Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit von Vollstreckungstitel und Antrag auf Pfändungsbeschluss
Leitsatz (redaktionell)
Soll ein gegen den Schuldner erwirkter Duldungstitel vollstreckt werden, reicht es aus, dass sich aus der Urteilsformel des Vollstreckungstitels die Geschäftsanteile ergeben, deren Verwertung der Schuldner zu dulden hat. Die Bezeichnung der zu vollstreckenden Forderung im Vollstreckungstitel ist nicht erforderlich.
Normenkette
BGB § 1277
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Beschluss vom 26.05.2003; Aktenzeichen 6 T 144/03) |
AG Wuppertal (Beschluss vom 13.02.2003) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Gläubigerin werden die Beschlüsse des LG Wuppertal v. 26.5.2003 und des AG Wuppertal v. 13.2.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren, an das AG zurückverwiesen.
Der Rechtspfleger darf den Erlass des Pfändungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.
Gründe
I.
Die Schuldnerinnen halten GmbH- und Kommanditanteile an den Drittschuldnerinnen. Sie haben ihre Geschäftsanteile mit privatschriftlichen und notariellen Verträgen zur Sicherung von Forderungen der Gläubigerin verpfändet.
Die Gläubigerin hat gegen die Schuldnerinnen Klage erhoben, die Verwertung ihrer Geschäftsanteile an den Drittschuldnerinnen nach § 1277 BGB zu dulden. Das LG Wuppertal und das OLG Düsseldorf haben die Schuldnerinnen (dort Beklagte zu 1 und 2) durch Urt. v. 20.3.2001 (LG) und 26.4.2002 (OLG) verurteilt, "die Verwertung folgender Geschäftsanteile nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zur Befriedigung der fälligen Forderungen der Klägerin gegenüber a) der T. GmbH & Co., b) der R. GmbH & Co., c) der S. GmbH & Co. KG zu dulden:
a) Geschäftsanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des AG P. unter HRB 10183 eingetragenen TT. mbH im Nennwert von 49.000 DM;
b) Geschäftsanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des AG P. unter HRB 12256 eingetragenen Logistikzentrum M. GmbH im Nennwert von 49.500 DM;
c) Kommanditanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des AG P. unter HRA 1776 eingetragenen TT. GmbH & Co. KG im Nennwert von 11.000 DM;
d) Kommanditanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des AG P. unter HRA 2281 eingetragenen Tr. GmbH & Co. KG im Nennwert von 11.000 DM;
e) Kommanditanteil der Beklagten zu 2 an der im Handelregister des AG P. unter HRA 1776 eingetragenen TT. GmbH & Co. KG im Nennwert von 38.500 DM;
f) Kommanditanteil der Beklagten zu 2 an der im Handelregister des AG P. unter HRA 2281 eingetragenen Tr. GmbH & Co. KG im Nennwert von 38.500 DM."
Die Gläubigerin hat am 25.7.2002 beim Vollstreckungsgericht einen Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses gestellt, weil ihr nach den vollstreckbaren Urteilen des LG Wuppertal und des OLG Düsseldorf "ein Anspruch auf Verwertung der Gesellschaftsanteile nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (zustehe), die mit diesem Pfändungsbeschluss gepfändet werden sollen". Das AG hat den Antrag durch Beschluss abgewiesen. Das LG hat die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die Gläubigerin verfolgt mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde den Erlass des Pfändungsbeschlusses weiter.
II.
