Leitsatz (amtlich)
›In den allgemein üblichen Zustand werden die gemieteten Räume versetzt, wenn dieser Zustand bei der überwiegenden Mehrzahl von Mieträumen - mindestens zwei Drittel - in Gebäuden gleichen Alters innerhalb der Region angetroffen wird.‹
Tatbestand
I. Der Beklagte ist Mieter einer Drei-Zimmer-Wohnung im Haus der Klägerin, die er zusammen mit seiner Ehefrau bewohnt. Die Wohnung hat kein Badezimmer, sondern nur eine Wanne in der Küche und wird mit Einzelöfen beheizt. Die Toilette befindet sich im Treppenhaus. Der Beklagte zahlt monatlich eine Nettomiete von 320 DM und eine Nebenkostenvorauszahlung von 60 DM. Gemeinsam mit seiner Ehefrau verfügt er über Renteneinkünfte von monatlich 1.877 DM.
Die Klägerin beabsichtigt, in der Wohnung ein Bad mit WC einzubauen. Hierzu soll die bisherige Küche durch eine mit einem Oberlicht versehene Zwischenwand geteilt werden. Die Böden in Bad und Küche sollen mit Fliesen erneuert werden, die Wände im Bad gefliest und eine 90 cm breite Befliesung der Küchenarbeitszeile angelegt werden. Ferner soll das Haus zentral mit Warmwasser versorgt und mit Fernwärme beheizt werden. Hierzu sollen Heizkörper in jedem Raum aufgestellt werden.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zur Duldung dieser Maßnahmen verpflichtet ist.
Die Klägerin hat dem Beklagten mit Schreiben vom 8. Juni 1990 diese Maßnahmen angekündigt und mitgeteilt, daß sich die Miete nach § 3 MHG auf der Basis der entstehenden Renovierungskosten um monatlich 328 DM und die monatliche Nebenkostenvorauszahlung auf 101,70 DM erhöhen werde. Der Beklagte hat widersprochen. Er hält sich nicht zur Duldung dieser Maßnahmen verpflichtet, weil sie zu einer nicht von § 541 b Abs.1 BGB gedeckten Umgestaltung führten und eine Luxussanierung darstellten. Er sei aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, die erhöhten Mietkosten zu tragen.
Das Amtsgericht hat die auf Duldung der geplanten Maßnahmen gerichtete Klage abgewiesen, weil die zu erwartende Erhöhung der Mietzinsen und der Nebenkosten für den Beklagten eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die Erhöhung des Mietzinses könne auch nicht gemäß § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB unberücksichtigt bleiben, da die Umbaumaßnahmen die Räume nicht lediglich in einen Zustand versetzen würden, wie er allgemein üblich ist. Abzustellen sei auf vergleichbare Altbauwohnungen, bei denen aber weder eine Zentralbeheizung mit zentraler Warmwasserversorgung noch die sonst von der Klägerin gewünschte Ausstattung üblich seien.
Das auf die Berufung der Klägerin mit der Sache befaßte Landgericht ist der Auffassung, daß es sich bei den geplanten Maßnahmen um solche zur Verbesserung der gemieteten Räume im Sinne von § 541 b Abs. 1 BGB handele. Auch unter Berücksichtigung der baulichen Folgen und der vorzunehmenden Arbeiten sei keine unzumutbare Härte für den Beklagten zu erkennen. Jedoch stelle die zu erwartende Erhöhung des Mietzinses für den Beklagten und seine Ehefrau eine nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne von § 541 b Abs. 1 BGB dar, da mit der Verdoppelung der Miete unter Berücksichtigung des geringen Familieneinkommens, der Wohndauer und des Lebensalters des Beklagten vorliegend die Grenze des Zumutbaren jedenfalls überschritten sei. Auf die zu erwartende Erhöhung der Miete könne es aber gemäß § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB nicht ankommen, wenn die Räume lediglich in einen Zustand versetzt würden, wie er allgemein üblich sei. Als ›allgemein üblich‹ möchte das Landgericht den Standard ansehen, der heute bei der Mehrzahl aller Wohnungen im Bundesgebiet erreicht ist.
