Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 27.01.2003) |
Tenor
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 27. Januar 2003 und die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil werden als unzulässig verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten der Rechtsbehelfe zu tragen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in zwei Fällen und vorsätzlichen Bankrotts unter Einbeziehung früherer Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist und seine Revision bleiben ohne Erfolg.
I.
Der Angeklagte und sein Verteidiger haben im Anschluß an die Verkündung des Urteils am 27. Januar 2003 jeder für sich erklärt, daß auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet werde. Der Angeklagte hat gegen das Urteil mit einem am 16. September 2004 beim Landgericht eingegangenen Schreiben Revision eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Revisionseinlegung beantragt. Den Wiedereinsetzungsantrag begründet er damit, daß „die Forderung, diesen Rechtsmittelverzicht zu erklären, ein Bestandteil der Absprache war”. Zur Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO macht der Angeklagte geltend, daß ihm der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2003 – 3 StR 368/02, 3 StR 415/02 (NJW 2003, 3426) – erst am 13. September 2004 zur Kenntnis gelangt sei. Mit diesem in anderer Sache als Anfrage nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG ergangenen Beschluß hat der 3. Strafsenat seine Absicht erklärt, zu entscheiden: „Die Erklärung des Angeklagten, auf Rechtsmittel zu verzichten, ist unwirksam, wenn ihr eine Urteilsabsprache vorausgegangen ist, in der unzulässigerweise (BGHSt 43, 195, 204) ein Rechtsmittelverzicht versprochen worden ist.”
Entscheidungsgründe
II.
Der Wiedereinsetzungsantrag versagt.
1. Er ist bereits unzulässig. Der Angeklagte hat seine Behauptung, daß „die Forderung, diesen Rechtsmittelverzicht zu erklären, ein Bestandteil der Absprache war,” weder in seinem Antrag vom 16. September 2004 noch in seinem am 19. November 2004 beim Landgericht Chemnitz eingegangenen Schreiben nebst Anlage glaubhaft gemacht. Die Richtigkeit der Behauptung ergibt sich auch nicht aus dem Hauptverhandlungsprotokoll oder dem angefochtenen Urteil.
2. Im übrigen wäre der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet.
Allerdings hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs durch Beschluß vom 3. März 2005 – GSSt 1/04 – folgende Grundsätze aufgestellt: (1.) Das Gericht darf im Rahmen einer Urteilsabsprache an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichts nicht mitwirken und auf einen solchen Verzicht auch nicht hinwirken. (2.) Nach jedem Urteil, dem eine Urteilsabsprache zugrunde liegt, ist der Rechtsmittelberechtigte, der nach § 35a Satz 1 StPO über ein Rechtsmittel zu belehren ist, stets auch darüber zu belehren, daß er ungeachtet der Absprache in seiner Entscheidung frei ist, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Das gilt auch dann, wenn die Absprache einen Rechtsmittelverzicht nicht zum Gegenstand hatte. (3.) Der nach einer Urteilsabsprache erklärte Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels ist unwirksam, wenn der ihn erklärende Rechtsmittelberechtigte nicht qualifiziert belehrt worden ist.
Indes hätte die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts im Rahmen einer Urteilsabsprache oder ein Hinwirken des Gerichts auf einen Rechtsmittelverzicht wie auch das Fehlen einer qualifizierten Belehrung lediglich die Wirkung, daß der erklärte Rechtsmittelverzicht unwirksam wäre, so daß dem Angeklagten die einwöchige Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) zur Verfügung gestanden hätte. Für eine etwaige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision wären die genannten Umstände ohne Bedeutung.
Insoweit ist auch die vom Angeklagten als vermeintlicher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte späte Kenntnisnahme von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ohne Relevanz; denn in der Unkenntnis des Angeklagten oder seines Verteidigers von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (oder gar von dem genannten Beschluß des Großen Senates für Strafsachen) liegt keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO (BGH aaO).
III.
Danach ist die Revision unzulässig, weil verspätet eingelegt (§ 341 Abs. 1 StPO).
Unterschriften
Harms, Häger, Gerhardt, Raum, Brause
Fundstellen
Haufe-Index 2557098 |
wistra 2005, 310 |
NJ 2005, 506 |
NStZ-RR 2007, 3 |
StV 2005, 373 |