Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer Menschenhandel
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 15. September 2000 wird
- das Verfahren, soweit es den Angeklagten betrifft, im Fall II.4. der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Vergewaltigung beschränkt;
- der Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Menschenhandel, Zuhälterei und gewerbsmäßigem Einschleusen von Ausländern (Fall II.1. der Urteilsgründe) und wegen Vergewaltigung (Fall II.4. der Urteilsgründe) verurteilt wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Menschenhandels in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Menschenhandel, Zuhälterei und gewerbs- und bandenmäßigem Einschleusen von Ausländern, davon in einem Fall (II.4. der Urteilsgründe) in weiterer Tateinheit mit Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz sowie den erweiterten Verfall angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der allgemeinen Sachrüge.
Die Verfahrensrügen bleiben schon aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Im übrigen hat das Landgericht u.a. die Ladung der Zeuginnen P., L. und D. zu Recht wegen Unerreichbarkeit abgelehnt. Die sachlichrechtliche Überprüfung und die Verfahrensbeschränkung führen zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte mit dem gesondert verfolgten S. vereinbart, Frauen unter Ausnutzung der allgemein schlechten Lebensbedingungen in der Ukraine zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und zur Aufnahme einer Tätigkeit als Prostituierte zu bewegen. Dabei täuschte S. den Frauen zum Teil vor, daß sie in Deutschland eine Tätigkeit als Tänzerin ausüben könnten. Mit unrichtigen Angaben verschaffte er den Frauen Visa. In Kenntnis dieser Umstände übernahm der Angeklagte die Frauen in Deutschland an vorher festgelegten Orten und brachte sie zu den einzelnen Bordellen. Nachdem die Frauen von ihm oder den Bordellbetreibern darüber unterrichtet waren, welche Summen sie abzuführen hatten, sammelte der Angeklagte die Gelder bei den Frauen in regelmäßigen Abständen ein und leitete sie unter Abzug seines Anteils – von dem er auch seinen Lebensunterhalt bestritt – an S. weiter.
1. Im Fall II.1. der Urteilsgründe hat der Angeklagte die Nebenklägerin A., der von S. eine Stellung als Tänzerin versprochen worden war, nach dem Grenzübertritt übernommen und in das Bordell der Mitangeklagten Pa. gebracht. Die Nebenklägerin fügte sich dort der für sie überraschenden Anordnung, sich zu prostituieren, weil sie nicht wußte, wo sie sich befand, weil sie der deutschen Sprache nicht mächtig war und Angst vor der Polizei hatte. Sie mußte die Hälfte ihres Dirnenlohns und eine Tagesmiete von 15 DM an die Mitangeklagten abliefern, für das Verbringen nach Deutschland mußte sie 2.000 DM und pro Woche weitere 500 DM an den Angeklagten zahlen. Innerhalb von 30 Tagen hat die Nebenklägerin diese Zahlung fast vollständig an den Angeklagten geleistet.
a) Ob sich der Angeklagte – wie das Landgericht meint – des gemeinschaftlich begangenen schweren Menschenhandels in der Form des listigen Bestimmens zur Prostitution (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB) schuldig gemacht hat oder ob dies ausscheidet, weil das Opfer hier der Prostitution bloß tatsächlich zugeführt wurde (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 181 Rdn. 5; Laufhütte in LK 11. Aufl. § 181 Rdn. 3), kann offenbleiben, denn die Verurteilung wegen gemeinschaftlich begangenen schweren Menschenhandels in der Form der listigen Anwerbung zu sexuellen Handlungen (§ 181 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. StGB) sowie der gewerbsmäßigen Anwerbung zur Prostitution (§ 181 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist rechtsfehlerfrei. Der Schuldspruch wird durch die zusätzliche Bejahung des § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht berührt. Die Verwirklichung aller drei Tatvarianten ist nicht strafschärfend berücksichtigt worden.
b) Auch die Verurteilung wegen Zuhälterei hat Bestand, wenngleich es für die neben der rechtsfehlerfrei festgestellten ausbeuterischen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) angenommene dirigierende Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) an den erforderlichen Feststellungen fehlt.