An dieser Entscheidung sieht sich das Landgericht jedoch durch einen Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 19. September 1985 (veröffentlicht in NJW 1986, 137 = DWW 1985, 312 = ZMR 1985, 406) gehindert. Es hat deshalb die Sache dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung durch Rechtsentscheid vorgelegt.
Das Oberlandesgericht möchte ebenfalls von der Auffassung des Kammergerichts abweichen, will jedoch im Unterschied zum Landgericht als ›allgemein üblich‹ im Sinne von § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB den Zustand ansehen, der nach der Verkehrsauffassung die wohnungswirtschaftlich objektiv notwendige und wirtschaftlich vernünftige Grundausstattung darstellt. Unter Grundausstattung sei in diesem Zusammenhang der Zustand zu verstehen, der sachlich und qualitativ als notwendig angesehen wird, im Hinblick auf Wohnungstyp, Wohnungsstandard und Wohnlage in der jeweiligen Region durchschnittliche Wohnbedürfnisse zu befriedigen. Im Konfliktfall sei die Entscheidung aufgrund einer wertenden Betrachtung zu treffen. Dem Kammergericht sei nicht zu folgen, wenn es den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Fälle beschränken wolle, die im Hinblick auf den Modernisierungsrückstand weit unter der Norm liegen. Verlange man einen entsprechenden Ausstattungsstandard bei mindestens 90 % aller Wohnungen, so könnten im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bei der Feststellung des ›allgemein üblichen‹ Zustandes bestehen. Seien statistische Erhebungen nicht vorhanden oder nicht aufschlußreich, müsse es bei der grundsätzlichen Regelung des § 541 b Abs. 1 BGB verbleiben, so daß sich die in § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB geregelte Konfliktsituation in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht nach den tatsächlichen Gegebenheiten, sondern gemäß den Regeln über die Beweislast entscheiden werde. Dieser Gesichtspunkt spreche nicht nur gegen die Auslegung des Kammergerichts, sondern gegen jede Auslegung, welche den ›allgemein üblichen‹ Zustand anhand der tatsächlichen Gegebenheiten im Bundesgebiet oder in Teilgebieten ermitteln wolle.
Das Oberlandesgericht hat deshalb beschlossen (abgedruckt in WuM 1991, 575 f), dem Bundesgerichtshof folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:
›Bestimmt sich der ›allgemein übliche‹ Zustand im Sinne von § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB nach dem Zustand der weit überwiegenden Mehrheit (mindestens 90 %) aller im Geltungsbereich des Gesetzes belegenen Wohnungen mit Einbeziehung der Altbauwohnungen regelmäßig ohne Rücksicht auf deren Alter und Lage, lokale Besonderheiten und Gebäudestruktur,
oder
ist der Zustand eines geringeren Vomhundertsatzes aller Wohnungen oder eines unter Berücksichtigung von Alter, Lage, lokalen Besonderheiten oder Gebäudestruktur bestimmten Teils maßgeblich,
oder
ist als ›allgemein üblich‹ der Zustand anzusehen, der bezogen auf Wohnungstyp, Wohnungsstandard und Wohnlage in der jeweiligen Region die wohnungswirtschaftlich objektiv notwendige und wirtschaftlich vernünftige Grundausstattung darstellt?‹
II. Die Voraussetzungen für einen Rechtsentscheid des Bundesgerichtshofs liegen vor. Gemäß § 541 Abs. 1 ZPO hat das um einen Rechtsentscheid ersuchte Oberlandesgericht die Rechtsfrage dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, wenn es von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will. Der Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 19. September 1985 beantwortet die vom Oberlandesgericht Karlsruhe gestellte Rechtsfrage im abweichenden Sinn. Auch die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage für das Ausgangsverfahren ist nachvollziehbar dargelegt (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 11. Juli 1990 - VIII ARZ 1/90 = NJW 1990, 3142 unter 2 b).
