Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich
Leitsatz (amtlich)
Für feststellende Entscheidungen über den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (§ 3a VAHRG) fehlt vor dem Tode des ausgleichspflichtigen Ehegatten regelmäßig das erforderliche Feststellungsinteresse.
Normenkette
VAHRG § 3a; ZPO § 256
Verfahrensgang
AG Besigheim |
OLG Stuttgart |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Februar 1995 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 76.800 DM.
Gründe
I.
Die am 26. Oktober 1928 geborene Ehefrau (Antragstellerin) war seit dem 21. Januar 1955 mit Ulrich D., einem Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin, verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil vom 1. März 1991 geschieden, ohne daß ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich durchgeführt wurde. Im Scheidungsverfahren hatten die Eheleute mit Genehmigung des Gerichts eine Vereinbarung gemäß § 1587 o BGB geschlossen, in der es heißt:
Die Parteien schließen die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs aus und vereinbaren stattdessen den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich dahingehend, daß der Antragsteller der Antragsgegnerin die Hälfte seiner Ansprüche auf Betriebsrente gegenüber der DLW-AG als schuldrechtlichen Versorgungsausgleich schuldet. Erfüllungshalber tritt er seine Versorgungsansprüche gegenüber der Firma DLW AG in Höhe des jeweils hälftigen Betrags an die Antragsgegnerin ab und weist die DLW AG an, den abgetretenen Betrag jeweils direkt an die Antragsgegnerin auszuzahlen.
Die Parteien gehen davon aus, daß die Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller bei Zugrundelegung der ehelichen Lebensverhältnisse den hälftigen Betrag aus der Betriebsrente nicht überschreiten. Ein weiterer Forderungsausgleich findet nicht statt.
In der Folge bezog die Ehefrau aufgrund dieser Regelung zuletzt monatlich 6.400 DM von der Antragsgegnerin; diese vertrat den Standpunkt, daß sie nach dem Tode von D. zu Zahlungen nicht mehr verpflichtet sei. Die Ehefrau beantragte daraufhin beim Amtsgericht – Familiengericht – die Feststellung, daß die Antragsgegnerin verpflichtet sei, auch nach dem Ableben des D. die ihr, der Ehefrau, zustehende Pension weiter zu bezahlen. Zuletzt beantragte sie des weiteren die Feststellung, daß die Antragsgegnerin auch dann zur Weiterzahlung der Rente verpflichtet sei, wenn sie, die Ehefrau, sich wieder verheirate.
Das Amtsgericht erkannte wie folgt:
Es wird festgestellt, daß die Antragsgegnerin verpflichtet ist der Antragstellerin die Hälfte der Herrn D. zustehenden Betriebsrente auch dann zu bezahlen, wenn sich die Antragstellerin wieder verheiratet. Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, soweit eine Feststellung für den Fall des Todes von D. begehrt werde, fehle das erforderliche Feststellungsinteresse, da insoweit weder ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis bestehe noch irgendwelche Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, daß D. vor der Ehefrau versterben werde. Begründet sei der Feststellungsantrag nur insoweit, als die Ehefrau für den Fall, daß sie sich zu Lebzeiten des D. wieder verheirate, ihren Rentenanspruch behalte.
Die Ehefrau legte Beschwerde ein, mit der sie ihr Feststellungsbegehren weiterverfolgte, soweit sie damit nicht durchgedrungen war. Die Antragsgegnerin schloß sich dem Rechtsmittel an mit dem Ziel, daß die Anträge der Ehefrau insgesamt abgewiesen werden. Das Oberlandesgericht änderte die amtsgerichtliche Entscheidung auf die Anschlußbeschwerde dahin ab, daß das Feststellungsbegehren der Ehefrau im vollen Umfang zurückgewiesen wird. Das Rechtsmittel der Ehefrau wies es zurück. Dagegen richtet sich die – zugelassene – weitere Beschwerde der Ehefrau, mit der sie nach wie vor einen Feststellungsausspruch entsprechend ihren Anträgen erster Instanz erstrebt.