Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 01.02.2006) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 1. Februar 2006 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt; zugleich hat es seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Der Erörterung bedürfen allein die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB, auf die das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung gestützt hat.
Rz. 2
Der Angeklagte ist wegen Straftaten, die er vor der jetzt abgeurteilten Tat begangen hat, am 16. Dezember 1999 durch das Landgericht Berlin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Der Gesamtfreiheitsstrafe lagen Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, zwei Jahren und drei Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenbesitz, einem Jahr und sechs Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung und zweimal zehn Monaten, jeweils wegen Körperverletzung zugrunde.
Rz. 3
Das Landgericht hat dieses Urteil als hinreichende Vorverurteilung im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB gewertet. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 4
1. Nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB erfordert die Anordnung der Sicherungsverwahrung, dass wegen der dort angeführten Straftaten gegen den Täter schon einmal eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verhängt worden ist. Diese Strafhöhe erreicht das Urteil des Landgerichts Berlin nur im Gesamtstrafenausspruch; die zugrunde liegenden Einzelfreiheitsstrafen bleiben jeweils unter drei Jahren. Für den Fall der Gesamtstrafe als Vorverurteilung hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass diese den Anforderungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB jedenfalls dann genügt, wenn sie wenigstens drei Jahre beträgt und ihr ausschließlich Einzelfreiheitsstrafen zugrunde liegen, die auf Katalogtaten beruhen; einer Einzelfreiheitsstrafe in der von § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB vorausgesetzten Höhe bedarf es dann nicht (BGHSt 48, 100). Dagegen bildet eine Gesamtfreiheitsstrafe keine hinreichende Vorverurteilung, wenn sie neben Einzelfreiheitsstrafen wegen Nichtkatalogtaten nur eine drei Jahre unterschreitende Einzelfreiheitsstrafe wegen einer Katalogtat enthält (BGH NStZ 2005, 88).
Rz. 5
Die vom Landgericht Berlin verhängte Gesamtstrafe entspricht keinem der vorgenannten Fälle. Sie stützt sich auf mehrere Einzelstrafen für Taten aus dem Katalog des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB und auf mehrere Einzelstrafen für Nichtkatalogtaten. Auf Katalogtaten beruhen jene drei Einzelfreiheitsstrafen, auf die das Landgericht Berlin für das Verbrechen der Vergewaltigung gemäß § 177 StGB und für die Taten der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB erkannt hat; soweit sie nach § 52 Abs. 2 StGB gebildet sind, weil ihnen die tateinheitliche Verurteilung auch wegen einer Nichtkatalogtat zugrunde liegt, hindert dies ihre Berücksichtigung nach § 66 Abs. 3 StGB nicht (BGHR StGB § 66 Abs. 3 Katalogtat 1). Der Bundesgerichtshof hat die Behandlung eines solchen Falles, in dem einer Gesamtfreiheitsstrafe neben Nichtkatalogtaten mehrere Katalogtaten zugrunde liegen, bislang ausdrücklich offen gelassen (BGH NStZ 2005, 88, 89; vgl. für den Fall der Einheitsjugendstrafe BGHSt 50, 284, 293 f.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 66 Rdn. 12a).
Rz. 6
2. Die verhängte Gesamtstrafe bildet zumindest in der vorliegenden Fallkonstellation eine taugliche Vorverurteilung für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB.
Rz. 7
Der Senat kann sicher ausschließen, dass aus den auf Katalogtaten beruhenden Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten, zwei Jahren und drei Monaten und einem Jahr und sechs Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von weniger als drei Jahren gebildet worden wäre. Bereits rechnerisch verbliebe es selbst bei vollem Abzug der beiden für Nichtkatalogtaten verhängten Einzelfreiheitsstrafen von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe bei einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. Dass das Landgericht Berlin, hätten ihm allein die auf Katalogtaten zurückgehenden Einzelfreiheitsstrafen vorgelegen, eine Gesamtfreiheitsstrafe von weniger als drei Jahren verhängt hätte, erscheint aber auch aus einem anderen Grunde ausgeschlossen: Eine Erhöhung der Einsatzstrafe von zwei Jahren und neun Monaten um nicht mehr als zwei Monate hätte angesichts der Höhe der weiteren Einzelfreiheitsstrafe und des Gewichtes der ihnen zugrunde liegenden Taten, denen nach den mitgeteilten Feststellungen des Landgerichts Berlin kein enger räumlicher, zeitlicher oder situativer Zusammenhang innewohnt, die Grenzen der nach § 54 StGB rechtlich zulässigen Gesamtstrafenbildung überschritten.
Rz. 8
Ergibt die Zusammenziehung der in der Gesamtstrafe enthaltenen, auf Katalogtaten beruhenden Einzelfreiheitsstrafen jedoch zwingend eine Gesamtfreiheitsstrafe in der von § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB vorausgesetzten Höhe, so ist der Fall nicht anders zu beurteilen, als wenn von Vornherein eine allein auf Katalogtaten beruhende Gesamtstrafe als Vorverurteilung vorgelegen hätte (Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 66 Rdn. 12a). Das Gesamtgewicht der Katalogtaten, für die zwar jeweils Einzelstrafen unter drei Jahren verhängt wurden, für die aber eine darüber liegende Gesamtfreiheitsstrafe zu verhängen wäre, erlaubt auch hier einen Rückschluss auf die Gefährlichkeit des Täters (vgl. BGHSt 48, 100, 104 f.).
Rz. 9
3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gesamtstrafe auch dann als Vorverurteilung im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genügt, wenn aus den auf Katalogtaten beruhenden Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren zwar in vertretbarer Weise gebildet werden könnte, aber nicht zwingend hervorgeht. Offen bleiben kann auch, ob das Landgericht bei anderer konkurrenzrechtlicher Beurteilung des Tatgeschehens die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch auf § 66 Abs. 2 Satz 2 StGB hätte stützen können; dass es die gegen mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter gerichteten Tathandlungen des Angeklagten trotz des zeitlich und örtlich gestreckten Geschehensablaufes als natürliche Handelungseinheit bewertet hat, beschwert den Angeklagten nicht.
Unterschriften
Nack, Wahl, RiBGH Dr. Kolz befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack, Hebenstreit, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2553195 |
StV 2007, 574 |