Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 25.02.2019; Aktenzeichen 900 Js 6194/17 1 KLs Ss 221/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 25. Februar 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt;
im Ausspruch über die Einziehung
aa) von Taterträgen in Höhe eines Betrages von 150 EUR (Fall II.1 der Urteilsgründe),
bb) der „sichergestellten … Betäubungsmittelutensilien (Asservaten Nr.:… im Polizeipräsidium)”.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bei einem Vorwegvollzug der Strafe im Umfang von vier Jahren angeordnet und mehrere Einziehungsentscheidungen getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
Rz. 3
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie hinsichtlich der Einziehung von Taterträgen in Höhe von 200 EUR (Fall II.2 der Urteilsgründe), der (erweiterten) Einziehung von Taterträgen in Höhe von 6.750 EUR, des „Bunkerfahrzeugs Citroen C 2 (FIN:) nebst Fahrzeugschlüssel” und der sichergestellten und näher bezeichneten Betäubungsmittel keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Demgegenüber halten die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) sowie die weiter gehenden Einziehungsentscheidungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 4
a) Der Maßregelausspruch erweist sich als rechtsfehlerhaft.
Rz. 5
aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts leitete der von Cannabinoiden und Kokain abhängige Angeklagte gemeinsam mit seinem Bruder einen internationalen Handel mit Heroin, Kokain, Amphetamin und Marihuana in erheblichem Umfang. Während der Angeklagte den Vertrieb an die Abnehmer in Deutschland organisierte, übernahm sein Bruder die Beschaffung der Drogen in den Niederlanden. Für den Handel nutzte der Angeklagte mehrere Bunker und speziell präparierte Beschaffungsfahrzeuge mit eingebauten Drogenverstecken. Zudem band er ab dem Jahr 2016 weitere Mittäter in den Vertrieb ein. Bis zu seiner Festnahme blieb der Angeklagte der unangefochtene Chef der Gruppierung. Vor diesem Hintergrund hat die Strafkammer elf Einzeltaten des unerlaubten Handeltreibens mit den oben genannten Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge festgestellt.
Rz. 6
Die Strafkammer hat, sachverständig beraten, die Abhängigkeit des Angeklagten von Cannabinoiden und Kokain (ICD 10 F19.2) als Hang im Sinne des § 64 StGB bewertet, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Sie hat gesehen, dass der Angeklagte den von ihm methodisch ausgebauten und durchgängig kontrollierten Betäubungsmittelhandel dominierte und dieser maßgeblich auf schnellen Gewinn ausgerichtet war. Sie vermochte jedoch mit Blick auf den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeurteilten Straftaten „nicht auszuschließen, dass der Hang des Angeklagten jedenfalls eine – wenn auch untergeordnete – Rolle bei der Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten gespielt” habe. Es lasse sich „auch nicht ausschließen, dass der Angeklagte in unbehandeltem Zustand weitere erhebliche Straftaten im Bereich der Beschaffungskriminalität begehen” werde. Sie hat ferner eine hinreichende Erfolgsaussicht der Behandlung angenommen und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Rz. 7
bb) Diese Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht. Dabei kann offenbleiben, ob die Annahme eines im Urteilszeitpunkt vorhandenen Hangs (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 19. Februar 2019 – 2 StR 599/18, juris Rn. 15) des Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, bereits deshalb rechtsfehlerhaft ist, weil die Strafkammer sich lediglich „den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen” angeschlossen hat, ohne diese, bezogen auf den Urteilszeitpunkt, zu schildern und sich die im Urteil dargestellte Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms lediglich auf die Frage einer verminderten Schuldfähigkeit, mithin auf den Tatzeitpunkt bezog. Denn die Feststellungen und Wertungen des Landgerichts belegen jedenfalls den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen den Taten des Angeklagten und dessen Hang zu einem übermäßigen Betäubungsmittelkonsum nicht.
