Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 28.04.2015) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 28. April 2015 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- im Fall II. 2. der Urteilsgründe sowie
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 1. der Urteilsgründe) sowie wegen Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung (Fall II. 2. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die wirksam auf die Verurteilung in Fall II. 2. der Urteilsgründe beschränkte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
Rz. 2
1. Insoweit hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte am 12. Dezember 2014 den Kriminalhauptkommissar S. zunächst unter anderem mit den Worten „Arschloch” und „Wichser” titulierte und sodann zweimal in dessen Richtung spuckte, wobei der zweite Auswurf diesen im Gesicht traf. Dies erzeugte beim Beamten starke Ekelgefühle und Brechreiz, die bis in die Abendstunden anhielten. „Bei seinem Handeln wollte der Angeklagte den Zeugen […] in dessen Ehre herabsetzen, ihn erniedrigen und nahm die bei diesem eingetretenen Ekelgefühle billigend in Kauf”.
Rz. 3
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Körperverletzung nicht. Sie belegen zwar den objektiven, nicht jedoch den subjektiven Tatbestand des § 223 Abs. 1 Alternative 1 StGB.
Rz. 4
Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Januar 1974 – 3 StR 324/73, BGHSt 25, 277). Seelische Beeinträchtigungen als solche genügen nicht; nötig sind vielmehr körperliche Auswirkungen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340). Danach erfüllt vorliegend zwar nicht die bloße Erregung von Ekelgefühlen (aA RG, Urteil vom 30. Mai 1910 – 3 D 359/10, GA 58, 184, 185; dagegen schon OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Juni 1990 – 1 Ss 238/89, NJW 1991, 240, 241), jedoch das Hervorrufen von Brechreiz das Tatbestandsmerkmal (vgl. zu durch Angst hervorgerufene Magenschmerzen BGH, Urteil vom 15. Oktober 1974 – 1 StR 303/74, MDR 1975, 22; insgesamt S/S-Eser, StGB, 29. Aufl., § 223 Rn. 4).
Rz. 5
Einen auf die Verursachung von Brechreiz bezogenen Vorsatz des Angeklagten hat die Strafkammer indes nicht festgestellt, weshalb die Verurteilung wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung keinen Bestand haben kann. Den entsprechenden Schuldspruch gemäß dem Vorschlag des Generalbundesanwalts entfallen zu lassen, kommt allerdings nicht in Betracht. Selbst wenn weitere Feststellungen zu einer zumindest billigenden Inkaufnahme nicht zu erwarten wären, stünde jedenfalls eine fahrlässige Körperverletzung im Raum (§ 229 StGB).
Rz. 6
3. Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch die in Tateinheit zur Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Beleidigung (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.
Unterschriften
Becker, Pfister, Hubert, Mayer, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 8449782 |
JR 2016, 707 |
NStZ 2015, 6 |
NStZ 2016, 27 |
NStZ-RR 2016, 6 |
Kriminalistik 2016, 604 |
StV 2016, 429 |