Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 15.12.2020; Aktenzeichen 25 KLs 839 Js 83602/19 (40/20)) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 15. Dezember 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat nach der Entscheidung des Senats vom 23. September 2020 erneut die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
Rz. 2
1. Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, dass der Beschuldigte unter einer paranoiden Schizophrenie leide. Er sei bei der Tat nicht ausschließbar steuerungsunfähig gewesen, weil ein akuter Schub dazu geführt habe, dass er seine Triebe krankheitsbedingt nicht mehr ausreichend habe kontrollieren können. Die Unterbringung gemäß § 63 StGB sei geboten, weil das Risiko weiterer Straftaten als hoch einzuschätzen sei, solange die floride psychotische Symptomatik andauere, was trotz einer Verbesserung des Zustands der Fall sei.
Rz. 3
2. Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Gefährlichkeitsprognose begegnet durchgreifenden Bedenken.
Rz. 4
Abgesehen davon, dass nicht deutlich wird, ob die Strafkammer ihrer Prognose § 63 Satz 1 oder 2 StGB zugrunde gelegt hat, ist die Feststellung, „es sei wahrscheinlich, dass es im Rahmen einer floriden psychotischen Symptomatik auch in Zukunft zu anderen gewalttätigen Delikten – auch gegen andere Personen – kommen werde”, nicht ausreichend belegt. Im Hinblick darauf, dass der Beschuldigte weder vorbestraft noch anderweitig durch Gewalttätigkeiten aufgefallen ist, genügt allein die – zudem im Grenzbereich der Erheblichkeit anzusiedelnde – Anlasstat nicht, um seine Gefährlichkeit zu begründen. Soweit die Strafkammer ergänzend auf zwei Begebenheiten vom 30. Januar und 4. Februar 2020 abgestellt hat, bei denen der Beschuldigte sexualisiertes Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen des Maßregelvollzugs gezeigt haben soll, sind diese nicht rechtsfehlerfrei festgestellt und durften daher für die Gefährlichkeitsprognose nicht herangezogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2020 – 4 StR 556/19). Die Strafkammer hat ihre Überzeugungsbildung insoweit ausschließlich auf das Zeugnis des Sachverständigen gestützt, ohne mitzuteilen, auf welchen Erkenntnissen seine Aussage beruht.
Rz. 5
Auch die Feststellungen, dass die paranoide Schizophrenie gegenwärtig noch nicht ausreichend stabil behandelt sei sowie beim Beschuldigten die Krankheits- und Behandlungseinsicht fehle, sind nicht nachvollziehbar dargelegt. Dass die Strafkammer diese Befunde durch die Vernehmung des den Beschuldigten behandelnden medizinischen Personals gewonnen hat, lässt sich den Urteilsgründen ebenso wenig entnehmen wie die Erkenntnisquellen des Sachverständigen, zumal es keinen Hinweis auf eine erneute Exploration des Beschuldigten gibt.
Rz. 6
3. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO die Sache an ein anderes Landgericht zu verweisen. Für die neue Hauptverhandlung weist er auf Folgendes hin:
Rz. 7
a) Das neue Tatgericht wird zu beachten haben, dass die objektiven Feststellungen aus dem Urteil vom 27. April 2020 bestandskräftig sind.
Rz. 8
b) Maßgebender Beurteilungszeitpunkt für die Gefährlichkeitsprognose ist die Situation im Zeitpunkt des Urteils (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2019 – 4 StR 530/18; vom 23. Januar 2018 – 5 StR 488/17). Das Tatgericht wird sich – naheliegend unter Beteiligung eines anderen Sachverständigen – auch mit Blick auf § 67b StGB eingehender als bislang geschehen mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Wirkungen die seit November 2019 durchgeführte Behandlung zeigt.
Unterschriften
Sander, König, Feilcke, Tiemann, von Schmettau
Fundstellen
Haufe-Index 14487942 |
ZAP 2021, 693 |
NStZ-RR 2021, 278 |