Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 09.02.2009) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Februar 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „fünffachen” Betruges jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revisionen der Angeklagten dringen mit der Sachrüge durch. Die Beweiswürdigung der Strafkammer leidet an Mängeln, die zur Aufhebung des Urteils führen. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
Rz. 2
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass unter anderem die Angeklagten im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kellner in den Jahren 2002 und 2003 im Restaurant eines Berliner Hotels das ihnen über Magnetkarten zugängliche Kassensystem zu Manipulationen ausnutzten, um sich auf diese Weise zum Nachteil ihres Arbeitgebers zu bereichern. Sie verbuchten und rechneten an jeweils fünf Tagen nur einen Teil der tatsächlich erzielten Tageseinnahmen ab und behielten den Differenzbetrag für sich, um sich durch die wiederholte Begehung solcher Taten eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen.
Rz. 3
Wegen der Geschehnisse sind die im vorliegenden Verfahren als Zeugen vernommenen E., B. A., Bi., D., De. und S. nach einer Verfahrensabsprache am 29. April 2008 aufgrund ihrer Geständnisse und der Angaben des Zeugen G. rechtskräftig zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Das Verfahren gegen die nicht geständigen Angeklagten ist am 25. April 2008 abgetrennt worden.
Rz. 4
2. Das Landgericht hat sich mit möglicherweise beweisrelevanten entlastenden, fehlerfrei festgestellten Umständen nicht hinreichend auseinandergesetzt und es unterlassen, prägende Umstände der Gesamttaten näher zu würdigen (vgl. BGHSt 14, 162, 164 f.; BGH NStZ 2009, 401, 403; Brause NStZ 2007, 505, 506).
Rz. 5
a) Es stützt seine Überzeugung von der Täterschaft gerade der Angeklagten zentral auf Auffälligkeiten (insbesondere: ungewöhnlich hohe Zahl von Splits [Abspaltung von Rechnungsposten] und Transfers [Übertragung von Rechnungsposten z. B. auf andere Tische] in enger zeitlicher Abfolge) in den die Angeklagten betreffenden Kassenjournalen für insgesamt fünf Tage. Es hat die – bestreitenden – Angeklagten jeweils wegen gemeinschaftlich „mit Mitarbeitern aus dem Küchen- und/oder Büfettbereich” begangener Betrugstaten verurteilt (UA S. 49). Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass die verfahrensgegenständlichen Manipulationen ohne die Mitwirkung von Personen im Bereich der Küche bzw. des Büfetts nicht durchführbar waren. Nur dann, wenn durch dort tätige Mitarbeiter nicht verbuchte Getränke oder Speisen an die Angeklagten ausgegeben wurden, konnten die Einnahmen, die auf diese – im Kassensystem des Hotels folglich nicht erfassten – Waren entfielen, von den Angeklagten veruntreut werden.
Rz. 6
b) Zur Frage der Täterschaft der Angeklagten hat die Strafkammer eine Reihe ehemaliger Angestellter des Hotels vernommen (UA S. 25 bis 27). Keiner davon hat die Angeklagten belastet. Dies gilt auch für die wegen der Manipulationen rechtskräftig verurteilten und ihre Täterschaft vor dem Landgericht einräumenden Zeugen E., B. A., Bi., D., De. und S.. Sie haben angegeben, von kriminellen Aktivitäten der Angeklagten keine Kenntnis zu haben; mit diesen seien keine Abreden in Bezug auf Kassenmanipulationen getroffen worden (UA S. 27).
Rz. 7
c) Das Landgericht misst diesen Aussagen für die Frage der Täterschaft der Angeklagten keinerlei Beweisbedeutung zu. Dass die Zeugen zum Verhalten der Angeklagten weitere Angaben nicht hätten machen können, sei deswegen nachvollziehbar, weil jeder Kellner die Kassentransaktionen in eigener Verantwortung vornehme (UA S. 27).