Das gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Beschlüsse des Land- sowie des AG und zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts sind die der Zwangsvollstreckung zu Grunde liegenden Titel des LG Wuppertal und des OLG Düsseldorf zu unbestimmt, um eine Vollstreckung aus ihnen durchführen zu können. Die zu vollstreckenden Forderungen der Gläubigerin seien in dem Antrag und den vorgelegten Vollstreckungstiteln nicht ausreichend bezeichnet. Den beiden Urteilsformeln sei lediglich zu entnehmen, dass die Schuldnerinnen der Verwertung der Gesellschaftsanteile nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zu dulden hätten, und zwar zur Befriedigung der fälligen Forderungen der Gläubigerin gegenüber den in den Urteilsformeln aufgeführten Firmen. Dabei würden weder die Forderungen der Gläubigerin nach Art und Betrag genannt, noch seien die weiteren Schuldner der Gläubigerin ausreichend bezeichnet, weil deren Adressen fehlten. Die Lücke in den Urteilsaussprüchen der beiden zugrunde liegenden Titel könne auch nicht durch Auslegung anhand der Entscheidungsgründe geschlossen werden. Zwar enthielten beide Urteile im Rahmen der Ausführungen zur Pfandreife auch Angaben zur Höhe der Forderungen bei Fälligstellung durch die Gläubigerin. Da diese Fälligstellung teilweise jedoch schon mehrere Jahre zum Zeitpunkt des Urteilserlasses zurückgelegen habe, gäben diese Beträge wenig Aufschluss über die aktuelle Höhe der Forderungen der Gläubigerin.
Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, der zu vollstreckende Anspruch sei vorliegend derjenige auf Duldung der Verwertung der in den beiden Titeln genau bezeichneten Gesellschaftsanteile. Da diese Anteile ausweislich der Titel jeweils vollen Umfangs zu verwerten seien, stünden Inhalt und Umfang der zu duldenden Pfändung und des Pfandrechts ohne weiteres fest.
2. Die Rechtsbeschwerde hat Recht.
a) Das Beschwerdegericht hat zu hohe Anforderungen an die Bestimmtheit des Vollstreckungstitels und an den Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses gestellt. Ein Vollstreckungstitel muss den zu vollstreckenden Anspruch inhaltlich derart konkret bezeichnen, dass das Vollstreckungsorgan in die Lage versetzt wird, allein mit dem Titel die Vollstreckung durchzuführen (Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rz. 485 f., 496, 498f.; 509 m.w.N.). Das Beschwerdegericht verkennt jedoch, dass es im vorliegenden Fall nicht um die Vollstreckung der durch die die Verpfändung der Geschäftsanteile gesicherten Forderung geht, sondern um die Vollstreckung des gegen die Schuldnerinnen erwirkten Duldungstitels. Bei dieser Sachlage reicht es aus, dass sich aus den Urteilsformeln der Urteile des Land- und OLG die Geschäftsanteile ergeben, deren Verwertung die Schuldnerinnen zu dulden haben.
Soweit das Beschwerdegericht die Titel von Land- und OLG für zu unbestimmt hält, weil darin weder die ursprünglichen Forderungen der Gläubigerin nach Art und Betrag genannt noch die Adressen der weiteren Schuldner der Gläubigerin angegeben seien, sind dies Umstände, die außerhalb des Vollstreckungstitels liegen und - wie das Beschwerdegericht selbst ausführt - ohnehin vom Vollstreckungsgericht nicht überprüft werden können.
b) Im übrigen hätte das Beschwerdegericht seine Zweifel an dem Bestehen der Forderungen der Gläubigerin dadurch überwinden können, dass es die Urteilsgründe zur Auslegung des Vollstreckungstitels und des Antrags herangezogen hätte. Sie ergeben sowohl die ursprüngliche Höhe der von der Gläubigerin am 4.9.1996 bzw. am 1.2.2000 fällig gestellten Kreditforderungen als auch die als unstreitig behandelte Feststellung, dass sich die Forderungen zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung auf Grund des Zeitablaufs seit Fälligstellung sogar erhöht haben und die Verwertung der vorhandenen Sicherheiten keine ausreichende Befriedigung der Forderungen erbracht hat (LGU, S. 13, 14). Aus dem Urteil des OLG ergibt sich, dass die Schuldnerinnen nicht in Abrede gestellt haben, "dass die bereits erzielten Erlöse aus der Verwertung weiterer Sicherheiten sich bis zum 6.12.2001 auf lediglich 40.284.000 DM belaufen und nicht zum Erlöschen ihrer an diesem Stichtag offenen Forderungen i.H.v. 80.991.000 DM und damit auch ihrer Pfandrechte geführt haben" (OLGU, S. 17). Da das OLG auch eine Übersicherung ausgeschlossen hat, ist der Pfändungsantrag nicht aus den Gründen der angefochtenen Beschlüsse abzulehnen.
Fundstellen