Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 30.04.2018) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. April 2018 wird das vorgenannte Urteil, soweit es diese beiden Angeklagten betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- im Strafausspruch zu Tat III.2 der Urteilsgründe und
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung hinsichtlich beider Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Während die Verfahrensbeanstandungen nicht ausgeführt und daher nicht in zulässiger Weise erhoben sind, haben die Rechtsmittel jeweils mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Soweit das Landgericht die Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen (Tat III.1.c der Urteilsgründe) verurteilt hat, halten der Schuld- und der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 3
2. Im Hinblick auf die Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen (Tat III.2 der Urteilsgründe) hat nur der Schuldspruch Bestand. Hingegen unterliegt bei beiden Angeklagten der Strafausspruch zu dieser Tat der Aufhebung, weil die Begründung, mit der das Landgericht bei der Strafrahmenwahl das Vorliegen der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB verneint hat, rechtlicher Prüfung nicht standhält.
Rz. 4
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurden durch die von den Angeklagten gemeinsam mit ihrem mitangeklagten Bruder verübte Tat die Geschädigten R. und W. verletzt. Ein drittes Mitglied der gegnerischen Gruppe, C., konnte hingegen fliehen und blieb unverletzt. In der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt, ein Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a Nr. 1 StGB sei nicht zustande gekommen. Zwar hätten die Zeugen R., W. und der weitere Geschädigte J. die Entschuldigung der Angeklagten und deren Geldzahlung angenommen, jedoch habe der Zeuge C. die Leistungen der Angeklagten nicht als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert.
Rz. 5
b) Damit hat die Strafkammer an das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 46a Nr. 1 StGB einen unzutreffenden Maßstab angelegt.
Rz. 6
Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Sind durch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss zwar nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Februar 2018 – 5 StR 535/17, NStZ 2018, 276 mwN). Jedoch ist Verletzter oder Geschädigter im Sinne dieser Regelung – nur – die Person, die als direkte Folge der strafbaren Handlung oder Unterlassung einen Schaden erlitten hat. Der strafzumessungsrelevante Ausgleich, der nach § 46a StGB zu einer Milderung der Strafe führen kann, knüpft schon nach dem Wortlaut der Norm an die als Folge der Straftat entstandene Beziehung zwischen dem Täter und dem Träger des verletzten Rechtsguts an. So sind etwa auch Hinterbliebene nicht ‚Verletzte’ im Sinne des Täter-Opfer-Ausgleichs (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 144/18 Rn. 7). Dafür sprechen auch der Wille des Gesetzgebers, der sich begrifflich an die in § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG enthaltene Definition angelehnt hat, sowie Sinn und Zweck der Vorschrift, die im Hinblick auf den im Einzelfall in Betracht kommenden Personenkreis zu unbestimmt zu werden drohte, würde jeder von einer Straftat nur mittelbar Betroffene vom Kreis der Verletzten erfasst (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 144/18).
Nach Maßgabe dessen kam es auf die unterbliebene Aussöhnung mit dem von der Tat nicht unmittelbar betroffenen C. nicht an. Im Hinblick auf die durch die gefährliche Körperverletzung Geschädigten hat das Landgericht die Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs demgegenüber als gegeben angesehen, so dass eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1 StGB möglich gewesen wäre.”
Rz. 7
Dem tritt der Senat bei. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass er auf dem aufgezeigten Rechtsfehler bei der Strafrahmenwahl beruht.
Rz. 8
Eine eigene Strafzumessungsentscheidung des Senats gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO kommt in dieser Konstellation nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2019 – 4 StR 2/19, juris Rn. 6; vom 18. Mai 2010 – 3 StR 140/10, NStZ 2010, 714).
Rz. 9
3. Die Aufhebung der Einzelstrafe für Fall III.2 der Urteilsgründe zieht bei beiden Angeklagten die Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
Rz. 10
4. Der Senat verweist die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer zurück, da ein die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründender Tatvorwurf nicht mehr besteht (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 – 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit in BGHSt 40, 251 nicht abgedruckt; Beschluss vom 15. März 2011 – 5 StR 44/11, juris Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 354 Rn. 42).
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Quentin, Feilcke, RiBGH Dr. Paul ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible
Fundstellen
Dokument-Index HI13318630 |