Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 27.04.2011) |
Tenor
Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf der mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 27. April 2011 bewilligten Reststrafenaussetzung zur Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf.
Gründe
Rz. 1
1. Der Verurteilte befand sich zur Vollstreckung zweier Freiheitsstrafen aus Urteilen des Amtsgerichts Aachen seit Oktober 2010 in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf. Mit Beschluss vom 27. April 2011 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf nach Teilverbüßung die Vollstreckung der Reststrafen zur Bewährung aus.
Rz. 2
Am 15. September 2011 teilte der zuständige Bewährungshelfer dem Landgericht Düsseldorf mit, dass sich der Proband wegen zwischenzeitlich begangener schwerer Straftaten in Untersuchungshaft befand. Auf entsprechende Berichtsanfrage des Landgerichts Düsseldorf informierte der Bewährungshelfer über den Fortgang des Verfahrens, das mit Urteil des Landgerichts Aachen vom 12. März 2012 – rechtskräftig seit dem 22. November 2012 – endete. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verbüßt der Verurteilte seitdem in der Justizvollzugsanstalt Aachen.
Rz. 3
Mit Beschlüssen vom 23. Januar 2013 hat das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Düsseldorf die weitere, die Strafaussetzung zur Bewährung betreffenden Entscheidungen aus den Urteilen des Amtsgerichts Aachen an das Landgericht Aachen – Strafvollstreckungskammer – abgegeben.
Rz. 4
Am 12. Februar 2013 beantragte die Staatsanwaltschaft Aachen bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen, die dem Verurteilten durch Beschluss des Landgerichts – Strafvollstreckungskammer – Düsseldorf vom 27. April 2011 gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Aachen zu widerrufen. Das Landgericht Aachen hält die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf für zuständig, das die Akten gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt hat.
Rz. 5
2. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt:
„Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen (§ 14 StPO).
Für die Beantwortung der – hier streitigen – Frage, welche Strafvollstreckungskammer für die beantragte Widerrufsentscheidung örtlich zuständig ist, ist auszugehen von dem Grundsatz, dass für anstehende Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in der sich der Verurteilte befindet oder zuletzt befand (KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 14f.). Diese Regelung der örtlichen Zuständigkeit wird durch § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO dahingehend präzisiert, dass insofern abzustellen ist auf den Zeitpunkt, zu dem eine erstmalige Befassung mit der konkreten Angelegenheit – hier mit dem Widerruf der Bewährung – gegeben war (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2006 – 2 ARs 302/06, NStZ-RR 2007, 94; KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 462a Rn. 16; Meyer-Goßner StPO 55. Auflage 2012 § 462a Rn. 9). Eine mit der ersten Befassung in der Sache begründete örtliche Zuständigkeit wird, soweit es diese konkrete Sache anbelangt, durch eine Verlegung des Verurteilten in eine in einem anderen Landgerichtsbezirk befindliche Justizvollzugsanstalt beziehungsweise durch eine neuerliche Aufnahme eines Verurteilten in den Strafvollzug nicht berührt (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 – 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 ARs 164/12; Meyer-Goßner StPO 55. Auflage 2012 § 462a Rn. 13).
Vor diesem Hintergrund ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf für die Entscheidung über den beantragten Widerruf der durch Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 27. April 2011 gewährten Reststrafenaussetzung zur Bewährung örtlich zuständig. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf war mit dieser Sache bereits befasst, bevor der Verurteilte in neuerliche Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Aachen aufgenommen wurde. Eine Befassung im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO liegt nicht erst dann vor, wenn die betreffende Strafvollstreckungskammer tatsächlich tätig wird, sondern bereits dann, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine Entscheidung – hier einen Widerruf – unter Umständen erforderlich machen (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 – 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 2 ARs 441/10, BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 ARs 164/12, KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17).
Solche Tatsachen wurden bereits vor Beginn der neuerlichen Strafhaft des Verurteilten am 22. November 2012 aktenkundig, also zu einem Zeitpunkt, als die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf noch im Rahmen ihrer Fortwirkungszuständigkeit örtlich zuständig war. Mit Schreiben vom 14. September 2011, eingegangen beim Landgericht Düsseldorf am 15. September 2011, teilte der Bewährungshelfer zu den Bewährungsheften mit, das sich der Verurteilte wegen des dringenden Tatverdachts neuer Straftaten seit dem 24. August 2011 in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf in Untersuchungshaft befindet (Bl. 22 BewH 501 Js 302/06 und Bl. 25 BewH 601 208/10). Unerheblich ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, ob es tatsächlich zu einer Verurteilung kommt. Denn befasst ist das Gericht auch dann, wenn die Kammer zunächst nicht veranlasst, sondern den Ausgang des neuen Verfahrens abwartet, aus dem sich Widerrufsgründe ergeben können (OLG Düsseldorf NStZ 1982, 47; KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). So ist die bislang zuständige Strafvollstreckungskammer mit der Frage des Bewährungswiderrufs schon dann befasst, wenn ein Bewährungshelfer mitteilt, sein Proband befinde sich in Untersuchungshaft (BGH, Beschluss vom 22. November 2000 – 2 ARs 302/00, KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). Vorliegend war der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf aufgrund der Mitteilung des Bewährungshelfers vom 14. September 2011 bekannt, dass der Angeklagte unter anderem einer räuberischen Erpressung, mithin eines Verbrechens, dringend verdächtig war, so dass Anlass bestand, die Frage des Bewährungswiderrufs von Amts wegen zu prüfen.”
Rz. 6
Dem schließt sich der Senat an.
Unterschriften
Becker, Fischer, Appl, Berger, Eschelbach
Fundstellen
Haufe-Index 4799974 |
NStZ-RR 2013, 390 |