Allerdings hat das Landgericht bei der Prüfung, ob die zu erwartende Mieterhöhung für den Beklagten eine unzumutbare Härte darstellen würde, einen möglichen Wohngeldanspruch des Beklagten nicht berücksichtigt, obwohl die Klägerin diesen Gesichtspunkt im Berufungsverfahren - wenn auch nur in sehr allgemeiner Form - angesprochen hat. Könnte der Beklagte die erhöhte Miete durch einen Wohngeldanspruch ganz oder teilweise auffangen, so wäre möglicherweise schon deshalb eine unzumutbare Härte im Sinne von 541 b Abs. 1 BGB zu verneinen (vgl. KG, RE, WuM 1982, 293; LG Frankfurt, WuM 1986, 312; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., § 541 b Rdn. 9; MünchKomm/Voelskow, BGB, 2. Aufl., § 541 b Rdn. 15; Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. III A Rdn. 1112; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, 3. Aufl., § 38 Rdn. 39; Palandt/Putzo, BGB, 51. Aufl., § 541 b Rdn. 17). Dann wäre der Rechtsstreit zur Entscheidung reif, ohne daß es auf eine Abweichung vom Rechtsentscheid des Kammergerichts ankäme. Indes ergeben sich ausweislich der Akten keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die Höhe des dem Beklagten möglicherweise zustehenden Wohngeldes zu einer nachhaltigen Änderung der Beurteilung des Landgerichts führen könnte, die Verdoppelung des Mietzinses stelle unter Berücksichtigung des geringen Familieneinkommens, der Wohndauer und des Lebensalters des Beklagten eine unzumutbare Härte dar.
Daß das Oberlandesgericht die vorzulegende Rechtsfrage anders formuliert als das Landgericht, ist unschädlich, auch wenn es sich dabei nicht lediglich um eine Präzisierung handelt, sondern das Oberlandesgericht eine weitere, vom Landgericht abweichende Auslegungsalternative in die Vorlagefrage einbezogen hat. Der Kern der Vorlagefrage wird davon nicht berührt (vgl. BGHZ 105, 71, 76 m.w.Nachw.). Sie zielt auf den Maßstab, anhand dessen der ›allgemein übliche‹ Zustand im Sinne von § 541 b Abs.1 2. Halbs. BGB zu ermitteln ist. Diese Rechtsfrage ist vom Bundesgerichtshof einheitlich zu beantworten.
III. In der Sache entscheidet der Senat die vorgelegte Rechtsfrage wie aus der Eingangsformel ersichtlich.
1. Gemäß § 541 b Abs. 1 1. Halbs. BGB hat der Mieter Maßnahmen zur Verbesserung der gemieteten Räume oder sonstiger Teile des Gebäudes oder zur Einsparung von Heizenergie zu dulden, es sei denn, daß die Maßnahme insbesondere unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Arbeiten, der baulichen Folgen, vorausgegangener Verwendungen des Mieters oder der zu erwartenden Erhöhung des Mietzinses für den Mieter oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter in dem Gebäude nicht zu rechtfertigen ist. Die zu erwartende Erhöhung des Mietzinses ist gemäß § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB nicht zu berücksichtigen, wenn die gemieteten Räume oder sonstigen Teile des Gebäudes lediglich in einen Zustand versetzt werden, wie er ›allgemein üblich‹ ist.
Mit dieser durch das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982 (BGBl. I, 1912) mit Wirkung vom 1. Januar 1983 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügten Vorschrift wurden die Duldungspflichten des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen vereinheitlicht und neu geregelt, die bis zu diesem Zeitpunkt für die mit öffentlichen Mitteln geförderten Modernisierungen und für nicht geförderte Modernisierungen unterschiedlich geregelt waren. Zugleich hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, daß die Höhe der nach der Modernisierung zu erwartenden Miete bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Maßnahme zu berücksichtigen ist, es sei denn, die gemieteten Räume oder sonstigen Teile des Gebäudes werden ›lediglich in einen Zustand versetzt, wie er allgemein üblich ist‹.
