Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfrageverfahren zwischen Einzelrichter und Beschwerdegericht. Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters. Grundsatzbedeutung. Willkürliche Bejahung der Zuständigkeit des Einzelrichters
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch der Parteien auf den gesetzlichen Richter ist auch dann verletzt, wenn der Einzelrichter in einer Sache mit Grundsatzbedeutung der Rechtsprechung des voll besetzten Spruchkörpers folgt, nachdem er bei diesem angefragt hat, ob er an seiner Rechtsprechung festhält (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02, MDR 2003, 588 = BGHReport 2003, 627 = WM 2003, 701).
Normenkette
ZPO § 568 S. 2 Nr. 2 S. 3, § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2; GG § 101 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
OLG Köln (Beschluss vom 22.07.2002) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Einzelrichters des 17. Zivilsenats des OLG Köln v. 22.7.2002 (Ziff. I) aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Kläger obsiegte vor dem LG gegen einen weiteren Beklagten, unterlag aber gegenüber den Beklagten zu 1 und zu 2. Deren außergerichtliche Kosten wurden auf 1.931,02 DM festgesetzt und vom Kläger erstattet. Im Berufungsrechtszug obsiegte der Kläger auch gegenüber den Beklagten zu 1 und zu 2. Der Rechtspfleger hat es abgelehnt, den vom Kläger erstatteten Betrag gegen diese festzusetzen. Der Einzelrichter des OLG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihr verfolgt der Kläger seinen Festsetzungsantrag weiter.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02, MDR 2003, 588 = BGHReport 2003, 627 = WM 2003, 701; für BGHZ bestimmt) unbeschadet des Umstandes, dass der Einzelrichter einerseits Grundsatzbedeutung verneint und die Sache nicht gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO dem Beschwerdegericht übertragen, andererseits Grundsatzbedeutung bejaht und die sofortige Beschwerde deshalb zugelassen hat, statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und Abs. 2 ZPO). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind auch im Übrigen gegeben.
2. Der Widerspruch führt unter dem Gesichtspunkt der objektiv willkürlichen Bejahung der Zuständigkeit des Einzelrichters zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG); der vom Einzelrichter angegebene Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO) ist vom Begriff der grundsätzlichen Bedeutung i. S. d. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO erfasst (BGH, Beschl. v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02, MDR 2003, 588 = BGHReport 2003, 627 = WM 2003, 701; für BGHZ bestimmt).
Der Umstand, dass der Einzelrichter der Auffassung des Beschwerdesenats, dem er zugehört, gefolgt ist, und dass dieser auf Anfrage erklärt hatte, er halte an seiner Rechtsauffassung fest, ändert an der Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nichts. Ein Anfrageverfahren ist zwischen dem Einzelrichter und dem voll besetzten Beschwerdegericht nicht vorgesehen. Die Anfrage und die daraufhin erfolgte Stellungnahme des Senats kann den Einzelrichter mithin auch nicht zum gesetzlichen Richter machen. Eine entsprechende Anwendung der §§ 132 Abs. 3 GVG, 14 RsprEinhG kommt nicht in Frage. Jene Verfahren sind den Spruchgremien der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorbehalten und dienen einem anderen Zweck, nämlich der Klärung, ob eine Rechtsprechungsdivergenz weiter besteht oder durch die Aufgabe der Rechtsauffassung eines der beteiligten Senate beseitigt ist.
3. Eine gesetzliche Grundlage für die Kostenrückfestsetzung, wie sie der Kläger betreibt, sieht der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Justiz (der Bundesregierung) durch Ergänzung des § 91 ZPO vor (BT-Drucks. 15/1508).
III.
Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 8 GKG Gebrauch.
Fundstellen
Haufe-Index 1058752 |
NJW 2004, 223 |
BGHR 2004, 56 |
BauR 2003, 1944 |
FamRZ 2004, 101 |
WM 2004, 704 |
ZAP 2003, 1288 |
JZ 2004, 104 |
MDR 2004, 43 |
WuM 2003, 708 |
FF 2004, 26 |
RVGreport 2004, 480 |
KammerForum 2004, 69 |
Mitt. 2004, 94 |
ProzRB 2004, 62 |