Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einem Angeklagten, der sich zur Sache eingelassen hat, darf aus der aktiven Verweigerung der Mitwirkung an der Sachaufklärung jedenfalls dann kein ihm nachteiliger Schluß gezogen werden, wenn dieses Prozeßverhalten nicht in einem engen und einem einer isolierten Bewertung unzugänglichen Sachzusammenhang mit dem Inhalt seiner Einlassung steht (hier: Nichtentbindung des Verteidigers von der Schweigepflicht, Abgrenzung zu BGHSt 20, 298).
2. Erscheint eine Person, die von der Polizei zu einem Speicheltest für eine molekulargenetische Untersuchung geladen wird, – anders als andere, ebenfalls vorgeladene Personen – im Beistand eines Anwalts, so darf dies in einem späteren Strafverfahren gegen sie nicht als belastendes Indiz verwertet werden.
Normenkette
StPO §§ 81c, 136 Abs. 1, § 137 Abs. 1, § 243 Abs. 4, § 261
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 30. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte nach einem Anruf am Vortage die Prostituierte S. in ihrer Wohnung aufgesucht, mit ihr den Geschlechtsverkehr mit Kondom ausgeführt, ihr den Fuß einer Tischlampe an den Kopf geschlagen und sie sodann mit einer Krawatte und einem Lampenkabel erdrosselt. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, das Opfer weder gekannt, noch es angerufen, aufgesucht und schließlich getötet zu haben. Die Strafkammer stützt ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch darauf, daß dieser seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Sch., gegenüber zugegeben habe, zur Tatzeit doch bei der Prostituierten S. gewesen zu sein. Das habe die Freundin des Angeklagten, die Zeugin Monika M., in einem Gespräch mit dem Verteidiger erfahren und an die Zeugen Jolantha M. und B. weiterberichtet, die dies als Zeugen in der Hauptverhandlung bekundet haben. Zwar hat die Zeugin Monika M. in der Hauptverhandlung bestritten, eine solche Information vom Verteidiger erhalten zu haben, doch habe sie nicht erklären können, wie es zu einem Protokoll über ihre polizeiliche Vernehmung gekommen sei, in dem sie eben diese Information bestätigt hatte. Schließlich spreche für die Richtigkeit dieses Teilgeständnisses und seine Weitergabe an die Zeugin Monika M., daß der Angeklagte seinen Verteidiger hierzu auf Anfrage des Gerichts nicht von seiner anwaltlichen Schweigepflicht entbunden habe, weshalb dieser dann die Aussage verweigert hat. Dies lasse den Schluß zu, daß der Angeklagte seinem Verteidiger gegenüber tatsächlich ein solches Teilgeständnis abgegeben und dieser die Information auch weitergegeben hat. Schließlich hat die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten gewertet, daß er bei einer Vorladung zu einem Speicheltest im Vorfeld der Ermittlungen als einziger von zahlreichen potentiellen Kontaktpersonen mit anwaltlichem Beistand erschienen sei; bei einem reinen Gewissen hätte es dessen nicht bedurft.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Schuldspruchs, da die Beweiswürdigung mehrere durchgreifende Rechtsfehler aufweist.
1. Zwar ist es nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer ein Aussageverweigerungsrecht der Zeugin Monika M. nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO als Verlobte verneint hat, doch ist die inhaltliche Wertung der Aussage rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler zum Ergebnis gekommen, daß zumindest im Zeitpunkt der Hauptverhandlung ein Verlöbnis zwischen der Zeugin Monika M. und dem Angeklagten nicht bestanden hat. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es dabei nicht auf zivilrechtliche Maßstäbe an, vielmehr setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Verlöbnis im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO voraus, daß unabhängig von einer zivilrechtlichen Beurteilung im Zeitpunkt der Aussage ein gegenseitiges ernstgemeintes Eheversprechen vorliegt, wobei bereits die einseitige Aufgabe des Heiratswillens das Verlöbnis beseitigt, selbst wenn der andere davon nichts weiß (BGHSt 3, 215, 216; 29, 54, 57).