›Allgemein üblich‹ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Auffassungen über seine Auslegung gehen auseinander.
2. Der Senat teilt die Auffassung des Kammergerichts im Rechtsentscheid vom 19. September 1985, soweit es danach für die Feststellung des ›allgemein üblichen‹ Zustandes gemieteter Räume und sonstiger Teile des Gebäudes im Sinne von § 541 b Abs.1 2. Halbs. BGB auf den tatsächlich bestehenden Zustand der in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehenden Mietwohnungen und nicht auf einen - anzustrebenden oder anhand bestimmter Normen oder Vorgaben zu ermittelnden Soll-Standard ankommt. Dies entspricht auch der im Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Auffassung (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Teil II, Rdn. 327; Emmerich/Sonnenschein, § 541 b, Rdn. 9 b; Kraemer in Bub/Treier, III A Rdn. 1110; Köhler, § 38 Rdn. 37; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., Teil C Rdn. 166 h; Gramlich, Mietrecht, 3. Aufl., § 541 b I Rdn. 9; Palandt/Putzo, § 541 b Rdn. 17; Soergel/Kummer, BGB, 11. Aufl., Nachträge § 541 b Rdn. 13; Blömeke/Blümmel, Die Modernisierung und Instandsetzung von Wohnraum, Teil A, Rdn. 53; anders: MünchKomm/Voelskow, § 541 b Rdn. 14, wonach es auf den im sozialen Wohnungsbau vorgeschriebenen und verbreiteten Mindeststandard ankommen soll).
a) Weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der ›allgemein übliche‹ Zustand nicht der tatsächlich bestehende, sondern ein Standard sein soll, der sich aus den Bestimmungen über den sozialen Wohnungsbau (MünchKomm/Voelskow, aaO.; Blümmel, GE 83, 47, 49; AG Tempelhof-Kreuzberg, GE 1983, 575) oder daraus ergeben soll, was wohnungswirtschaftlich objektiv notwendig und wirtschaftlich vernünftig ist (so Röder, NJW 1983, 2665, 2666).
Der Senat vermag deshalb auch nicht dem vorlegenden Oberlandesgericht zu folgen, das darauf abstellen will, was nach der Verkehrsauffassung als wohnungswirtschaftlich objektiv notwendige und wirtschaftlich vernünftige Grundausstattung anzusehen ist. Der Wortlaut der Bestimmung stellt zweifelsfrei auf einen bestehenden ›Zustand‹ - wie er ›allgemein üblich ist‹ - ab. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesetzgebungsverfahren. Der Gesetzgeber wollte die Anpassung von Wohnungen an den gängigen Standard im Interesse einer sachgerechten Verbesserung älterer Wohnungen ermöglichen, ohne daß derartige Maßnahmen an einzelnen, zahlungsschwachen Mietern scheitern (Gesetzesbegründung BT-Drucks. 9/2079, S. 10 und 12).
Bezweckt war die Anhebung unterdurchschnittlicher Wohnungsausstattungen auf ein allgemein feststellbares, gängiges Niveau. Es lag nahe, die Voraussetzungen hierfür an objektive Merkmale anzuknüpfen. Bei ausgewogener Berücksichtigung der Mieter- und Vermieterinteressen kann deshalb auch nur eine Lösung sachgerecht sein, welche die sich im Einzelfall für den betroffenen Mieter möglicherweise aus der zu erwartenden Mieterhöhung ergebende Härte nicht schon dann für unbeachtlich erklärt, wenn eine - gleichwie ermittelte - Mehrheit die bei ihm vorhandene Wohnungsausstattung als nicht mehr durchschnittlichen Wohnbedürfnissen genügend erachtet, sondern die ausschließlich auf die tatsächliche Situation am Wohnungsmarkt abstellt und einen objektiv gegebenen Renovierungsrückstand fordert. Andernfalls wären die Voraussetzungen der Duldungspflicht für den Mieter kaum noch vorhersehbar und vielfach von Zufälligkeiten abhängig.
b) Auch die Erwägung des Oberlandesgerichts, die in § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB geregelte Konfliktsituation werde in den meisten Fällen nach Beweislastregeln entschieden werden müssen, weil es an hinreichenden Feststellungsmöglichkeiten zum tatsächlichen Wohnungsbestand fehle, vermag kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen.