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Soweit die Ehefrau für den Fall des Vorversterbens ihres geschiedenen Ehemannes Feststellungen begehrt, ist das Oberlandesgericht zutreffend – unbeschadet der formellen Fassung der Anträge – davon ausgegangen, daß sich das Begehren auf den Fall des § 3a VAHRG bezieht (verlängerter schuldrechtlicher Versorgungsausgleich nach dem Tode des verpflichteten). Das ergibt sich daraus, daß die Ehefrau in ihren Schriftsätzen und vorgerichtlichen Schreiben ausdrücklich auf § 3a VAHRG Bezug genommen hat. Wenn feststellende Entscheidungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs analog § 256 ZPO auch nicht generell ausgeschlossen sind (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Oktober 1981 – IVb ZB 560/80 – FamRZ 1982, 42), besteht doch weitgehend Übereinstimmung darüber, daß solche gerade im Bereich des schuldrechtlichen Ausgleichs nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen, weil bis zum Fälligkeitszeitpunkt (§ 1587g Abs. 1 Satz 2 BGB) mögliche Veränderungen in den Voraussetzungen zu Grund und Höhe kaum Raum für verläßliche Voraussagen und damit für die Bejahung eines Feststellungsinteresses lassen (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Dezember 1983 – IVb ZB 553/80 – FamRZ 1984, 251, 254; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 2. Aufl. § 1587f Ran. 21; Soergel/Vorwerk BGB 12. Aufl. vor § 1587f Rdn. 7; Staudinger/Eichenhofer BGB 12. Aufl. § 587f Ran. 18 f; MünchKomm/Eißler 3. Aufl. § 1587f Rdn. 20; Rotax MDR 1984, 621 ff). Das gilt verstärkt für den Bereich des verlängerten schuldrechtlichen Ausgleichs, in dem der Versorgungsträger nicht an vorausgegangene rechtskräftige Entscheidungen im Verhältnis zwischen den geschiedenen Ehegatten gebunden ist und weitere Unsicherheiten in Betracht zu ziehen sind (vgl. auch Senatsbeschluß vom 4. Oktober 1990 – XII ZB 164/88 – FamRZ 1991, 175, 177). Insoweit wird sogar vertreten, daß vor Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen auch noch nach dem Tode des Verpflichteten das erforderliche Feststellungsinteresse regelmäßig zu verneinen sei (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne aaO § 3a VAHRG Rdn. 35; Wick in FamGb § 3a VAHRG Rdn. 44).
2. Vorliegend besteht ein Anspruch der Ehefrau gegen die Antragsgegnerin auf eine Ausgleichsrente gemäß § 3a VAHRG derzeit nicht vielmehr kann ein solcher erst in Zukunft unter Voraussetzungen entstehen, deren Eintritt noch offen ist. Es handelt sich dabei um einen eigenständigen Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehegatten gegen den Träger der auszugleichenden Versorgung; denn der Anspruch auf Ausgleichsrente nach § 1587g BGB erlischt mit dem Tode des ausgleichspflichtigen Ehegatten (vgl. Senatsbeschluß vom 27. März 1991 – XII ARZ 7/91 – FamRZ 1991, 927, 928; Johannsen/Henrich/Hahne aaO § 3a VAHRG Rdn. 1). Ob die Ehefrau ihren geschiedenen Ehemann überleben wird, ist ungewiß. Bereits dies steht der Annahme entgegen, daß zwischen den Parteien gegenwärtig ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis aus § 3a VAHRG besteht (vgl. dazu auch BGHZ 37, 137, 145). Unsicherheit ergibt sich auch aus anderen Gesichtspunkten. Wenn die Antragsgegnerin vor Eintritt der Fälligkeit ersatzweise die Realteilung einführt oder in der Versorgungsregelung einen wirtschaftlich gleichwertigen Abfindungsanspruch vorsieht, kommt es aus diesem Grunde nicht zu der Entstehung des Anspruchs (§ 3a Abs. 2 VAHRG). Gemäß § 3a Abs. 6 VAHRG findet u.a. die Härteklausel des § 1587h BGB entsprechende Anwendung, aufgrund deren ein Anspruch entfallen kann. Auch der Versorgungsträger kann sich gegebenenfalls darauf berufen, ebenso wie eine Witwe oder Witwer des Verpflichteten, die gemäß § 3a Abs. 9 Satz 1 VAHRG im Falle der Anrufung des Familiengerichts am Verfahren zu beteiligen sind. Die in diesem Rahmen vorzunehmende Prüfung kann sachgerecht nur aufgrund der im Zeitpunkt der Geltendmachung gegebenen Umstände erfolgen (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Dezember 1983 aaO 5. 253). Hinsichtlich der Höhe kann der Versorgungsträger ggf. einwenden, daß eine gemäß § 1587 0 BGB vereinbarte Ausgleichsrente die nach dem Gesetz geschuldete übersteige, ohne daß er dem zugestimmt hätte (§ 3a Abs. 3 Satz 2 VAHRG). Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde kann hier aus den Erklärungen der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nicht gefolgert werden, sie habe der am 1. März 1991 geschlossenen Vereinbarung im Sinne dieser Vorschrift zugestimmt.
Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage ist das Oberlandesgericht zu Recht zu dem Schluß gelangt, das den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich betreffende Feststellungsbegehren der Ehefrau beziehe sich auf ein künftiges Rechtsverhältnis und nicht, wie erforderlich, auf ein bereits bestehendes. Soweit 5256 ZPO unmittelbar anwendbar ist, ist für die Feststellung eines künftigen Rechtsverhältnisses kein Raum (vgl. BGHZ 28, 225, 233; 120, 239, 253; BGH, Urteil vom 5. Juni 1990 – VI ZR 359/89 – BGHR ZPO. 256 Abs. 1 Rechtsverhältnis 4). Die bloße Möglichkeit daß sich bei einer in den entscheidenden Grundlagen noch nicht überschaubaren Entwicklung einmal ein Anspruch ergeben könnte, reicht nicht aus. Das gilt auch für feststellende Entscheidungen im Rahmen des Versorgungsausgleiche. Die von der weiteren Beschwerde angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. September 1987 – IVa ZR 59/86 – NJW 1988, 774 steht nicht entgegen, da es dort um einen Streitpunkt im Rahmen eines bereits bestehenden Versicherungsverhältnisses ging. Das Oberlandesgericht hat es somit zu Recht abgelehnt, die von der Ehefrau begehrten Feststellungen für den Fall des Vorversterbens ihres geschiedenen Ehemannes zu treffen; eingeschlossen ist dabei der Fall einer Wiederverheiratung nach dessen Tod.
3. Soweit die Ehefrau eine Feststellung für den Fall ihrer Wiederverheiratung begehrt, hat sie das Oberlandesgericht auch insoweit abgelehnt, als eine Wiederverheiratung in die Zeit vor dem Ableben ihres Ehemannes fällt. Insoweit ist die angefochtene Entscheidung im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden. Es mag offenbleiben, ob, wie das Oberlandesgericht meint, die vorgenommene Abtretung der hälftigen Versorgungsansprüche gegen die Antragsgegnerin an die Ehefrau nichts daran ändere, daß ein Rechtsverhältnis im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nur zwischen den geschiedenen Ehegatten bestehe, nicht aber zwischen der Ehefrau und der Antragsgegnerin. Das ist zumindest zweifelhaft, weil derartige Abtretungen (§ 1587i Abs. 1 BGB) mit dem Ziel eingeführt worden sind, die Stellung des Abtretungsempfängers soweit wie möglich derjenigen eines unmittelbar Versorgungsberechtigten anzupassen (vgl. BT-Drucks. 7/650 5. 168; Johannsen/Henrich/Hahne aaO § 1587i Rdn. 1). Jedenfalls besteht das erforderliche Feststellungsinteresse nur, wenn das Rechtsverhältnis durch eine tatsächliche Unsicherheit gefährdet ist. Die Rechtslage ist an sich eindeutig. Das Oberlandesgericht legt seiner Entscheidung zutreffend zugrunde, es sei nicht ersichtlich, daß die Antragsgegnerin überhaupt den Standpunkt eingenommen habe, der an die Ehefrau abgetretene Teil des Ruhegehalts stehe dieser ab ihrer Wiederverheiratung auch zu Lebzeiten ihres geschiedenen Ehemannes nicht mehr zu. Die weitere Beschwerde verweist demgegenüber auf das Verhalten der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren: Sie habe in erster Instanz beantragt, auch das diesbezügliche Feststellungsbegehren der Ehefrau zurückzuweisen; ferner habe sie gegen den insoweit zusprechenden Ausspruch des Amtsgerichts Anschlußbeschwerde erhoben. Allein daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, sie habe die Ansicht vertreten, im Falle einer tatsächlichen Wiederverheiratung der Ehefrau zu Lebzeiten des D. die Rentenzahlung einstellen zu können. Der Zurückweisungsantrag erfolgte in der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 1994 ohne jede Begründung, nachdem der den entsprechenden Antrag enthaltende Schriftsatz vom 22. Februar 1994 übergeben worden war. Wie die Rechtfertigung der Anschlußbeschwerde ergibt, wurde lediglich das Interesse der Ehefrau an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung geleugnet. Der mit einer Feststellungsklage überzogenen Partei bleibt unbenommen, sich auf mangelndes Feststellungsinteresse des Klägers zu berufen, wenn sie das, was festgestellt werden soll, zuvor nicht in Frage gestellt hat und auch nicht stellen will (vgl. RGZ 164, 79, 82); sie braucht insbesondere in einem solchen Fall trotz der Möglichkeit des § 93 ZPO nicht anzuerkennen (vgl. Wieczoreck ZPO 2. Aufl. § 256 Anm. C 1 b). Das Prozeßverhalten gibt somit nichts für die Ansicht der weiteren Beschwerde her. Vor Einleitung des Verfahrens hat sich die Antragsgegnerin nicht in dem Sinne geäußert, im Falle der Wiederverheiratung der Ehefrau zu Lebzeiten des D. die Rentenzahlung einstellen zu können, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat. Derartige Absichten der Antragsgegnerin würden klar der Rechtslage widersprechen, wie schon das Amtsgericht dargelegt hat. Daß unter diesen Umständen zwischen den Parteien eine Ungewißheit über diese Rechtslage aufgetreten sei, die ein Feststellungsinteresse der Ehefrau begründen könnte, kann insgesamt nicht angenommen werden (vgl. auch Stein/Jonas/Schumann ZPO 20. Aufl. § 256 Rdn. 64).
Fundstellen
Haufe-Index 609858 |
MDR 1997, 170 |