2. Nach den Feststellungen hat die Zeugin Monika M. in einem polizeilichen Vernehmungsprotokoll bestätigt, von Rechtsanwalt Sch. darüber informiert worden zu sein, daß der Angeklagte ihm gegenüber eingeräumt habe, am Tattag bei dem Tatopfer S. gewesen zu sein (UA S. 19). Die Revision rügt zu Recht, daß diese Feststellung entweder nicht auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruht oder unter Verletzung der Aufklärungspflicht zustande gekommen ist. Eine solche „Alternativrüge” ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Akteninhalt ohne weiteres die Unrichtigkeit der Urteilsfeststellungen beweist (vgl. BGHSt 43, 212, 216; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 36). Ein derartiger Ausnahmefall liegt vor. Eine Protokollstelle mit dem von der Strafkammer behaupteten Inhalt ist in den Akten nicht enthalten, wie in der Revisionsbegründung zutreffend dargelegt wird. Die Vernehmungsniederschriften belegen vielmehr, daß die Zeugin auf eine entsprechende Frage der Polizei und auf die erneute Befragung durch den ermittelnden Staatsanwalt jeweils die Aussage verweigert und bei einer anschließenden informellen Unterhaltung gegenüber dem Staatsanwalt beteuert hat, daß ihr Rechtsanwalt Sch. derartiges nicht erzählt habe und daß der Zeuge B. etwas „in den falschen Hals” bekommen haben müsse. Bei dieser Sachlage hätte die – sachlich unrichtige – Feststellung im Wege des Vorhalts nur getroffen werden können, wenn einer der beiden an der Vernehmung beteiligten Zeugen auf den Vorhalt einer tatsächlich nicht existierenden Protokollstelle deren Existenz der Wahrheit zuwider bestätigt hätte, ohne daß dies einer der übrigen Verfahrensbeteiligten bemerkt hätte. Angesichts der Bedeutung der Aussage erscheint das kaum vorstellbar. Selbst wenn man von dieser unwahrscheinlichen Möglichkeit ausgehen würde, hätte die vom Beschwerdeführer vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge Erfolg. Denn dann hätte es sich aufgedrängt, die polizeiliche Protokollführerin zur Tatsache der Aussageverweigerung bei der Polizei und den ermittelnden Staatsanwalt Bu. dazu zu hören, daß ihm gegenüber die Zeugin ebenfalls die Aussage verweigert und informell das Gegenteil beteuert hatte.
3. Die Schlußfolgerung der Strafkammer, aus der Weigerung des Angeklagten, seinen Verteidiger von seiner beruflichen Schweigepflicht zu entbinden, ergebe sich, daß er ihm gegenüber tatsächlich eingeräumt habe, am Tattag bei S. gewesen zu sein, und daß dieser die Information an seine Freundin Monika M. weitergegeben habe, verstößt gegen mehrere Beweisverwertungsverbote und ist zudem in der Sache rechtlich bedenklich.
a) Nach dem Grundsatz „nemo tenetur se ipsum prodere” braucht nie mand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen, § 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Macht er von diesem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil verwertet werden (vgl. BGHSt 38, 302, 305). Ebenso wie ein Angeklagter nicht zur Sache aussagen muß, ist er grundsätzlich auch nicht verpflichtet, aktiv zur Sachaufklärung beizutragen (BGHSt 34, 324, 326).
Für den zur Sache schweigenden Angeklagten ist anerkannt, daß weder aus seinem Schweigen, noch aus seinem sonstigen prozessualen Verhalten wie der Verweigerung einer Mitwirkung an der Sachaufklärung ein belastendes Indiz hergeleitet werden darf (Beschluß des Senats vom 22. Dezember 1999 – 3 StR 401/99, – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. § 261 Rdn. 79; Schlüchter in SK-StPO 13. Erg.Lfg. § 261 Rdn. 36; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 2. Aufl. Rdn. 899, 914; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst 1977, S. 59 f.).
Schweigt ein Angeklagter nicht umfassend, sondern macht er zu einem bestimmten Sachverhalt eines einheitlichen Geschehens Angaben zur Sache und unterläßt insoweit lediglich die Beantwortung bestimmter Fragen, so kann dieses Schweigen (sog. Teilschweigen) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von indizieller Bedeutung sein (BGHSt 20, 298, 300; 32, 140, 145; 38, 302, 307; ablehnend Rogall aaO S. 250 f.; vgl. auch Übersicht bei Eisenberg aaO Rdn. 906). Fraglich ist, inwieweit diese Grundsätze über die Verwertbarkeit des Teilschweigens auf die Bewertung des sonstigen prozessualen Verhaltens eines Angeklagten, der sich zur Sache einläßt, übertragen werden können. Die zur Begründung der Verwertbarkeit des Teilschweigens herangezogene Erwägung, der sich zur Sache einlassende Angeklagte unterwerfe notwendigerweise seine Einlassungund sein Prozeßverhalten der umfassenden Beweiswürdigung (vgl. BGHSt 20, 298, 300), begegnet – jedenfalls in dieser weitgefaßten Form – Bedenken. So hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß das prozessuale Verhalten eines Angeklagten, der zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und erst in einem späteren Stadium eine Einlassung abgibt, – entgegen dieser Erwägung – nicht zu seinem Nachteil verwertet werden darf („anfängliches Schweigen” – st. Rspr. vgl. BGHSt 38, 302, 305 m.w.Nachw.). Ebensowenig darf nachteilig gewertet werden, daß ein Angeklagter zu einer von mehreren selbständigen Taten schweigt, da er sich insoweit eben nicht selbst zum Beweismittel macht (BGHSt 32, 140, 145).