Die Annahme, in der überwiegenden Zahl aller Fälle werde eine tatsächliche Bestandsaufnahme nicht möglich sein, erscheint zweifelhaft. Für die wichtigsten Ausstattungsmerkmale einer Wohnung, die im Rahmen des § 541 b Abs.1 2. Halbs. BGB von Bedeutung sein werden, hierzu zählen insbesondere Bad und WC sowie Sammelheizungsanlagen, sind - jedenfalls für die alten Bundesländer - in der Regel ausreichende Statistiken vorhanden (vgl. auch die Hinweise auf entsprechendes statistisches Material bei Schmidt-Futterer/Blank, aaO., sowie bei Blömeke/Blümmel, aaO. Rdn. 54).
Sollte im Einzelfall für weniger gängige Renovierungsmaßnahmen vom Vermieter ein ›allgemein üblicher‹ Zustand nicht nachgewiesen werden können, so muß es bei der in § 541 b Abs. 1 1. Halbs. BGB festgelegten umfassenden Interessenabwägung verbleiben. Auch der Gesetzgeber hat diese Problematik gesehen. Hat er sie gleichwohl in Kauf genommen, so besteht kein Raum für eine Auslegung, die sich vorwiegend an der Vermeidung prozessualer Beweisschwierigkeiten orientiert, ohne vom Wortlaut oder von Sinn und Zweck der Bestimmung ausreichend getragen zu werden.
3. Für die Ermittlung des ›allgemein üblichen Zustandes‹ kommt es - abweichend von der Auffassung des Kammergerichts - jedoch von vornherein nur auf den Zustand an, in dem sich die Mietwohnungen und -gebäude in vergleichbarem Alter und innerhalb der gleichen Region befinden.
Der Wortlaut des Gesetzes, der ohne nähere Konkretisierung nur von dem ›allgemein üblichen Zustand‹ spricht, zwingt nicht zu der Annahme, in die Vergleichsbetrachtung seien sämtliche Mietwohnungen innerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes ohne Unterscheidung nach Baualter einzubeziehen.
a) Mit der Bestimmung war die sachgerechte Verbesserung älterer Wohnungen bezweckt. Gleichzeitig sollte der Mieter gegen Luxussanierungen geschützt werden (vgl. BT-Drucks. 9/2079, S.10). Notwendigkeit und Umfang einer sachgerechten Verbesserung können sich nach Auffassung des Senates aber nur im Verhältnis zu vergleichbaren Objekten feststellen lassen. Für die jeweilige Ausstattung spielt vor allem das Baualter eine wesentliche Rolle. Nicht alles, was bei Neubauten und im modernen Wohnungsbau zwischenzeitlich üblich geworden ist, kann auch bei Altbauten als üblich angesehen oder zum Maßstab gemacht werden. Dementsprechend sind auch die Vorstellungen und Erwartungen darüber, welche Ausstattung Altbauten und Neubauten regelmäßig aufweisen, unterschiedlich. Auch die üblichen statistischen Erhebungen und örtlichen Mietspiegel unterscheiden nach Baualtersgruppen. Ist demnach diese Unterscheidung ein für die Bewertung von Gebäuden erhebliches Kriterium, so kann sie auch bei der Ermittlung des gängigen Standards im Rahmen des § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB nicht unberücksichtigt bleiben. Ein ›gängiger Standard‹ läßt sich danach sinnvoll nur für Gebäude und Wohnungen vergleichbaren Alters ermitteln. Der Senat schließt sich insoweit der im Schrifttum und vor allem in der älteren Rechtsprechung vertretenen Auffassung an (vgl. Sternel, aaO., Rdnr. 326; ders. MDR 1983, 265, 267; Köhler, aaO., Rdnr. 38; Degen, WuM 1983, 275, 277; Röchling, WuM 1984, 203, 207; LG Hamburg, WuM 1984, 217), wonach bei Ermittlung des gängigen Standards das jeweilige Baualter zu berücksichtigen ist - unabhängig von dort im einzelnen befürworteten weiteren Unterscheidungskriterien, wie Lage und Gebäudestruktur (vgl. Sternel, aaO.; Köhler, aaO.; Degen, aaO.).
