Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 30.11.2010) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. November 2010 aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist; diese Anordnung entfällt.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte und die Staatskasse haben die Kosten des Rechtsmittels je zur Hälfte zu tragen; die Staatskasse hat ferner die Hälfte der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen und wegen Betruges in weiteren vier Fällen” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
Rz. 2
1. Das Rechtsmittel hat zum Schuldspruch keinen Erfolg; auch der Strafausspruch weist im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 3
Allerdings ist die Annahme des Landgerichts rechtsfehlerhaft, der Angeklagte habe im Fall A. 3. der Urteilsgründe auch das Regelbeispiel der Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) verwirklicht. Das Landgericht verkennt hierbei, dass sich das Regelbeispiel nicht auf den erlangten Vorteil des Täters, sondern allein auf die Vermögenseinbuße beim Opfer bezieht. Das Ausmaß der Vermögenseinbuße ist daher auch bei Betrugsserien, die nach den Kriterien der rechtlichen oder natürlichen Handlungseinheit eine Tat bilden, opferbezogen zu bestimmen. Eine Addition der Einzelschäden kommt deshalb nur in Betracht, wenn sie – anders als hier – dasselbe Opfer betreffen (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 529/10, NJW 2011, 1825, 1827).
Rz. 4
Die fehlerhafte Annahme des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB hatte jedoch keine Auswirkungen auf die Strafrahmenwahl, da jedenfalls die Voraussetzungen des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) rechtsfehlerfrei vom Landgericht bejaht worden sind. Auch die vom Landgericht in diesem Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe beruht nicht auf dem Rechtsfehler. Denn die Strafkammer hat bei deren Bemessung – neben anderen zu Recht strafschärfend berücksichtigten Umständen – nicht die Verwirklichung zweier Regelbeispiele des besonders schweren Falls, sondern nur die Höhe des entstandenen Schadens von 77.970 EUR zu Lasten des Angeklagten angeführt.
Rz. 5
2. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat dagegen keinen Bestand.
Rz. 6
Durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I 2300) ist unter anderem die Bestimmung des § 66 StGB erheblich umgestaltet worden. Gemäß der Übergangsregelung des Art. 316e Abs. 1 EGStGB findet, sofern die für die Maßregelanordnung relevanten Anlasstaten – wie hier – vor dem 1. Januar 2011 begangen wurden, zwar grundsätzlich das bisherige Recht Anwendung. Anderes gilt indes dann, wenn nach neuem Recht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht mehr gegeben sind. In diesen Fällen ist nach Art. 316e Abs. 2 EGStGB, der auch in der Revisionsinstanz zu beachten ist (§ 354a StPO), das neue Recht als das mildere Gesetz anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 127/11 mwN).
Rz. 7
Die Neufassung des § 66 StGB ist auf den vorliegenden Fall auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a.) anzuwenden (vgl. Ziffer III.1. i.V.mit Ziffer II.1. des Tenors dieses Urteils). Über Art. 316e EGStGB wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht befunden; die Vorschrift ist daher weiterhin geltendes Recht und als Sonderregelung gegenüber § 2 Abs. 6 StGB zu beachten (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2011 – 4 StR 127/11, vom 6. Juli 2011 – 2 StR 164/11).
Rz. 8
Da der Betrug nach dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung vom 22. Dezember 2010 nicht mehr zum Katalog der Straftaten zählt, deren Begehung zur Anordnung dieser Maßregel der Besserung und Sicherung führen kann, und auch die vom Landgericht angeführten Vorverurteilungen die Voraussetzungen des neu gefassten § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht (mehr) erfüllen, hat der Senat die vom Landgericht angeordnete Maßregel – wie vom Generalbundesanwalt beantragt – in entsprechender Anwendung des§ 354 Abs. 1 StPO entfallen lassen (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2011 – 1 StR 528/10, vom 8. Juni 2011 – 4 StR 127/11, vom 6. Juli 2011 – 2 StR 164/11, dort auch zur Kostenentscheidung).
Unterschriften
Ernemann, Roggenbuck, Cierniak, Mutzbauer, Bender
Fundstellen
Haufe-Index 2827158 |
NStZ 2012, 213 |
NStZ 2012, 6 |
wistra 2012, 2 |
wistra 2012, 71 |