Rz. 8
(1) Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang alleine oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 6. November 2013 – 5 StR 432/13, juris Rn. 7; vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15, juris Rn. 8); mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Die hangbedingte Gefährlichkeit muss sich in der konkreten Tat äußern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113 f.; vom 20. September 2017 – 1 StR 348/17, juris Rn. 11; Urteil vom 7. Dezember 2017 – 1 StR 320/17, juris Rn. 42). Dabei ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstaten ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat, und dies bei einem unveränderten Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. September 2003 – 4 StR 382/03, juris Rn. 5; vom 25. Mai 2011 – 4 StR 24/11, juris Rn. 14; vom 25. Oktober 2011 – 4 StR 416/11, juris Rn. 3; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12, juris Rn. 8).
Rz. 9
Ein solcher Zusammenhang ist typischerweise gegeben, wenn die Straftat unmittelbar oder mittelbar über den Erlös aus der Verwertung der Beute auch der Beschaffung von Drogen für den Eigenkonsum gedient hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2018 – 1 StR 132/18, juris Rn. 7 mwN). Bei Taten, die nicht auf die Erlangung von Rauschmitteln selbst oder von Geld zu deren Beschaffung abzielen, bedarf die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Hang und Anlasstat besonderer hierfür sprechender Umstände (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. März 2014 – 4 StR 572/13, juris Rn. 4; vom 3. März 2016 – 4 StR 586/15, NStZ-RR 2016, 173). Ein solcher Zusammenhang fehlt, wenn die Taten allein zur Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs oder zur Gewinnerzielung bestimmt sind (BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – 4 StR 586/15, aaO). Bei einem Rauschgifthändler, dem es alleine darum geht, erworbene Betäubungsmittel mit Gewinn zu verkaufen, fehlt der symptomatische Zusammenhang regelmäßig auch dann, wenn er gelegentlich selbst Suchtmittel konsumiert (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – 4 StR 586/15, aaO; vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vgl. auch Dannhorn in NStZ 2012, 414, 416; SSW-StGB/Kaspar, 4. Aufl., § 64 Rn. 27).
Rz. 10
(2) Diesen Maßstäben werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
Rz. 11
(a) Die Wertung der Strafkammer, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Hang des Angeklagten jedenfalls auch eine – wenn auch untergeordnete – Rolle bei der Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten gespielt habe, belegt den notwendigen symptomatischen Zusammenhang nicht. Denn für eine Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB, bei der es sich um eine den Angeklagten beschwerende Maßregel handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7), müssen der symptomatische Zusammenhang ebenso wie die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 64 StGB sicher feststehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. März 2014 – 4 StR 572/13, juris Rn. 4; vom 25. September 2018 – 3 StR 621/17, juris Rn. 10, jeweils mwN).
Rz. 12
(b) Zudem belegen die Urteilsgründe nicht, dass die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten für die verfahrensgegenständlichen Taten mitursächlich war. Die Taten des Angeklagten lassen sich angesichts ihrer Größenordnung, ihres hohen Organisationsgrades und der zu Tage getretenen Raffinesse nicht als Beschaffungsdelikte charakterisieren, die auf die Befriedigung der Sucht zielten. Für eine Hangtat sprechende Anhaltspunkte zeigen die Urteilsgründe nicht auf. Vielmehr spricht der methodisch ausgebaute und durchgängig kontrollierte Betäubungsmittelhandel des Angeklagten, der maßgeblich auf den schnellen Gewinn zielte, gegen einen symptomatischen Zusammenhang (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, aaO; Beschluss vom 3. März 2016 – 4 StR 586/15, aaO; Senat, Urteil vom 17. November 2010 – 2 StR 356/10, juris Rn. 8).