aa) Würde bei der Ermittlung eines objektiven Modernisierungsrückstandes auch das Niveau des modernen Wohnungsbaus einfließen, so könnte dies zu einer nicht mehr hinzunehmenden Benachteiligung gerade älterer und einkommensschwacher Mieter führen, denen in nicht unerheblichem Maße die Gefahr einer ›Hinausmodernisierung‹ drohen würde (vgl. Sternel, Degen, Röchling, jeweils aaO.). Dies wäre weder mit dem Schutz des einzelnen Mieters vereinbar noch aus übergeordneten wohnungspolitischen Interessen vertretbar und war auch vom Gesetzgeber nicht gewollt. Zwar ist die angemessene Modernisierung von Altbauten ein Anliegen der Bestimmung des § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB. Der Bedarf an verhältnismäßig einfach ausgestatteten und billigen Wohnungen darf aber ebenso wenig außer acht gelassen werden (Sternel, aaO.).
bb) Die Gefahr einer dadurch bewirkten Hemmung von Altbaumodernisierungen und der Vernachlässigung des Vermieterinteresses an der wirtschaftlichen Nutzung seines Eigentums besteht jedenfalls dann nicht, wenn die Voraussetzungen an die Annahme eines ›allgemein üblichen‹ Zustandes innerhalb der so zu ermittelnden Vergleichsgruppe von Mietwohnungen und -gebäuden nicht überspannt werden (vgl. dazu unten 4).
Auch bei Mietwohnungen vergleichbaren Alters finden sich erhebliche Ausstattungsunterschiede; bei diesen kann, sofern eine Wohnung unterhalb der für diese Kategorie festgestellten gängigen Ausstattung liegt, die Modernisierung nach den Voraussetzungen des § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB erfolgen. Sie kann im übrigen stets nach den Voraussetzungen des § 541 b Abs. 1 1. Halbs. BGB oder jedenfalls im Einzelfall nach Beendigung des jeweiligen Mietverhältnisses durchgeführt werden, so daß der Vermieter bei sachgerechtem Vorgehen an einer angemessenen Modernisierung jedenfalls in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht gehindert sein wird.
b) Daß bei der Ermittlung des ›allgemein üblichen‹ Zustandes auch regionale Unterschiedlichkeiten zu berücksichtigen sind, entspricht schon dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks., aaO., S. 12). Auch diese Unterscheidung erscheint sinnvoll, um strukturellen Unterschieden einzelner Regionen Rechnung zu tragen. Zur Vermeidung einer zu großen Aufsplitterung in einzelne regionale Bereiche, die nicht mehr zu repräsentativen Ergebnissen führen und vor allem die Vorhersehbarkeit einer Entscheidung über die Duldungspflicht sowohl für Vermieter wie für Mieter erschweren würde, ist es allerdings geboten, die regionale Abgrenzung nicht zu eng zu ziehen. Das Abstellen auf ausschließlich örtliche oder sogar innerörtliche Verhältnisse würde diesen Anforderungen nicht gerecht. Mangels geeigneter anderer Abgrenzungskriterien erscheint es daher sachgerecht, als die jeweils maßgebliche Region das Bundesland anzusehen, in dem sich die Mietwohnung befindet.
c) 8ei der so gebotenen Unterscheidung nach Baualter und Regionen besteht auch nicht die vom Kammergericht befürchtete Gefahr der Rechtsunsicherheit. Im Gegenteil werden die tatsächlichen Feststellungen sogar erleichtert und verläßlicher, wenn sie sich auf den damit vorgegebenen räumlichen und sachlichen Bereich beschränken und auf die Erkenntnisse der jeweiligen Landesstatistiken zurückgreifen können.
