Tenor
Der Antrag des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 13. August 2020 wird
Tatbestand
I.
Rz. 1
Am 4. August 2020 hatte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof beantragt, die Beschlagnahme des in dem gegen anderweitig Verfolgten J. P. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (PKK/YPG/YBS) geführten Ermittlungsverfahren (2 BJs …) vorläufig zum Zwecke der Durchsicht sichergestellten Mobiltelefons Samsung SM-G800F für das beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof geführte „(Struktur-) Verfahren” 2 BJs … anzuordnen. Der Antrag war zunächst mit dem Hinweis, dass hier die Ermittlungsakten in dem offenbar gegen Unbekannt geführten Verfahren unbekannt seien, und der Bitte, diese dem Vorgang beizuschließen, zurückübersandt worden.
Rz. 2
Am 13. August 2020 hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof diesen Antrag zurückgenommen und unter dem nunmehr korrigierten Aktenzeichen 2 ARP … den nämlichen Antrag erneut gestellt. Dieses ARP-Verfahren erweise sich als ein „(Struktur-)Verfahren” und betreffe die rechtliche Bewertung der Teilnahme an Kampfhandlungen auf Seiten der „Volksverteidigungseinheiten – YPG” im Rahmen des syrischen und irakischen Bürgerkriegs.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Für die Anordnung der begehrten Zwangsmaßnahme ist hier kein Raum.
Rz. 4
1. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO erwirkt die Strafverfolgungsbehörde die Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen durch ihren Antrag; erforderlich hierfür ist – nicht zuletzt aus regelungssystematischer Sicht – die jedenfalls mit dem Antrag zugleich erfolgte Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 152 Abs. 2 StPO). Jenseits dessen fehlt der Staatsanwaltschaft die notwendige Antragsbefugnis. Dies gilt auch für sogenannte Vorermittlungen, die zu dem Zwecke der Abklärung geführt werden, ob ein bekannter Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht bereits ausreicht, um einen Anfangsverdacht zu bejahen (§ 152 Abs. 2 StPO; KK/StPO-Griesbaum, 8. Aufl., § 160 Rn. 7). Solche Vorermittlungen erweisen sich nicht als Teil des gesetzlichen Ermittlungsverfahrens, so dass hier keine richterlichen Untersuchungshandlungen – gar mit Zwangs- oder Eingriffscharakter – statthaft sind (vgl. nur Senge in FS Hamm [2008], S. 702, 709 f.; Diemer, NStZ 2005, 666; Hilger in FG Hilger [2003], S. 11, 13; LR/Erb, 27. Aufl., Vor § 158 Rn. 17).
Rz. 5
2. Ein Ermittlungsverfahren hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof bislang gegen unbekannte Personen, die der Mitgliedschaft in den „Volksverteidigungseinheiten (YPG)” im Rahmen des syrischen und irakischen Bürgerkriegs verdächtig sind, noch nicht eingeleitet. Dies belegt hier bereits die Erfassung des Vorgangs im ARP-Register.
Rz. 6
a) Zwar ist die registerrechtliche Sachbehandlung für die Bewertung, ob die ermittelnde Staatsanwaltschaft bereits zureichende Anhaltspunkte im Sinne von § 152 StPO besitzt, für sich grundsätzlich ohne Aussagekraft für die Abgrenzung von Vorermittlungen und bereits eingeleitetem Ermittlungsverfahren (vgl. Hilger a.a.O.). Anderes muss allerdings dann gelten, wenn die Anklagebehörde ihren Antrag ausdrücklich als Vorermittlungsverfahren deklariert und damit kundgibt, aus ihrer Sicht kein Ermittlungsverfahren zu betreiben. In diesen Fällen steht es dem Ermittlungsrichter – unabhängig von der Tatverdachtsbewertung (§ 152 Abs. 2 StPO) – nicht zu, seinerseits das Verfahren formal als Ermittlungsverfahren zu betreiben und damit die notwendigen Voraussetzungen für die Untersuchungshandlungen nach § 162 StPO erst zu schaffen.
Rz. 7
b) So liegt es hier. Die Erfassung des Verfahrens im Allgemeinen Register für Staatsschutzstrafsachen belegt zureichend, dass bislang nur Vorermittlungen geführt werden sollen (vgl. Diemer, NStZ 2005 666; LR/Mavany 27. Aufl., § 152 Rn. 43; ferner Senge in Hamm FS [2008], S. 702; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 152 Rn. 4b). In das ARP-Register werden entsprechend der Anweisung für die Verwaltung des Schriftguts in Rechtssachen bei der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofes und des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (Aktenordnung Bundesgerichtshof vom 31. Januar 2012 und vom 13. Februar 2012) sonstige Sachen eingetragen; hingegen werden Ermittlungsverfahren im BJs-Register geführt. Eine irrtümliche Bezeichnung ist hier auszuschließen, weil das ursprüngliche BJs-Registerzeichen auf gerichtliche Bitte um Nachsendung der Ermittlungsakten ausdrücklich in das ARP-Registerzeichen geändert wurde. Die Bezeichnung des Vorgangs als Strukturermittlungsverfahren ändert an dieser eindeutigen Einordnung des Vorgangs als Vorermittlung nichts (vgl. LR/Erb, 27. Aufl., Vor § 158 Rn. 20).
Rz. 8
3. Vor diesem Hintergrund kann hier dahin stehen, ob – was sich eingedenk der wegen Mitgliedschaft in den „Volksverteidigungseinheiten – YPG” gegen die Beschuldigten P. und G. (…; vgl. hierzu ferner BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – StB 13/18) bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahren und mit Blick auf den Hinweis auf „zureichende Tatsachen” in der Antragsschrift aufdrängt – sich das hier als ARP-Vorgang geführte Verfahren bereits als Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Mitglieder der „Volksverteidigungseinheiten” und damit als BJs-Vorgang erweisen muss.
Unterschriften
Wenske Richter am Bundesgerichtshof
Fundstellen
Dokument-Index HI14686420 |