Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 18. November 1999 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Es führt jedoch zur Aufhebung des Maßregelausspruchs, weil die Voraussetzungen des § 63 StGB für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht ausreichend dargetan sind.
Nach den Feststellungen beging der Angeklagte, der nach seinen Angaben „von Kindheit an an Alkohol gewöhnt” war und bei Abstinenz an Entzugserscheinungen litt, die Tat unter Alkoholeinfluß (Blutalkoholkonzentration: höchstens „ etwas über 3 o/oo”). Das sachverständig beratene Landgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht und angenommen, bei dem Angeklagten habe „aufgrund der Alkoholisierung im Zusammenwirken mit den Auswirkungen der intellektuellen Minderbegabung und des hirnorganischen Psychosyndroms” eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit vorgelegen (UA 17). Nach dem Gutachten des Sachverständigen, dem das Landgericht auch insoweit gefolgt ist, neigt der Angeklagte „besonders unter dem Einfluß von Alkohol oder auch anderen Drogen zu Impulskontrollstörungen und aggressiven Durchbrüchen” (UA 17). Um die Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen, muß die Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit aber auf einer nicht nur vorübergehenden, sondern länger andauernden und damit einen „Zustand” bildenden Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB beruhen (vgl. BGHSt 34, 22, 27; 44, 338, 339). Ein solcher Zustand liegt jedoch nach den bisherigen Feststellungen nicht vor. „Die psychischen Beeinträchtigungen des Angeklagten, nämlich die Schwachbegabung, das hirnorganische Psychosyndrom und die … insbesondere unter Alkoholeinfluß hervortretende Persönlichkeitsstörung” (UA 19) haben für sich genommen noch nicht die Verminderung der Steuerungsfähigkeit bewirkt; vielmehr ist sie letztlich erst durch die aktuelle Alkoholintoxikation, eine nur vorübergehende Störung, herbeigeführt worden.
Zwar kommt in solchen Fällen die Unterbringung nach § 63 StGB ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet (st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 313 f.; BGHR StGB § 63 Zustand 17, 19) oder aufgrund eines psychischen Defekts alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (st. Rspr. vgl. BGHSt 44, 338, 339 m.N.). Nach den bisherigen Feststellungen liegt aber auch ein solcher Ausnahmefall nicht vor:
Aus ihnen ergibt sich nicht, daß bei dem Angeklagten eine Alkoholabhängigkeit vorliegt und daß sie auf einem von der Sucht selbst unterscheidbaren eigenständigen psychischen Defekt im Sinne der §§ 20, 21 StGB beruht (vgl. BGHSt 44, 338, 340/341; BGHR StGB § 63 Zustand 4, 7, jeweils m.w.N.). Das Landgericht hat es vielmehr offengelassen, ob bei dem Angeklagten eine Alkoholabhängigkeit und damit ein Hang im Sinne des § 64 StGB vorliegt, und die Voraussetzungen einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit der Erwägung verneint, jedenfalls verspreche eine Therapie nach dem Gutachten des Sachverständigen wegen der „psychischen Disposition” des Angeklagten keine Aussicht auf Erfolg (UA 19/20). Wenn bei dem Angeklagten, was nach seinen Angaben zu seinem Alkoholkonsum und im Hinblick auf die früheren Verurteilungen zugrundeliegenden Taten allerdings naheliegt, eine Alkoholabhängigkeit vorläge, könnte diese die Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus zwar auch dann rechtfertigen, wenn der Fortbestand der Alkoholsucht auf einer Persönlichkeitsstörung beruhte, die sich zwar als schwere andere seelische Abartigkeit darstellt, für sich allein aber die Schuldfähigkeit weder ausgeschlossen noch erheblich vermindert hat (BGHSt 44, 338, 341 ff.). Daß die psychischen Beeinträchtigungen des Angeklagten einen solchen Schweregrad erreichen, daß sie als andere schwere seelische Abartigkeit zu werten sind (vgl. zu den Vorraussetzungen BGHSt 37, 397, 401; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 31 und Zustand 24, 26), hat das Landgericht aber ebenfalls nicht dargelegt (vgl. ferner BGH NJW 1999, 3423).
Der neue Tatrichter wird, sofern der Angeklagte alkoholsüchtig ist, zunächst die Anordnung der den Angeklagten weniger beschwerenden Maßnahme nach § 64 StGB (vgl. BGH StV 1998, 72 m.N.) zu prüfen haben. Diese setzt zwar die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges voraus (BVerfGE 91, 1 = NStZ 1994, 578). Für die Annahme der Aussichtslosigkeit im Hinblick auf die problematische „psychische Disposition” des Angeklagten bedarf es aber der Prüfung und Darlegung, daß auch mit therapeutischen Mitteln eine positive Beeinflussung des Angeklagten nicht zu erreichen wäre (BGHR § 64 StGB Abs. 1 Erfolgsaussicht 7; BGH, Beschluß vom 18. Januar 2000 – 4 StR 583/99).
Unterschriften
Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540701 |
BA 2001, 183 |