c) Teilweise unzutreffend hat das Landgericht den Verstoß gegen die Vorschriften des Ausländergesetzes beurteilt. Als Bezugsnorm für das nach § 92 a Abs. 1 AuslG strafbare Einschleusen von Ausländern hat es ersichtlich § 92 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG angenommen. Für einen schuldhaften Verstoß der Nebenklägerin gegen § 92 Abs. 1 Nr. 2 AuslG geben die Feststellungen indes keinen Anhaltspunkt. Einer Strafbarkeit der Nebenklägerin nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG dadurch, daß sie in der Absicht, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, mit einem Touristenvisum eingereist ist, stehen die rechtlichen Bedenken entgegen, die der Senat in seinem Urteil vom 11. Februar 2000 (BGHR AuslG § 92 Unerlaubter Aufenthalt 2 = NStZ 2000, 657) dargelegt hat. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte aber durch seine kontinuierliche Zusammenarbeit mit S. und die Übernahme der Frauen diesen auch beim Erschleichen des Visums für die Nebenklägerin nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG unterstützt (vgl. BGH NStZ 2000, 657, 659), so daß die Voraussetzungen einer in § 92 a Abs. 1 AuslG genannten Bezugsnorm gegeben sind. § 265 StPO steht dem Anknüpfen an eine andere Norm nicht entgegen. Der Senat schließt aus, daß sich der insoweit geständige Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können.
Zutreffend hat das Landgericht § 92 a Abs. 1 Nr. 1 AuslG als verwirklichte Tatbestandsalternative angenommen, da der Angeklagte für seine Hilfeleistung auch einen Vermögensvorteil erhielt (vgl. BGHR AuslG § 92 a Vermögensvorteil 1). Ein wiederholtes Handeln i.S.v. § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG ist indes nicht festgestellt (vgl. BGHR AuslG § 92 a Einschleusen 1).
Zutreffend hat das Landgericht auch gewerbsmäßiges Handeln (§ 92 a Abs. 2 Nr. 1 AuslG) angenommen, da bereits die erste Tat – frühere Taten sind nicht konkret festgestellt – gewerbsmäßig sein kann. Für die Annahme bandenmäßiger und damit auch „gewerbs- und bandenmäßiger” Begehung (§ 92 a Abs. 2 Nr. 2, § 92 b Abs. 1 AuslG) fehlt hingegen jede Feststellung. Es ist auch nicht zu erwarten, daß Feststellungen, die den Anforderungen der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bande (Beschl. vom 22. März 2001 – GSSt 1/00 = NStZ 2001, 421) entsprechen, getroffen werden können.
2. Hinsichtlich der Tat zu II.4. der Urteilsgründe hat der Senat die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts und der Nebenklägerin gemäß § 154 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Vergewaltigung beschränkt. In diesem Umfang hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Der Senat hat für beide Taten jeweils den Schuldspruch geändert. Bei der ersten Tat entfällt der Schuldspruch nach § 92 b Abs. 1 AuslG. Bei der zweiten Tat verbleibt nur der Schuldspruch nach § 177 Abs. 1, 2 Satz 2 Nr. 1 StGB. Der Strafausspruch wird dadurch nicht berührt. Dies gilt sowohl für die Einzelstrafe von zwei Jahren für die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin A. als auch für die Einsatzstrafe von fünf Jahren für die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin F.. Das Landgericht hat diese Strafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen und auf die große Brutalität, d.h. auf die besondere Schmerzhaftigkeit und Nachhaltigkeit der abgenötigten sexuellen Handlung abgestellt. Auf die Verwirklichung anderer Tatbestände hat das Landgericht nicht strafschärfend zurückgegriffen. Der Senat schließt daher aus, daß das Landgericht bei Zugrundelegung des nach der Verfahrensbeschränkung verbliebenen Schuldspruchs geringere Einzelstrafen und eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.
Auch die Anordnung des erweiterten Verfalls hält rechtlicher Überprüfung stand. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere dem Inhalt der vom Angeklagten geführten Karteikarten über die Zahlungen der einzelnen Opfer, ist die Überzeugung der Kammer zu entnehmen, daß das Geld aus rechtswidrigen Taten des Angeklagten erlangt war.
4. In der Änderung des Schuldspruchs liegt kein solcher Erfolg des Rechtsmittels, der es unbillig machen würde, den Angeklagten mit den gesamten Gebühren und Auslagen zu belasten.
5. Das angefochtene Urteil gibt schließlich Anlaß zu dem Hinweis, daß es in Fällen wie dem vorliegenden angezeigt sein kann, den Prozeßstoff auf die wesentlichen Straftatbestände zu beschränken.
Unterschriften
Tolksdorf, Rissing-van Saan, Winkler, Pfister, Becker
Fundstellen