Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 13.09.2017) |
Tenor
Die Anträge des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 13. September 2017 sowie auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 24. Januar 2018, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das vorbenannte Urteil als unzulässig verworfen worden ist, werden auf seine Kosten verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Seine Revision hat das Landgericht mit Beschluss vom 24. Januar 2018 wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 346 Abs. 1 StPO verworfen. Dagegen beantragt der Beschwerdeführer die Entscheidung des Revisionsgerichts; hilfsweise begehrt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig; der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist unbegründet.
Rz. 2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift zu den Rechtsmitteln ausgeführt:
„1. Soweit der Beschwerdeführer – über den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO hinausgehend – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist begehrt (vgl. Graalmann-Scherer in LR, StPO, 27. Auflage 2016, § 45 Rn 6), ist dieser Antrag bereits unzulässig.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb dieser Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Diese Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen (BGH NStZ-RR 2015, 145, 1 StR 573/14; Senat Beschluss vom 29. November 2017, 3 StR 499/17; BGH Beschluss vom 12. Februar 2014, 4 StR 556/13; BGH Beschluss vom 11. Mai 2011, 2 StR 77/11). Entscheidend für den Fristbeginn der Wochenfrist für die Wiedereinsetzung ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten (BGH NStZ 2006, 54, 4 StR 399/05). Zweifel an der Fristeinhaltung gehen zu Lasten des Antragstellers (BGH NStZ-RR 2015, 145, 1 StR 573/14).
An dem erforderlichen konkreten Vortrag zur Kenntniserlangung des Angeklagten fehlt es hier. Der Antragsteller trägt zwar vor, der Angeklagte und der Verteidiger hätten erst durch den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 25. Januar 2018 (gemeint offenbar: 24. Januar 2018, SA Band 4, Bl. 150), zugestellt am 29. Januar 2018, von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erfahren. Nachdem jedoch lediglich an den Verteidiger der Beschluss am 29. Januar 2018 zugestellt wurde, während der Angeklagte eine formlose Mitteilung erhielt (SA Band 4, Bl. 151), ergibt sich hieraus nicht, wann der Angeklagte von der Fristversäumnis erfahren hat.
Zu entsprechendem Vortrag hätte auf Grund der Aktenlage jedoch gerade Anlass bestanden, weil sich aus dieser nicht offensichtlich ergibt, dass die Frist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO eingehalten wurde (BGH Beschluss vom 12. Februar 2014, 4 StR 556/13). Die Beschlussausfertigungen wurden bereits am 25. Januar 2018 versandt (SA Band 4, Bl. 151). Bei der Akte (SA Band 4, lose eingelegt in der hinteren Tasche) befindet sich überdies der geöffnete und an den Angeklagten adressierte Brief, mit dem ihm der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 24. Januar 2018 mitgeteilt wurde. Auf dem Brief ist unter dem Vermerk ‚JVA Hannover, Zust.Abt: 3/341’ das Datum ‚26. Jan. 2018’ gestempelt. Handschriftlich ist auf dem Briefumschlag zudem vermerkt ‚Annahme verweigert zurück an Absender’. Der Angeklagte hat daher vom Zugang des gerichtlichen Schreibens Kenntnis erlangt und die Gelegenheit erhalten, von dessen Gegenstand Kenntnis zu nehmen; letzteres hat er durch die – schuldhafte – Verweigerung der Annahme vereitelt. Damit ist das Hindernis entfallen (vgl. Graalmann-Scherer in LR, StPO, 27. Auflage 2016, § 45 Rn 7). Im Falle der Kenntniserlangung bereits am 26. Januar 2018 wäre der am 5. Februar 2018 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag jedoch nicht innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gestellt und damit verspätet.
Jedenfalls gehen die sich aus dem Zugang des Schreibens ergebenden Zweifel an der Einhaltung der Frist zu Lasten des Antragstellers (BGH NStZ-RR 2015, 145, 1 StR 573/14), sodass der Antrag auf Wiedereinsetzung bereits unzulässig ist.
2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO ist unbegründet.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24. Januar 2018 zu Recht die am 8. Januar 2018 beim Landgericht Hannover eingegangene Revisionsbegründung des Beschwerdeführers als verspätet angesehen und die Revision deshalb nach §§ 346 Abs. 1, 345 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Maßgeblich für den Fristbeginn war vorliegend gemäß § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO die Zustellung des Urteils an den Angeklagten am 5. Dezember 2017, während sein Verteidiger hierüber formlos gemäß § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO unterrichtet wurde (SA Band 4, Bl. 64, 83). Die Frist zur Begründung endete demnach bereits mit Ablauf des 5. Januar 2018.
Der Umstand, dass nach Nr. 154 Abs. 1 Satz 1 RiStBV die Zustellung des Urteils an den Verteidiger hätte gerichtet werden sollen, steht der Wirksamkeit der Zustellung an den Angeklagten nicht im Wege. Ebenso wenig ist ein Fall des § 37 Abs. 2 StPO gegeben, denn die formlose Übersendung an den Verteidiger stellt keine Zustellung im Sinne dieser Vorschrift dar (BGH Beschluss vom 12. Februar 2014, 4 StR 556/13; BGH Beschluss vom 11. Mai 2011, 2 StR 77/11). Ein Gebot der Zustellung an den Verteidiger ergibt sich auch nicht, wie vom Antragsteller vorgetragen, aus § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 172 Abs. 1 ZPO; insoweit sind allein die Vorschriften der StPO maßgeblich (MüKo StPO/Valerius, 1. Auflage 2014, § 37 Rn. 13). Die Wirksamkeit der Zustellung wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe nur unzureichend lesen lernte; auch wenn eine auf Grund der mangelnden Lesefähigkeiten des in Haft befindlichen Empfängers an sich nach § 35 Abs. 3 StPO gebotene Verlesung unterbleibt, begründet dies keinen Zustellungsmangel, sondern kann lediglich zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen (KK StPO/Maul, 7. Auflage 2013, § 35 Rn. 20; Pfeiffer StPO, 5. Auflage 2005, § 35 Rn. 3).
Das Landgericht hat demnach zu Recht die Revision als unzulässig verworfen.”
Rz. 3
Dem schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend, dass die Zustellung des Urteils nebst einer Übersetzung an den Angeklagten den Vorgaben des § 37 Abs. 3 Satz 1 StPO in Verbindung mit § 187 Abs. 1 und 2 GVG entsprach.
Unterschriften
Gericke, Spaniol, Berg, Hoch, Leplow
Fundstellen
Haufe-Index 12337969 |
NStZ-RR 2019, 24 |