Entscheidungsstichwort (Thema)
Markenanmeldung Nr. 395 46 098.0
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Unterscheidungskraft einer Marke, die in der grünen Einfärbung von Prozessorengehäusen besteht.
Normenkette
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 18. November 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I. Mit ihrer am 14. November 1995 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung der „Farbe Grün (Pantone Nr. 3288U), in der die Gehäuse der beanspruchten Waren ausgeführt sind”. Das Warenverzeichnis umfaßte ursprünglich die Waren „elektronische Bauteile, enthaltend integrierte Schaltkreise, insbesondere Prozessoren”. Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin das Warenverzeichnis wie folgt gefaßt: „Elektronische Bauteile, nämlich integrierte Schaltungen, insbesondere Prozessoren”.
Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, einem abstrakten Farbzeichen sei die Markenfähigkeit gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG abzusprechen; jedenfalls fehle der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat die angemeldete Marke mangels Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für nicht eintragungsfähig gehalten und dazu ausgeführt:
Gegenstand der Anmeldung sei eine bestimmte Farbe in einer konkreten Erscheinungsform und nicht eine abstrakte, konturlose Farbe. Der Anmeldung sei als konkrete Aufmachung der beanspruchten Waren zu entnehmen, daß die Gehäuse dieser Waren in der Farbe Grün ausgeführt sein sollen. Eine solche näher präzisierte farbige Aufmachung einer Ware sei gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG dem Schutz als Marke grundsätzlich zugänglich und auch graphisch darstellbar.
Die beanspruchte Farbgestaltung unterliege im vorliegenden Fall wohl einem Freihaltungsbedürfnis, jedenfalls aber fehle ihr die erforderliche Unterscheidungskraft von Hause aus.
Bei elektronischen Bauteilen sei die Einfärbung, insbesondere von Trägern und Gehäusen, mit einzelnen Farben oder Farbkombinationen weit verbreitet. Offenbar bestehe für sie, sei es aus technischen – etwa bei Sicherungen und Widerständen mit genormten Farbcodierungen – oder sonstigen, insbesondere ästhetischen Gründen ein allgemeines Bedürfnis. Dabei sei die Farbe Grün sogar besonders beliebt. Der Gebrauch der Farbe Grün könne für die beanspruchten Waren allerdings nicht nachgewiesen werden. Prozessoren seien weder insgesamt in einer der genannten Farben ausgeführt noch sei ihr Gehäuse insgesamt so eingefärbt. Es bewende insoweit offenbar durchweg bei den Farben Schwarz oder Grau, die sich nach dem Vortrag der Anmelderin aus technischen Gründen anböten.
An die Unterscheidungskraft der angemeldeten Gestaltung seien deshalb strenge Anforderungen zu stellen. Diesen genüge die angemeldete Farbmarke nicht. Farben und insbesondere das vorliegend beanspruchte Grün hätten für die in Frage stehenden integrierten Schaltungen von Hause aus keine Unterscheidungskraft. Die angesprochenen Abnehmerkreise (Fachingenieure sowie Elektronikbastler und Computerbenutzer, die ihre Geräte selbst mit schnelleren Prozessoren aufrüsteten) wüßten, daß allgemein auf dem Sektor elektronischer Bauteile Farben häufig als technische Codes, vielfach aber auch nur als ästhetisches Gestaltungsmittel, jedenfalls aber nicht generell als Mittel betrieblicher Herkunftskennzeichnung verwendet würden. Sie hätten also keine Veranlassung, ausgerechnet die angemeldete grüne Gestaltung des Kunststoffgehäuses eines integrierten Schaltkreises von Hause aus als Mittel betrieblicher Zuordnung zu verstehen. Dies gelte um so mehr, als gerade Prozessoren weniger auf Sicht gekauft, schon gar nicht anhand bloßer Farbstellungen ausgewählt würden.