Der Senat ist der Auffassung, daß nachteilige Schlüsse aus der Wahrnehmung prozessualer Rechte durch einen Angeklagten jedenfalls dann nicht gezogen werden dürfen, wenn dieses Prozeßverhalten nicht in einem engen und einem einer isolierten Bewertung unzugänglichen Sachzusammenhang mit dem Inhalt seiner Einlassung steht. Dies gilt insbesondere in einem Fall wie hier, in dem es der Angeklagte abgelehnt hat, seinen eigenen Verteidiger von der Schweigepflicht zu entbinden und zwar zu einem Beweisthema, das nicht Gegenstand seiner Einlassung war, sondern ein vertrauliches, potentiell tatrelevantes Gespräch zwischen ihnen betrifft. Die Verwertung der Ablehnung ist unzulässig, da sich der Angeklagte durch sie nicht in irgendeiner Form zum Beweismittel gemacht, sondern sein Recht ausgeübt hat, ein Beweismittel, über das er verfügen konnte, nicht gegen sich verwenden zu lassen.
Wie der Generalbundesanwalt zu Recht hervorgehoben hat, unterscheidet sich damit der Sachverhalt wesentlich von dem, der der Entscheidung in BGHSt 20, 298 zugrundegelegen hat. Dort hatte sich der Angeklagte zu seiner Verteidigung auf den Inhalt eines in einer anderen Sache geführten Beratungsgesprächs mit einem Rechtsanwalt berufen und dabei eine Einlassung abgegeben, die nur von dem Rechtsanwalt bestätigt oder widerlegt hätte werden können. In diesem besonders gelagerten Fall hat es der Bundesgerichtshof für zulässig erachtet, daß das Landgericht aus dem Umstand, daß der Angeklagte den Rechtsanwalt nicht von seiner Schweigepflicht entbunden hat, den Schluß gezogen hat, seine Behauptung sei unwahr (BGHSt 20, 298, 301). Damit hatte sich dort der Angeklagte mit der Angabe eines bestimmten Gesprächsinhalts selbst zum Beweismittel gemacht, das der kritischen Würdigung des Tatrichters unterliegt. Dieser konnte dabei berücksichtigen, daß die Einlassung des Angeklagten – letztlich als Folge der fehlenden Entbindungserklärung – durch andere Beweismittel nicht bestätigt worden ist.
b) Die nachteilige Wertung der Weigerung des Beschuldigten, seinen Verteidiger von der Schweigepflicht zu entbinden, verstößt darüber hinaus auch gegen das durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK und das Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich verbürgte Recht des Beschuldigten auf Beiziehung eines Verteidigers (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. Einl. Rdn. 82). Die Gewährleistung einer wirksamen Strafverteidigung setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigten voraus (vgl. BGHSt 33, 347, 349), zu dem die Verschwiegenheit des Rechtsanwaltes über das ihm vom Beschuldigten Anvertraute gehört. Dem trägt die Rechtsordnung durch das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO, die Beschlagnahmefreiheit nach § 97 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO und die strafrechtliche Bewehrung eines Bruchs der Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB Rechnung. Müßte ein Beschuldigter gewärtigen, daß sein Bestehen auf der Schweigepflicht über anvertraute Mitteilungen als belastendes Indiz zum Nachweis seiner Schuld herangezogen werden könnte, würde dieses Recht auf wirksame Strafverteidigung unterlaufen werden.
c) Schließlich begegnet die Schlußfolgerung der Strafkammer unabhängig von ihrer beweisrechtlichen Unzulässigkeit auch sachlich-rechtlichen Bedenken. Sie setzt sich nämlich nicht mit der Möglichkeit auseinander, daß ein Beschuldigter – insbesondere auf Anraten seines Verteidigers – es aus prinzipiellen Gründen ablehnen kann, seinen Verteidiger über den Inhalt der mit ihm geführten vertraulichen Gespräche als Zeugen aussagen zu lassen, auch wenn die Entbindung auf einen bestimmten Punkt beschränkt werden könnte und im konkreten Fall eine Belastung in der Sache nicht befürchtet werden müßte. Die weitere Schlußfolgerung der Strafkammer, die Verweigerung einer Entbindungserklärung lasse nicht nur den Schluß zu, der Angeklagte habe seinem Verteidiger gegenüber die Anwesenheit am Tatort eingestanden, sondern rechtfertige darüber hinaus auch die Annahme, daß dieser die fragliche Information an die Zeugin Monika M. weitergegeben habe, würde ohnehin voraussetzen, daß der Angeklagte bei dieser Weitergabe anwesend war oder sonst davon Kenntnis erhalten hatte. Dazu ist jedoch nichts festgestellt.