4. Ein nach diesen Kriterien ermittelter Standard ist aber nicht erst dann ›allgemein üblich‹ im Sinne von § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB, wenn er in mindestens 90 % aller Mietwohnungen und -gebäude anzutreffen ist.
a) Diese Ansicht des Kammergerichts, die allerdings von der Einbeziehung sämtlicher Mietwohnungen im Bundesgebiet ohne Unterscheidung nach Baualter ausgegangen ist, ist in Schrifttum und Rechtsprechung auf Kritik gestoßen, weil damit der Zweck des Gesetzes, sachgerechte Verbesserungen des Bestandes an Altbauwohnungen zu ermöglichen, verhindert werde (Emmerich/Sonnenschein, aaO.; Kraemer in Bub/Treier, aaO.; MünchKomm/Voelskow, aaO.; Gather, DWW 1985, 315; Blömeke/Blümmel, aaO., Rdn. 51; kritisch auch Sternel, aaO., Rdn. 327 und derselbe, Mietrecht aktuell, 1. Kap., Rdn. 62 u. 2. Kap. Rdn. 178; AG Schöneberg, GE 1991, 253). Ob diese Kritik auch im Hinblick auf die vom Kammergericht für geboten erachtete verfassungsgemäße Interpretation der Regelung, die es verbiete, den Modernisierungsrückstand vorhandener Altbauten weitgehend auf dem Rücken des zahlungsschwachen Mieters abzubauen, gerechtfertigt ist, kann dahinstehen. Zutreffend erscheint es jedenfalls, daß gegen eine Auslegung Bedenken bestünden, die den Gesetzeszweck von vornherein unterlaufen würde und eine sachgerechte Modernisierung des Altbestandes von Wohnungen in nennenswertem Umfang nicht mehr zuließe (vgl. auch Vorlagebeschluß des LG Frankfurt/Main vom 25. Juni 1991, WuM 1991, 470 f.).
Werden in die Ermittlung des gängigen Standards jedoch von vornherein nur Gebäude vergleichbaren Alters und innerhalb einer Region einbezogen, so gebietet auch die erforderliche Abwägung der Vermieter- und Mieterinteressen jedenfalls nicht, die Anforderungen an die Annahme des gängigen Standards so hoch anzusetzen, wie es das Kammergericht für erforderlich hielt.
b) Allerdings kann es unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes auch nicht genügen, nur auf die Mehrzahl der Wohnungen (so Emmerich/Sonnenschein, aaO., und ihm folgend das vorlegende LG Heidelberg) abzustellen und schon denjenigen Zustand als ›allgemein üblich‹ anzusehen, der in mehr als der Hälfte aller Wohnungen vorhanden ist (Blömeke/Blümmel, aaO., Rdn. 53). Dem steht schon der Wortlaut, jedenfalls aber der Regelungszusammenhang, in dem § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB steht, entgegen. Aus dem Erfordernis des ›allgemein üblichen‹, gängigen Standards ergibt sich bereits nach dem natürlichen Sprachgebrauch eine höhere Anforderung. Selbst wenn man der Auffassung folgte, nicht nur ein einzelner, bestimmter Zustand, sondern unterschiedliche Erscheinungen, Konventionen und Zustände könnten gleichermaßen ›allgemein üblich‹ sein, widerspräche ein solches Verständnis jedenfalls dem Regelungszweck in § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGB. Der Gesetzgeber hat in § 541 b Abs. 1 1. Halbs. BGB ausdrücklich geregelt, daß bei der Prüfung der Duldungspflicht des Mieters auch die zu erwartende Mieterhöhung zu berücksichtigen ist. Demgegenüber stellt § 541 b Abs. 1 2. Halbs. BGH eine ausschließlich auf den Modernisierungsrückstand von älteren Wohnungen zugeschnittene Ausnahmeregelung dar. Dem würde es nicht gerecht, wenn diese Ausnahmevoraussetzungen stets schon dann bejaht würden, wenn nur wenig mehr als die Hälfte der maßgeblichen Wohneinheiten über eine bessere Ausstattung verfügt. Denn der Mieter müßte dann Modernisierungsmaßnahmen ohne Rücksicht auf die zu erwartende Mieterhöhung dulden, obwohl noch nahezu die Hälfte der verbleibenden Wohneinheiten eine mit seiner Wohnung vergleichbare geringere Ausstattung aufweist. Die ausgewogene Berücksichtigung auch der Interessen des Mieters erschiene bei dieser Auslegung nicht mehr hinreichend gewahrt, ohne daß andererseits bereits ein echter Modernisierungsrückstand erkennbar wäre, dessen Beseitigung unter allen Umständen der Vorrang eingeräumt werden müßte.