Rz. 13
(c) Gegen einen symptomatischen Zusammenhang könnten zudem weitere Umstände sprechen, die das Landgericht nicht in den Blick genommen hat. So versorgte der Angeklagte seine Mittäter in regelmäßigen Abständen mit Heroin, um sie in Abhängigkeit zu halten, während sein Bruder die Rolle des „Schatzmeisters” innehatte, die durch den Handel erzielten Erlöse bei ihm abholte und in die Niederlande zurückbrachte. Der Angeklagte wohnte – nach den Urteilsfeststellungen – zur Tatzeit bei einem Freund in den Niederlanden, der stets über Geld und Drogen verfügte und an dessen nie versiegendem Drogenvorrat sich der Angeklagte aufgrund dessen Freigiebigkeit bedienen konnte. Sein Betäubungsmittelhandel war in großem Stil mit einer möglichst breiten Produktpalette – nämlich Heroin, Kokain, Amphetamin und Marihuana – angelegt, sodass er in erheblichem Umfang Drogen handelte, die er selber nicht konsumierte. Alle drei Gesichtspunkte sprechen indiziell gegen einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten und den festgestellten Anlasstaten.
Rz. 14
b) Die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 150 EUR (Fall II.1 der Urteilsgründe) hat ebenfalls keinen Bestand.
Rz. 15
aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte ein Abnehmer der Gruppe im August 2016 bei einem Mittäter des Angeklagten 150 Gramm Amphetamin zum Kaufpreis von 150 EUR, die der Abnehmer sofort bezahlte. Im Anschluss an diese Vereinbarung kaufte der Angeklagte gemeinsam mit seinem Bruder Amphetamin in den Niederlanden und wies eine weitere Mittäterin, die die Drogen für die Gruppe verwahrte, an, das Amphetamin, welches zuvor an diese geliefert worden war, an die von dem Abnehmer mitgeteilte Adresse zu versenden, was diese auch tat.
Rz. 16
bb) Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte die von dem Abnehmer an den Mittäter bezahlten 150 EUR erlangt hat (§ 73 Abs. 1 StGB). Zwar genügt für das Erlangen im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB, dass ein Tatbeteiligter in irgendeiner Phase der Tatbestandsverwirklichung die faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über die Tatbeute innehat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278, 279 mwN). Es ist daher nicht erforderlich, dass er an der Übergabe des Kaufpreises für die gehandelten Drogen selbst beteiligt ist. Ausreichend ist, wenn er anschließend ungehinderten Zugriff auf das übergebene Geld nehmen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2019 – 5 StR 213/19, juris Rn. 8 mwN). Entsprechende Feststellungen enthalten die Urteilsgründe indes nicht. Die bloße Annahme mittäterschaftlichen Handelns vermag die fehlende Darlegung des tatsächlichen Geschehens hierzu nicht zu ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18, BGHR StGB § 73c Abs. 1 Erlangtes 1 Rn. 12).
Rz. 17
c) Auch die Einziehung der „Betäubungsmittelutensilien” unterfällt der Aufhebung, weil die als Tatmittel (§ 74 StGB) eingezogenen Gegenstände im Urteilstenor nicht hinreichend konkret bezeichnet sind. Nach ständiger Rechtsprechung müssen die einzuziehenden Gegenstände so genau bezeichnet werden, dass für alle Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Juli 2004 – 2 StR 150/04, StraFo 2004, 394; BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2017 – 1 StR 490/16, juris Rn. 2; vom 29. August 2018 – 4 StR 56/18, juris 2; vom 30. April 2019 – 4 StR 482/18, juris Rn. 4). Eine Bezugnahme auf eine Asservatenliste genügt hierfür nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2017 – 1 StR 490/16, aaO). Zudem ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte die auch in den Urteilsgründen nicht näher benannten Gegenstände zur Tatbegehung oder –vorbereitung im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB gebrauchte oder bestimmte. Eine durch Tatsachen belegte Zuordnung der „Betäubungsmittelutensilien” zu den Taten hat das Landgericht nicht vorgenommen.
Unterschriften
Franke, Eschelbach, Meyberg, Grube, Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 13694337 |
StV 2021, 361 |