Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 03.05.2016) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 3. Mai 2016 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Ergänzend bemerkt der Senat zu der von beiden Angeklagten übereinstimmend erhobenen Verfahrensrüge unter II. 2. b der Revisionsbegründungen, soweit damit Verstöße gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO und § 257c StPO („unzulässige informelle Verständigung”) beanstandet werden:
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rügen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) ergeben sich schon aus der unvollständigen Wiedergabe des Vermerks des Vorsitzenden vom 29. Juli 2015. Vor allem aber haben die Beschwerdeführer – im Hinblick auf die gerügten Verstöße – nicht die von ihnen zurückgenommenen Beweisanträge vorgetragen; daher kann der Senat die von den Revisionen – in Anlehnung an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. April 2016 (2 BvR 1422/15, NStZ 2016, 422) – behauptete synallagmatische Verknüpfung mit der Einstellung einer Vielzahl angeklagter Taten nach § 154 Abs. 2 StPO nicht abschließend prüfen.
Im Übrigen wären die Rügen auch unbegründet:
Soweit sich das Verständigungsgeschehen in der Hauptverhandlung ereignet hat, bedurfte es keiner gesonderten Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 5 StR 607/16, NStZ 2017, 299).
Auch liegt die Sachverhaltskonstellation, zu der die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. April 2016 ergangen ist, hier – soweit dies nach dem Revisionsvorbringen beurteilt werden kann – nicht vor. Dort ergab sich die wechselseitige Verknüpfung „insbesondere aus dem Hinweis des Vorsitzenden auf die – seines Erachtens bestehende – Möglichkeit der Staatsanwaltschaft, ihre Zustimmung zu einer Verfahrensbeschränkung zurückzunehmen, wenn es nicht zu der erhofften Beschleunigung komme, und auf die Möglichkeit der Verteidigung, zurückgenommene Beweisanträge erneut zu stellen, wenn es umgekehrt nicht zu der erhofften Verfahrensbeschränkung komme” (aaO Rn. 22). Eine solche beabsichtigte gegenseitige Zweckbindung liegt hier nicht vor: Äußerungen des Vorsitzenden in Richtung auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 154 Abs. 4 und 5 StPO sind nicht gefallen. Die Verteidiger der Angeklagten stimmten der von der Staatsanwaltschaft beantragten – und mit ebenfalls nicht vorgelegter Zuschrift vom 12. Januar 2016 bereits angekündigten – Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ausdrücklich zu. Nachdem angesprochen worden war, dass die Beweisanträge sich wohl damit erledigt haben dürften (so das Hauptverhandlungsprotokoll), kündigten beide Verteidiger an, dass diese Anträge zu gegebener Zeit zurückgenommen werden; sie erklärten unmittelbar nach der Beschlussfassung durch das Gericht die Zurücknahme. Es ist nicht ersichtlich, worin hierbei ein Entgegenkommen der Verteidigung im Sinne eines „do ut des” liegen könnte. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt davon aus, dass sich die gestellten und später wieder zurückgenommenen Beweisanträge gerade auf den ausgeschiedenen Verfahrensstoff bezogen haben (so auch die örtliche Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung). Die zunächst gestellten Beweisanträge waren wegen des zwischenzeitlichen Verfahrensgeschehens quasi überholt und der rechtlichen Bedeutungslosigkeit anheimgefallen. Ein Zusammenhang mit weiterem Verfahrensgeschehen oder gar mit der abschließenden Sachentscheidung im Urteil stand nicht im Raum. Anders als in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. September 2014 (5 StR 351/14, StV 2015, 153), auf den sich die Revision ebenfalls bezieht, äußerte der Vorsitzende sich in diesem Zusammenhang auch nicht zu einer Straferwartung.
Unterschriften
Franke, Roggenbuck, Cierniak, Bender, Paul
Fundstellen
Haufe-Index 11128231 |
wistra 2017, 446 |
AO-StB 2018, 20 |
ZWH 2018, 240 |