c) Nach allem kann als ›allgemein üblich‹ im Sinne von § 541 b Abs.1 2. Halbs. BGB nur ein Zustand angesehen werden, der bei deutlich mehr als nur der Hälfte der Mietwohnungen festzustellen ist. Eine deutliche Mehrheit ist anzunehmen, wenn mindestens 2/3 der maßgeblichen Wohneinheiten entsprechende Ausstattungsmerkmale aufweisen.
5. Ob die hier dargelegten Auslegungsgrundsätze auch dann gelten, wenn es um die Duldungspflicht des Mieters einer in den neuen Bundesländern belegenen Wohnung geht, oder ob insoweit im Hinblick auf die dort über Jahrzehnte unterschiedlich verlaufene wirtschaftliche Entwicklung und die sich daraus ergebenden erheblichen Unterschiede in der Ausstattung von Mietwohnungen etwas anderes gilt (vgl. zum Problem Harke, WuM 1991, 1, 6; Schultz, ZMR 1991, 1, 3; Fruth, WuM 1991, 9, 12), bedarf für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites keiner Beantwortung und bleibt deshalb offen.
Anmerkung von DirAG a.D. Prof. Dr. R. Haase, Leonberg/Tübingen, in JR 1992, 337; Entscheidungsbesprechung von RiAG Ulf Börstinghaus, Gelsenkirchen, in ZAP F. 4 R, S. 57.
Zu § 541 b BGB vgl. ferner: LG Fulda (Urteil - 1 S 173/91 - v. 24.1.1992, in MDR 1992, 577 = NJW-RR 1992, 658 = WM 1992, 243 = ZMR 1992, 393) - Klage des Vermieters gegen den Mieter auf Duldung der Installation einer Zentralheizung, die den in der Wohnung vorhandenen Gasofen ersetzen soll; KG (Beschluß - Ablehnung eines Rechtsentscheids - 8 RE-Miet 3166/92 - v. 16.7.1992, in WM 1992, 514 = ZMR 1992, 486) - Klage auf Zahlung erhöhten Mietzinses nach bewußter Duldung der Modernisierungsmaßnahme (hier: Einbau eines Personenaufzugs) durch den Mieter.
Fundstellen
Haufe-Index 2993118 |
BGHZ 117, 217 |
BGHZ, 217 |
DB 1992, 830 |
NJW 1992, 1386 |
BGHR BGB § 541b, Modernisierungsmaßnahmen 1 |
DRsp I(133)464a-b |
DWW 1992, 136 |
JR 1992, 333 |
WM 1992, 794 |
ZMR 1992, 234 |
JZ 1993, 623 |
JuS 1992, 694 |
MDR 1992, 476 |
NJ 1992, 459 |
WuM 1992, 181 |
BGH, HdM Nr. 26 |