4. Die Strafkammer durfte auch den Umstand, daß sich der Angeklagte bei der Entnahme einer Speichelprobe von einem anwaltlichen Beistand hat begleiten lassen, obwohl er bei einem „reinen Gewissen” dessen nicht bedurft hätte (UA S. 31 f.), nicht als Indiz für seine Täterschaft werten. Zwar war der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt noch nicht Beschuldigter in einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren, sondern gehörte lediglich zum Kreis von Personen, die in die Ermittlungen einbezogen worden waren, weil Anhaltspunkte für einen telefonischen Kontakt mit dem späteren Tatopfer gegeben waren. Damit standen ihm zu diesem Zeitpunkt die förmlichen Rechte eines Beschuldigten, insbesondere das Recht auf Aussagefreiheit und Verteidigung, noch nicht zu. Ob und in welchem Umfang derartige Rechte auf Verdächtige im Vorfeld einer Beschuldigung entsprechend anzuwenden sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist eine verdächtige Person, die Gegenstand gezielter Ermittlungsmaßnahmen wird – wie hier der Einbeziehung in einen Speicheltest zur Durchführung molekulargenetischer Untersuchungen –, berechtigt, sich eines anwaltlichen Beistandes zu bedienen (vgl. § 3 BRAO; für den Beistand eines Zeugen: §§ 68 b, 406 f, 406 g StPO; BVerfGE 38, 105). Das Recht einer fairen Verfahrensgestaltung erfordert es, auch ihr die Möglichkeit einzuräumen, mit der Hilfe eines Beistandes nicht nur die Rechtmäßigkeit solcher Ermittlungsmaßnahmen überprüfen zu lassen, sondern auch sonst mit geeigneten Maßnahmen darauf hinzuwirken, baldmöglichst aus dem Kreis der Tatverdächtigen ausgeschieden zu werden.
Die Strafkammer stellt zwar ein solches Recht grundsätzlich nicht in Frage, bedenkt jedoch nicht, daß sie mit der Verwertung der Beistandsbestellung als belastendes Indiz dieses Recht unterlaufen und aushöhlen würde. Denn wenn ein Verdächtiger in einer derartigen Situation mit nachteiligen Konsequenzen zu rechnen hätte, könnte er nicht mehr frei und unbefangen von seinem Recht Gebrauch machen. Im übrigen ist die Schlußfolgerung der Strafkammer auch in der Sache rechtlich bedenklich, da die Annahme, daß sich nur ein schuldiger Verdächtiger eines anwaltlichen Beistandes bediene, nicht gerechtfertigt ist und außer Acht läßt, daß auch ein Unschuldiger ein Interesse daran haben kann, einen bestehenden Verdacht mit anwaltlicher Hilfe baldmöglichst auszuräumen. Den Verstoß gegen dieses Beweisverwertungsverbot, der mehr dem materiellen Beweiswürdigungsrecht zuzurechnen ist, mußte der Senat auch ohne entsprechende Verfahrensrüge auf die Sachrüge hin berücksichtigen (vgl. BGHSt 25, 100).
5. Der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen, daß das Urteil auf diesen Rechtsfehlern beruht. Der Generalbundesanwalt hat zwar zu Recht geltend gemacht, daß gegen den Angeklagten eine Fülle weiterer Beweismittel spricht, die von diesen Rechtsfehlern nicht berührt werden. Doch kann, worauf der Beschwerdeführer in seiner Erwiderung auf den Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts hingewiesen hat, nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Strafkammer allein auf Grund der Aussagen der Zeugen Jolantha M. und B., die beide lediglich Zeugen vom Hörensagen sind, vom Vorliegen eines Teilgeständnisses des Angeklagten gegenüber dem Verteidiger Rechtsanwalt Sch. überzeugt hätte, wenn die diese Information vermittelnde Zeugin Monika M. als belastendes Zwischenglied und die nachteilige Wertung der Verweigerung einer Entbindungserklärung entfällt. Da die Strafkammer jedoch ihre Überzeugung maßgeblich u.a. auf dieses Teilgeständnis gegründet hat und die beweiskräftigeren Indizien aus der molekulargenetischen Untersuchung des am Tatort vorgefundenen Kondoms und der Tatwerkzeuge erst am Schluß als lediglich zusätzliche Bestätigung des bisher gefundenen Beweisergebnisses bewertet (UA S. 32), kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, daß sie ohne die genannten erheblichen Beweiswürdigungsfehler zum gleichen Ergebnis gelangt wäre.
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 556782 |
BGHSt |
BGHSt, 367 |
NJW 2000, 1962 |
NStZ 2000, 386 |
Nachschlagewerk BGH |
wistra 2000, 309 |
Kriminalistik 2000, 679 |
StV 2000, 293 |
StraFo 2000, 227 |