handakten zur Fertigung der Berufungsbegründung nach Hause mitgenommen hatte, am Tage des Fristablaufs aber weder im Büro erschien noch telefonisch erreichbar war. Denn auch dann, wenn an sich ausreichende Vorkehrungen aufgrund unvorhersehbarer Umstände im Einzelfall versagen und Fristverlängerung deswegen nicht mehr rechtzeitig beantragt werden kann, enthebt dies den Anwalt nicht seiner Verpflichtung, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die versäumte Prozeßhandlung alsbald - notfalls durch einen Vertreter - nachzuholen und Wiedereinsetzung zu beantragen. Zwar mag die kurzfristige Bestellung eines Vertreters für die Fertigung einer Berufungsbegründung im Einzelfall unmöglich oder zumindest unzumutbar sein (vgl. Zöller/Greger aaO). Dem Beschwerdevorbringen sind dafür aber keine Anhaltspunkte zu entnehmen, zumal der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten durch seine Erkrankung länger als eine Woche gehindert war, seinen Beruf auszuüben, und deshalb ohnehin für seine Vertretung zu sorgen hatte (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO).
Da er nach seinem eigenen Vortrag jedenfalls vom 22. November 1993 an wieder täglich seine Kanzlei aufsuchte, Fristen kontrollierte und Terminsverlegungen veranlaßte, war er spätestens seit diesem Zeitpunkt auch in der Lage, einen allgemeinen Vertreter zu bestellen, dessen Bestellung durch die Landesjustizverwaltung zu beantragen (§ 53 Abs. 2 Satz 2 BRAO) oder zumindest sein Büropersonal anzuweisen, die Bearbeitung der vorliegenden Sache einem Vertreter zu übertragen.
Die Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO ist daher durch das Wiedereinsetzungsgesuch vom 14. Februar 1994 nicht gewahrt worden. Gründe für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist sind nicht ersichtlich.
Unter diesen Umständen bedarf es weder der Prüfung, ob das Vorbringen der Beklagten ergibt, daß sie die Berufungsbegründungsfrist ohne Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten versäumt hat, noch der Entscheidung, ob bei dieser Prüfung das erst in der Beschwerdebegründung enthaltene, nachträgliche Vorbringen berücksichtigt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 2993270 |
FamRZ 1994, 1520 |