Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 19.10.2005) |
Nachgehend
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. Oktober 2005 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Zur Rüge der Verletzung der §§ 247, 247a StPO und Artikel 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK in Verbindung mit § 338 Nr. 5 StPO bemerkt der Senat ergänzend:
Der Ausschluss der Angeklagten gemäß § 247 StPO während der gemäß § 247a StPO unter optischer und akustischer Abschirmung durchgeführten audiovisuellen Zeugenvernehmung des Verdeckten Ermittlers „R.” entsprach der für diesen Zeugen bestehenden Gefährdungslage. Die (wahre) Identität des Zeugen war auch im Strafverfahren zunächst gemäß § 110b Abs. 3 StPO geheim gehalten. In der Hauptverhandlung stimmte das Innenministerium Baden-Württemberg auf Ersuchen des Vorsitzenden der Strafkammer einer audiovisuellen Vernehmung des Zeugen nach § 247a StPO unter anderem unter den Bedingungen zu, dass die Vernehmung unter optischer und akustischer Verfremdung stattfindet und die Angeklagten für die Dauer der Vernehmung aus dem Sitzungssaal entfernt werden. Einer gegen die Entfernung der Angeklagten aus dem Sitzungssaal gerichteten Gegenvorstellung des Kammervorsitzenden leistete das Innenministerium Baden-Württemberg keine Folge und führte zur Begründung aus:
„Die Anwesenheit der Angeklagten während der Vernehmung würde ihnen die Möglichkeit geben, die zwischenzeitlich verblasste Erinnerung an den Verdeckten Ermittler aufzufrischen, sich dessen Erscheinungsbild und Auftreten wieder ins Gedächtnis zu rufen bzw. zu aktualisieren. Daran ändert auch die Videovernehmung unter Verfremdung der Bild- und Tonübertragung nichts. Sie ist erforderlich und geeignet, um eine Identifizierung durch Dritte auszuschließen, die mit dem Verdeckten Ermittler bislang keinen Kontakt hatten. Ein Wiedererkennen durch die Angeklagten, die mit dem Verdeckten Ermittler bereits Kontakt hatten, lässt dieses Verfahren nicht mit der notwendigen Verlässlichkeit zu.”
Dies erscheint nachvollziehbar. Angesichts der – von der Innenverwaltung im Einzelnen belegten – Gefährdung des Zeugen ist dessen verfremdet durchgeführte audiovisuelle Vernehmung – was auch die Revisionen anerkennen – auch bei Abwesenheit der Angeklagten unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, insbesondere im Hinblick auf die Verteidigungsrechte der Angeklagten, gegenüber einer vollständigen Sperrung des Zeugen deutlich vorzugswürdig und entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH NJW 2003, 74; BGH NStZ 2005, 43). Die von den Revisionen eingeforderte allein „optische Ausschließung” der Angeklagten bei verbleibender akustischer Abschirmung der Vernehmung hätte nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falles die Gefährdung des Zeugen nicht hinreichend reduziert. Auch allein aus einer akustisch verfremdeten Stimme des Zeugen hätten sich hier den Angeklagten, etwa im Hinblick auf Sprechweise und Dialektfärbung, Anhaltspunkte für ein Wiedererkennen geboten. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass in Fällen, in denen es genügt, Gefährdungen des Zeugen durch optische Ausschließungen des Angeklagten zu verhindern, eine solche reduzierte Abschirmung der Vernehmung dem Gesetz entspricht und – worauf die Revisionen zu Recht hinweisen – die Verteidigungsrechte des Angeklagten sachgerecht gewährleistet (vgl. BGH NJW 2003, 74, 75). In geeigneten Fällen – insbesondere bei Verdeckten Ermittlern – wird auch zu prüfen sein, ob überhaupt der Ausschluss des Angeklagten gemäß § 247 StPO erforderlich ist.
Unterschriften
Nack, Wah, Boetticher, Kolz, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2554729 |
NStZ 2006, 648 |
StV 2006, 682 |
StV 2007, 507 |