Rz. 8
Diese Würdigung erscheint schon deswegen durchgreifend fehlerhaft, weil es sich bei dem Zeugen E. nicht um einen Kellner, sondern um einen Büfettier handelte (UA S. 8), dem aufgrund seiner Ausgabefunktion eine zentrale Stellung zukam, wobei nach der Aussage des Zeugen L. die veruntreuten Gelder am Ende jeder Schicht zwischen den Kellnern und dem Büfettier sowie der Küche aufgeteilt wurden (UA S. 26). Es versteht sich deshalb jedenfalls für ihn nicht von selbst, dass er für den Fall einer Täterschaft der Angeklagten von deren Einbindung in die Manipulationen keine Kenntnis hatte.
Rz. 9
Hinzu kommt, dass die gegenständlichen Taten einen beträchtlichen Umfang hatten. Der Untersuchungsführer des Hotels, der Zeuge G., bezifferte den Gesamtschaden des Hotels für das Jahr 2003 auf rund 100.000 EUR (UA S. 23). Dies spricht indes dagegen, dass jeder der in die Manipulationen verwickelten Kellner – in Unkenntnis der Manipulationen der jeweils anderen Kellner – „für sich selbst vorgegangen” ist. Dementsprechend hält das Landgericht den Angeklagten auch – ohne dass dies von den Feststellungen getragen wäre – im Rahmen der Strafzumessung zugute, dass „sie von Kollegen dazu verleitet worden sind, das Kassensystem zu Manipulationen auszunutzen” (UA S. 50). Bei der gegebenen Sachlage wäre es namentlich von wesentlicher Beweisbedeutung, wenn es zwar nicht im Verhältnis zwischen den verurteilten Zeugen und den Angeklagten, jedoch unter den verurteilten Zeugen entsprechende Abreden gegeben hätte.
Rz. 10
Das Landgericht hätte daher die Aussagen dieser Zeugen insoweit im Zusammenhang darlegen und würdigen müssen.
Rz. 11
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 12
a) Das neue Tatgericht wird zu beachten haben, dass das aufzuhebende Urteil nicht hinreichend deutlich erkennen lässt, aus welchem Grund die Strafkammer für jeden Angeklagten lediglich jeweils fünf Einzelfälle abgeurteilt hat, obwohl dem Angeklagten A. H. in der Anklageschrift weitere zehn gleichartige Taten zur Last gelegt werden, dem Angeklagten B. weitere 19 gleichartige Taten. Soweit die Strafkammer hierfür auf verfahrensökonomische Gründe verweist (UA S. 48, 49), erscheint dies im Hinblick darauf wenig plausibel, dass – wie der Gesamtzusammenhang der diesbezüglichen Ausführungen ergibt – auch für diese Taten bereits ausgewertete Kassenjournale zur Verfügung stehen, weswegen der mit der Einbeziehung dieser Taten verbundene Aufwand vergleichsweise gering gewesen wäre. Es ist angesichts des eher geringen Schuldumfangs der abgeurteilten Straftaten ferner nicht einsichtig, warum die wegen der weiteren Taten zu verhängenden Strafen bei der Gesamtstrafenbildung nicht beträchtlich ins Gewicht fallen sollten.
Rz. 13
Dem Revisionsvortrag und ansatzweise auch den Urteilsgründen ist dabei zu entnehmen, dass sich die Angeklagten dahin eingelassen haben, ihre Magnetkarten könnten zu den Tatzeiten unter Umständen von anderen Kellnern benützt worden sein, wobei durch die Revision des Angeklagten A. H. Abwesenheiten angesprochen sind. Bei einer – wie hier – auf Indizien gestützten Verurteilung kann ein Erörterungsmangel gegeben sein, sofern für die Teileinstellung nicht ausschließlich prozessökonomische Erwägungen ausschlaggebend waren und eine etwaige Beweisbedeutung nicht wenigstens angesprochen wird (vgl. BGH StV 1998, 580, 582; 2001, 552; 2002, 637, 639). Auch in Bezug auf diese Taten wird sich das neue Tatgericht nicht darauf beschränken dürfen, die Aussage des Zeugen O., der die Anwesenheitszeiten der Angeklagten mit den Kassenjournalen abgeglichen hat, lediglich pauschal mitzuteilen und zu würdigen (vgl. UA S. 25).
