Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 13.12.2011) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 13. Dezember 2011 wirksam zurückgenommen ist.
Der Antrag des Beschuldigten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die vom Verteidiger rechtzeitig eingelegte Revision hat dieser mit Schriftsatz vom 23. Februar 2012 zurückgenommen. Hiergegen hat sich der Beschuldigte mit Schreiben vom 28. Februar 2012 gewandt und vorgetragen, er habe „die Revision nicht … einstellen lassen und auch nicht über den Pflichtverteidiger” …, weil er „mit ihm diesbezüglich keine Absprachen getroffen habe”. Außerdem bitte er „um Wiedereinsetzung in den alten Stand, d.h. Unterbringung gemäß § 126a StPO”. Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 14. März 2012 erklärt, dass er bei dem letzten Gespräch mit dem Beschuldigten „aufgrund der Diskussion über die Erfolgsaussichten der Revision und der daraufhin von Herrn S. getätigten Aussagen unmissverständlich davon ausgehen” musste, dass „die Revision nicht durchgeführt werden soll”.
Rz. 2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„Wird die Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten bestritten, ist in der Regel eine feststellende Klärung durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (BGH NStZ 2001, 104; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8). Diese führt hier zur deklaratorischen Feststellung, dass die Revision des Beschuldigten vom 16. Dezember 2011 am 23. Februar 2012 durch seinen Verteidiger, Rechtsanwalt V., wirksam zurückgenommen wurde.
1. Der Verteidiger war zur Rechtsmittelrücknahme wirksam ermächtigt. Dies ergibt sich schlüssig aus seinem Vortrag mit Schriftsatz vom 14. März 2012 (Bl. 97, Band II d. A.). Danach musste der Verteidiger unmissverständlich nach einer Diskussion der Erfolgsaussichten davon ausgehen, dass die Revision nicht durchgeführt werden soll. Zweifel an der Darstellung des Verteidigers bestehen nicht und ergeben sich auch nicht daraus, dass sich der Beschuldigte von der Revisionsrücknahme überrascht zeigt und eine Ermächtigung in Abrede stellt. Für die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben. Sie kann auch mündlich erfolgen und braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden (BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 6). Für den Nachweis der Ermächtigung, der noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden kann, genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (BGH NStZ-RR 2010, 55; NStZ-RR 2005, 211, 212; NStZ 2001, 104; BGH, Beschluss vom 13. September 2007 – 4 StR 394/07).
Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der Ermächtigung ergeben sich nicht deshalb, weil die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten nach den Urteilsfeststellungen im Tatzeitpunkt nicht sicher ausschließbar vollständig aufgehoben war (UA S. 14). Eine wirksame Ermächtigung setzt lediglich voraus, dass der Ermächtigende bei Abgabe seiner Erklärung verhandlungsfähig im Sinne des Strafverfahrensrechts und in der Lage ist, die Bedeutung von Prozesserklärungen zu erkennen (BGH NStZ 83, 280). Weder die Urteilsgründe noch das Hauptverhandlungsprotokoll ergeben einen Hinweis darauf, dass der Beschuldigte verhandlungsunfähig war. Er hat aktiv an der Verhandlung mitgewirkt und sich zum Tatvorwurf eingelassen. Hatte das Tatgericht – wie hier – keine Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, so kann diese grundsätzlich auch vom Revisionsgericht bejaht werden (Senat NStZ-RR 2002, 101 f.; BGH NStZ 1984, 181; NStZ 1996, 297). Hinzu kommt, dass die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten ausweislich der Urteilsfeststellungen zum Tatzeitpunkt weder erheblich vermindert noch aufgehoben war, und der Beschuldigte trotz seiner wahnhaften Erkrankung moralische Normen und Werte nennen und begründen konnte (UA S. 13). Anhaltspunkte dafür, dass sich nach der Hauptverhandlung Änderungen im psychischen Zustand des Beschuldigten ergeben haben, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
Die am 5. März 2012 beim Landgericht Oldenburg eingegangene und als Widerruf anzusehende Erklärung des Beschuldigten, wonach er mit seinem Verteidiger keine Absprache betreffend die Rücknahme der Revision getroffen habe und Rechtsanwalt V. keine ‚Auftragsbestätigung hinsichtlich der Aufhebung der Revision’ erhalte, vermag nicht zum Erlöschen der dem Verteidiger erteilten Ermächtigung zu führen, weil sie nicht vor der Rücknahmeerklärung bei Gericht eingegangen ist (vgl. Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 303 Rdnr. 35 mwN).
2. An die danach wirksame Rücknahme der Revision ist der Beschuldigte gebunden; sie ist unwiderruflich und unanfechtbar (BGH NStZ 1983, 280, 281). Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschuldigten ist unzulässig. Das Revisionsverfahren ist durch die wirksame Rücknahme des Rechtsmittels abgeschlossen (BGH NStZ-RR 2010, 55; NStZ 2001, 104).
3. Im Übrigen wäre die Revision bei unterstellter Unwirksamkeit der Rücknahme unzulässig, weil sie entgegen § 344 StPO nicht begründet worden ist (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 3). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist lägen mangels formgerechtem Antrag (§§ 45 Abs. 2 Satz 2, 344 Abs. 1, 2 Satz 1, 345 Abs. 2 StPO) nicht vor.”
Rz. 3
Dem schließt sich der Senat an.
Unterschriften
Becker, Pfister, Hubert, Mayer, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 3115210 |
NStZ-RR 2012, 318 |
NStZ-RR 2012, 5 |
StRR 2012, 423 |