Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 08.01.2018) |
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 8. Januar 2018 wird verworfen.
2. Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss wird zurückgewiesen.
3. Von der Auferlegung von Gebühren und gerichtlichen Auslagen des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird abgesehen.
Gründe
Rz. 1
Das Amtsgericht hat gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 des Polizeigesetzes für Baden-Württemberg (PolG BW) angeordnet, den Betroffenen für zehn Stunden und 50 Minuten in Schutzgewahrsam zu nehmen und sodann zu entlassen, weil er 50 Minuten zuvor von Polizeibeamten „sinnlos betrunken … angetroffen” worden sei. Die nach Beendigung der Freiheitsentziehung auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des anordnenden Beschlusses gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der mit eigenhändigem Schreiben (unbedingt) eingelegten Rechtsbeschwerde, für die er zugleich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Beidem bleibt der Erfolg versagt.
Rz. 2
1. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
Rz. 3
a) Sie ist schon nicht statthaft; denn die Vorschriften über dieses Rechtsmittel im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 70 ff. FamFG) finden keine Anwendung.
Rz. 4
Die §§ 70 ff. FamFG gelten als – im dortigen Buch 1 enthaltene – allgemeine Vorschriften zunächst für die in den weiteren Büchern näher geregelten Verfahren und für alle weiteren Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit diese durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen sind (§ 1 FamFG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei dem vom Amtsgericht angeordneten Schutzgewahrsam nicht um eine Freiheitsentziehungssache nach §§ 415 ff. FamFG; diese Vorschriften betreffen grundsätzlich nur aufgrund von Bundesrecht angeordnete Freiheitsentziehungen (§ 415 Abs. 1 FamFG; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 – StB 21/10, NJW 2011, 690 f.). Rechtsgrundlage für die Ingewahrsamsnahme des Betroffenen war § 28 PolG BW und damit eine landesgesetzliche Bestimmung. Soweit § 28 Abs. 4 Satz 2 PolG BW für den Gewahrsam eine entsprechende Anwendung des FamFG vorsieht, bezieht sich die Verweisung seit der Gesetzesänderung vom 13. August 2014 nunmehr eindeutig ausschließlich auf die Regelungen in dessen allgemeinen Teil, nicht auf die speziellen Regelungen betreffend die Verfahren in Freiheitsentziehungssachen in Buch 7 des FamFG (LT-Drucks. 15/2434, S. 33; vgl. BGH, Beschluss vom 8. September 2016 – StB 26/16, NStZ-RR 2017, 24).
Rz. 5
Aber auch aufgrund der in den maßgebenden landesgesetzlichen Vorschriften enthaltenen Verweisung auf die verfahrensrechtlichen Normen des Buches 1 des FamFG finden die §§ 70 ff. FamFG keine Anwendung. § 28 Abs. 4 Satz 2 PolG BW bestimmt für das Verfahren der gerichtlichen Ingewahrsamsnahme nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG BW eine entsprechende Anwendung nur der Abschnitte 1 bis 3 sowie 6, 7 und 9 des Buches 1 FamFG. Die Vorschrift betrifft nicht die Rechtsbeschwerde, die im Abschnitt 5 Unterabschnitt 2 dieses Buches normiert ist. Vielmehr sieht § 28 Abs. 4 Satz 7 PolG BW im Fall der amtsgerichtlichen Ingewahrsamsnahme allein das Rechtsmittel der Beschwerde vor, für das die entsprechende Geltung der Regelungen des Buches 1 Abschnitt 5 Unterabschnitt 1 des FamFG bestimmt ist (vgl. LT-Drucks. 14/4110, S. 36; BGH, Beschluss vom 8. September 2016 – StB 26/16, NStZ-RR 2017, 24).
Rz. 6
b) Die Rechtsbeschwerde ist außerdem deshalb unzulässig, weil der Betroffene nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG).
Rz. 7
2. Mangels Statthaftigkeit des vom Angeklagten eingelegten Rechtsmittels ist auch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu versagen (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 1 FamFG).
Rz. 8
3. Von der Erhebung von Gerichtskosten ist indes gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abzusehen, weil sie bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären.
Rz. 9
Eine die Kostenerhebung ausschließende unrichtige Sachbehandlung liegt auch dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung eine unzutreffende Belehrung über das vom Kostenschuldner eingelegte Rechtsmittel enthält, ohne die er dieses nicht betrieben hätte (vgl. BAG, Beschluss vom 15. Dezember 1986 – 2 AZR 289/86, AP GKG 1975 § 8 Nr. 1; BeckOK Kostenrecht/Dörndorfer, § 21 GKG Rn. 4 mwN). So liegt es hier: Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart endete mit einer „Rechtsbehelfsbelehrung”, der zufolge „gegen diesen Beschluss … die Rechtsbeschwerde nach §§ 70 ff. FamFG statthaft” sei. Dafür, dass sich der Betroffene auch ohne die unzutreffende Belehrung an den Bundesgerichtshof gewandt hätte, besteht kein Anhalt; dies liegt vielmehr fern.
Unterschriften
Becker, Gericke, Spaniol, Berg, Hoch
Fundstellen
Haufe-Index 11767128 |
NStZ-RR 2018, 262 |