Rz. 14
b) Das Erfordernis erschöpfender Beweiswürdigung gebietet es bei der hier gegebenen Lage ferner, das Einlassungsverhalten der Angeklagten einer genaueren Bewertung zu unterziehen. So ist es nur schwer miteinander vereinbar, dass die Angeklagten nach den Urteilsgründen einerseits die – rund sechs Jahre zurückliegenden – Transaktionen nicht bestritten, sondern „lediglich einen anderen, nicht betrügerischen Hintergrund behauptet haben” (UA S. 28 unten), andererseits aber vortragen, ihre Magnetkarten könnten von anderen benützt worden sein (UA S. 22, 28 oben).
Rz. 15
c) Auch die konkreten Schadensbeträge stützt die Strafkammer auf einen Indizienbeweis, nämlich auf die ungewöhnliche Massierung von Transfers und Splits, teilweise unter Inanspruchnahme imaginärer Tische innerhalb kurzer Zeit (UA S. 48). Sollte sich das neue Tatgericht abermals von der Täterschaft der Angeklagten überzeugen, so wird es für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen haben, worauf es den deliktischen Hintergrund gerade der einzelnen Buchungen stützt.
Rz. 16
d) Die rechtliche Beurteilung der Taten als Betrug im Sinne des § 263 StGB ist rechtsfehlerfrei. In der Täuschungshandlung, nämlich der Vorlage der die Bareinnahmen für die nicht gebuchten Speisen bzw. Getränke nicht ausweisenden Tagesabrechnungen, liegt zugleich die Manifestation der Zueignung hinsichtlich der betroffenen Bareinnahmen. Demgemäß ist kein so genannter Sicherungsbetrug gegeben (vgl. BGH NStZ 2009, 203). Vielmehr tritt die von den Angeklagten zugleich verwirklichte Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB zurück.
Rz. 17
e) Die bisherige Strafzumessung begegnet durchgreifenden Bedenken:
Rz. 18
Das Landgericht verkennt nicht, dass den Angeklagten eine Reihe außerordentlich gewichtiger Milderungsgründe zugute zu halten ist. Die Schadensbeträge von rund 800 EUR (Angeklagter A. H.) bzw. rund 600 EUR (Angeklagter B.) sind nicht sehr gewichtig. Beide Angeklagten waren zur Tatzeit unbestraft und sind seither nicht (Angeklagter A. H.) bzw. geringfügig und nicht einschlägig wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Angeklagter B.) strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Taten liegen lange zurück, wobei die Angeklagten eine nicht unbeträchtliche Zeit durch das vorliegende Strafverfahren belastet waren.
Rz. 19
Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass das Landgericht die Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 StGB nicht als entkräftet ansieht. Der in diesem Zusammenhang allein gegebene – sehr knappe – Hinweis auf eine in der „Vielzahl von Transaktionen” zu Tage tretende „erhebliche kriminelle Energie” (UA S. 50) lässt überdies besorgen, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung insgesamt die von der Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO erfassten Taten berücksichtigt hat, obwohl diese nicht ordnungsgemäß festgestellt sind (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 41).
Rz. 20
Ferner führt das Landgericht aus, dem Angeklagten B. einen Härteausgleich gewährt zu haben, weil eine im Jahr 2008 gegen ihn verhängte Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 EUR bereits bezahlt sei und deswegen nicht in eine nachträgliche Gesamtstrafe habe einbezogen werden können (UA S. 50). Wie sich der Härteausgleich auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt haben könnte, wird jedoch bereits für sich genommen nicht deutlich. Hinzu kommt, dass das Landgericht gegen den Angeklagten B. ebenso wie gegen den Angeklagten A. H. eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt hat, obgleich es dem Angeklagten B. sogar einen geringeren Schadensbetrag zur Last legt als dem Angeklagten A. H..
Unterschriften
Brause, Schaal, Schneider, Dölp, König
Fundstellen
Haufe-Index 2562635 |
NStZ-RR 2009, 377 |