Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 07.04.2005) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 7. April 2005 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Der Rüge der Revision, das Landgericht habe das Recht des Angeklagten auf Beistand durch den Verteidiger seines Vertrauens und damit zugleich seinen Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt (§ 265 Abs. 4 StPO i.V.m. § 338 Nr. 8 StPO), liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde: Die Hauptverhandlung umfasste zunächst zwei Sitzungstage, den 17. und 18. März 2005. Am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 18. März 2005, beschloss die Strafkammer, noch ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt einzuholen. Die Hauptverhandlung wurde sodann zur Fortsetzung am 7. April 2005, 8.00 Uhr, unterbrochen. Nach Ablauf des zweiten Hauptverhandlungstages empfand der Angeklagte Unzufriedenheit über den Ablauf der Hauptverhandlung und fand sich durch seinen Wahlverteidiger Dr. S. nicht mehr hinreichend verteidigt. Er nahm deshalb Kontakt zu anderen Rechtsanwälten auf und vereinbarte einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dr. D. auf den 1. April 2005. Mit Rechtsanwalt Dr. S. vereinbarte er einen weiteren Besprechungstermin auf den 4. April 2005. Nachdem er beide Termine wahrgenommen hatte, entzog er mit Schreiben vom 5. April 2005 Rechtsanwalt Dr. S. unter Hinweis auf das seines Erachtens gestörte Vertrauensverhältnis das Mandat, wovon Rechtsanwalt Dr. S. das Landgericht am 6. April 2005 per Telefax in Kenntnis setzte. Der Kammervorsitzende bestellte daraufhin Rechtsanwalt Dr. S. zum Pflichtverteidiger, weil der Angeklagte bisher nur behauptet habe, das Vertrauensverhältnis sei gestört, dies jedoch nicht näher dargelegt habe. Ebenfalls am 6. April 2005 erteilte der Angeklagte Rechtsanwalt Dr. D. Verteidigervollmacht. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage teilte Rechtsanwalt Dr. D. dies dem Landgericht mit und bat um Akteneinsicht und Aufhebung des Termins vom 7. April 2005; ab 14.00 Uhr sei er zur Erörterung der Angelegenheit erreichbar. Das Landgericht teilte ihm am Nachmittag telefonisch mit, dass es bei dem für den folgenden Tag vorgesehenen Fortsetzungstermin bleibe und er auf der Geschäftsstelle Einsicht in die Akten nehmen könne. Die Akteneinsicht noch an diesem Nachmittag war Rechtsanwalt Dr. D. wegen anderer Termine nicht möglich. Zum Fortsetzungstermin am 7. April 2005 erschien der Angeklagte mit Rechtsanwalt Dr. S. als Pflichtverteidiger und Rechtsanwalt Dr. D. als Wahlverteidiger. Auf Frage des Gerichts erklärte Rechtsanwalt Dr. D., dass weitere Angaben zur Störung des Vertrauensverhältnisses des Angeklagten zu Rechtsanwalt Dr. S. nicht erfolgen würden. Um 8.30 Uhr verließ Rechtsanwalt Dr. D. den Sitzungssaal, um einen anderen Termin wahrzunehmen. Seine Anträge auf Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung und Aufhebung der Pflichtverteidigung lehnte das Gericht ab. Nach Fortsetzung der Beweisaufnahme, in der u.a. ein Zeuge vernommen wurde und der psychiatrische Sachverständige sein Gutachten erstattete, wurde gegen Mittag das Urteil verkündet.
Die Rüge ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung rechtsfehlerfrei abgelehnt.
Grundsätzlich hat ein Angeklagter das Recht, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BGH StV 1992, 53; BGH NStZ 1998, 311, 312). Daraus folgt aber nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden könnte. Die Terminierung ist grundsätzlich Sache des Vorsitzenden; allerdings ist er gehalten, über Anträge auf Verlegung des Termins nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu entscheiden (BGH NStZ 1998, 311, 312). Für die Beurteilung eines Antrags, die Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Verteidigers auszusetzen oder zu unterbrechen, gilt nichts anderes.
Hier war für das Landgericht zur Klärung der Frage, ob wegen des nicht vorbereiteten und am 7. April 2005 verhinderten neuen Wahlverteidigers die Hauptverhandlung unterbrochen oder gar ausgesetzt werden sollte, schon im Ausgangspunkt nicht ersichtlich, dass der zum Pflichtverteidiger bestellte bisherige Wahlverteidiger nicht zu einer ordnungsgemäßen Verteidigung des Angeklagten in der Lage gewesen wäre. Der Angeklagte hat die Störung des Vertrauensverhältnisses zu Rechtsanwalt Dr. S. ohne jeden inhaltlichen Beleg lediglich behauptet und auch auf Nachfrage keine Gründe hierfür genannt. Schon von daher war das Landgericht nicht ohne weiteres gezwungen, von einer von dem Angeklagten nicht zu vertretenden Veränderung der Sachlage im Sinne des § 265 Abs. 4 StPO auszugehen. Dabei musste das Landgericht auch noch in Rechnung stellen, dass die nach § 229 Abs. 1 StPO höchstmögliche Unterbrechungsdauer bereits am folgenden Tag, dem 8. April 2005, endete.
Es kommt hier folgendes hinzu: Wenn der Angeklagte von seinem Recht Gebrauch machte, seinem bisherigen Wahlverteidiger das Mandat zu entziehen und einen neuen Verteidiger zu beauftragen, so war ihm in der vorliegenden konkreten Prozesssituation zuzumuten, dies so rechtzeitig vor dem nächsten Verhandlungstag zu veranlassen, dass der neue Verteidiger sich hinreichend auf die weitere Verhandlung vorbereiten konnte. Er erteilte Rechtsanwalt Dr. D. jedoch erst 19 Tage nach der Unterbrechung der Hauptverhandlung und nur einen Tag vor dem nächsten Hauptverhandlungstermin das Mandat. Ferner hatte der Angeklagte ausreichend Gelegenheit, einen Verteidiger zu wählen, der auch in der Lage war, den bevorstehenden Termin wahrzunehmen. Die weitere Durchführung des Hauptverhandlungstermins vom 7. April 2005 in Abwesenheit eines neuen Verteidigers beruhte daher auf Umständen, auf die der Angeklagte sich rechtzeitig hätte einstellen können. Das Landgericht konnte daher auch eine kurzfristige Unterbrechung der Hauptverhandlung ermessensfehlerfrei ablehnen. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von dem dem Beschluss des 2. Strafsenats vom 14. Januar 2004 (NStZ 2004, 637) zugrunde liegenden Fall, auf den die Revision hingewiesen hat. Dort war das Recht auf eine sachgerechte Verteidigung aufgrund von Umständen, die der Angeklagte nicht zu vertreten hatte – nämlich die rechtswidrige Inverwahrnahme des Angeklagten –, beeinträchtigt.
Unterschriften
Nack, Wahl, Kolz, Elf, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2554643 |
NJW 2006, 2788 |
NStZ-RR 2006, 272 |
KammerForum 2006, 255 |