Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 15.11.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster (Westf.) vom 15. November 2017 wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte in den Fällen II. 4 und II. 6 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung in zwei Fällen, Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen, Missbrauchs von Notrufen und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a Satz 1 StGB in den Fällen II. 4 und II. 6 der Urteilsgründe kann schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht in beiden Fällen keine Feststellungen zu der für einen Schuldspruch erforderlichen Gefährdung des Zwecks der Maßregel getroffen hat.
Rz. 3
a) § 145a Satz 1 StGB setzt voraus, dass durch den Weisungsverstoß eine Gefährdung des Maßregelzwecks eingetreten ist. Dies ist dann der Fall, wenn sich dadurch die Gefahr weiterer Straftaten erhöht oder die Aussicht ihrer Abwendung verschlechtert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2017 – 2 StR 31/17, StraFo 2017, 512; Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72, 75; Beschluss vom 28. Mai 2008 – 1 StR 243/08, NStZ-RR 2008, 277, 278). Dazu bedarf es eines am Einzelfall orientierten Wahrscheinlichkeitsurteils, das neben dem sonstigen Verhalten des Angeklagten auch die konkrete spezialpräventive Zielsetzung der verletzten Weisung in den Blick nimmt (Einzelheiten bei Roggenbuck in: LK-StGB, 12. Aufl., § 145a Rn. 18 ff. mwN).
Rz. 4
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass der nach der Erledigung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unter Führungsaufsicht stehende Angeklagte gegen die ihm vom Landgericht Paderborn mit Beschlüssen vom 19. Dezember 2014 und 30. Juli 2015 erteilten strafbewehrten Weisungen, „sich unangekündigten Drogentests nach Weisung des Bewährungshelfers zu unterziehen” und keinen Alkohol zu sich zu nehmen, verstoßen hat, indem er einer Aufforderung seiner Bewährungshelferin vom 16. Februar 2016, innerhalb von drei Tagen ein Drogenscreening vorzulegen, nicht nachkam (Fall II. 4 der Urteilsgründe) und am 10. März 2016 alkoholisiert war (Blutalkoholkonzentration 0,36 Promille; Fall II. 6 der Urteilsgründe). Inwieweit diese Verstöße die Gefahr weiterer Straftaten erhöht oder die Aussicht ihrer Abwendung verschlechtert haben könnten, teilt das Urteil nicht mit. Dies liegt hier auch nicht auf der Hand. Ob und inwieweit die einmalige Missachtung einer Weisung, sich einem Drogenscreening zu unterziehen, die Gefahr weiterer Straftaten erhöht, kann nur mit Blick auf das übrige Verhalten des Täters beantwortet werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72, 75). Hinsichtlich des gegen die Abstinenzweisung verstoßenden Alkoholkonsums sprechen die von der Strafkammer zur Ablehnung einer Anordnung nach § 64 StGB getroffenen Feststellungen sogar gegen die Annahme einer Gefährdung des Maßregelzwecks. Danach sind die Anlassstraftaten auf die bei dem Angeklagten festgestellte Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang mit einer drogeninduzierten Psychose zurückzuführen. Der Suchtmittelkonsum war daneben lediglich sekundär (UA 27).
Rz. 5
2. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II. 4 und II. 6 der Urteilsgründe (Einzelstrafen von jeweils acht Monaten Freiheitsstrafe) zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Rz. 6
3. Für die Neuverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
Rz. 7
Ein Weisungsverstoß unterfällt nur dann dem objektiven Tatbestand des § 145a Satz 1 StGB, wenn die fragliche Weisung rechtsfehlerfrei ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2015 – 5 StR 275/15, StV 2017, 36; Urteil vom 7. Februar 2013 – 3 StR 486/12, BGHSt 58, 136 mwN). Dies ist in den Urteilsgründen vollständig darzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2016 – 2 StR 512/15, BGHR StGB § 145a Bestimmtheit 2). Dabei wird hinsichtlich der Weisung, ein Drogenscreening vorzulegen, näher als bisher darauf einzugehen sein, ob die sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz ergebenden Anforderungen erfüllt sind (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. August 2015 – 5 StR 275/15, StV 2017, 36; Urteil vom 7. Februar 2013 – 3 StR 486/12, Rn. 4 insofern nicht abgedruckt in BGHSt 58, 136; Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72 Rn. 18 [Meldeweisung]; Roggenbuck in: LK-StGB, 12. Aufl., § 145a Rn. 8 ff.). In Bezug auf die Abstinenzweisung wird sich der neue Tatrichter mit der Frage zu befassen haben, ob bei ihrer Erteilung gegenüber dem psychisch kranken Angeklagten der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wurde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2016 – 2 BvR 496/12, NJW 2016, 2170 mwN).
Rz. 8
4. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 24. Januar 2018 angeführten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Franke, Quentin, Feilcke
Fundstellen
Haufe-Index 11882437 |
NStZ-RR 2018, 309 |