Dem stehe nicht entgegen, daß – wie die Anmelderin meine – der Verkehr beispielsweise ein bestimmtes Blau dem Unternehmen IBM zurechne. Sofern das zutreffe, würde es sich dabei um eine durch Verkehrsdurchsetzung erworbene Unterscheidungskraft handeln. Dafür, daß sich die im vorliegenden Fall beanspruchte Farbstellung für die Anmelderin durchgesetzt hätte, fehle jedoch jeder Anhaltspunkt. Dies liege auch um so ferner, als gerade Grün für Kunststoffteile so beliebt sei. Die beanspruchte grüne Farbe sei nach den im Beschwerdeverfahren eingereichten Mustern völlig unauffällig und unterscheide sich, je nach den Beleuchtungsverhältnissen, kaum von der sonst grauen Einfärbung der Gehäuse.
III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Bundespatentgericht angenommen, daß der Gegenstand der Anmeldung, die Farbe Grün als Aufmachung der in Anspruch genommenen Waren, grundsätzlich (abstrakt) markenfähig i.S. von § 3 Abs. 1 MarkenG sei.
Auch die weitere Annahme, daß die angemeldete Marke graphisch darstellbar sei (§ 8 Abs. 1 MarkenG), entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschl. v. 1.3.2001 – I ZB 57/98, GRUR 2001, 1154, 1155 = WRP 2001, 1198 – Farbmarke violettfarben; Beschl. v. 19.9.2001 – I ZB 3/99, Umdr. S. 6 ff. – Farbmarke gelb/grün, jeweils m.w.N.).
2. Das Bundespatentgericht hat gemeint, daß bei der Prüfung der Frage der Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) der angemeldeten Marke ein eher strenger Maßstab angelegt werden müsse, weil zwar ein konkretes Freihaltungsbedürfnis an der Farbe Grün für die angemeldeten Gehäuse letztlich fraglich erscheinen möge, es jedoch recht nahe liege, zumal im näheren Umfeld der angemeldeten Waren, nämlich bei elektronischen Bauteilen, allgemein die Farbe Grün vielfach und typischerweise verwendet werde. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber denjenigen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Denn die Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Dabei ist grundsätzlich von nur geringen Anforderungen auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr.; BGH GRUR 2001, 1154, 1155 – Farbmarke violettfarben, m.w.N.).
Das gilt unterschiedslos für alle Markenformen, also auch für Farben und ebenso für die sonstigen erst durch das Markengesetz eingeführten neuen Markenformen, bei denen der Bundesgerichtshof keinen Anlaß gesehen hat, strengere Anforderungen an die Unterscheidungskraft zu stellen als bei herkömmlichen Markenformen (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 1154, 1155 – Farbmarke violettfarben). Dies läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf eine mögliche Gefahr der Behinderung von Produktgestaltungen auf dem Warenmarkt rechtfertigen. Das Interesse an einer generellen Freihaltung von Farben darf demgemäß – ungeachtet seiner Berücksichtigung bei der Prüfung des Eintragungshindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sowie bei der Bestimmung des Schutzumfangs einer eingetragenen Marke – im Rahmen der Prüfung der konkreten Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG keine Rolle spielen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.1999 – I ZB 19/97, GRUR 2000, 231, 232 = WRP 2000, 95 – FÜNFER).
Bei der gebotenen Zugrundelegung nur geringer Anforderungen an die Unterscheidungskraft tragen die vom Bundespatentgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine Verneinung der konkreten Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nicht. Kann einer farbigen Warenaufmachung, wie der angemeldeten Marke, kein für die in Frage stehenden Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich bei der Aufmachung auch nicht um eine dekorative Gestaltung, so daß sie vom Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einer als Marke verwendeten farblichen Warenaufmachung die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2001, 1154, 1155 – Farbmarke violettfarben). Diese (konkrete) Unterscheidungseignung kann der angemeldeten Marke für die in Betracht zu ziehenden Waren auf der Grundlage der vom Bundespatentgericht getroffenen Feststellungen nicht abgesprochen werden.
Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, daß bei elektronischen Bauteilen die Einfärbung, insbesondere von Trägern und Gehäusen, mit einzelnen Farben oder Farbkombinationen weit verbreitet sei. Offenbar bestehe für sie, sei es aus technischen – etwa bei Sicherungen und Widerständen mit genormten Farbcodierungen – oder sonstigen, insbesondere ästhetischen Gründen, ein allgemeines Bedürfnis. Dabei sei die Farbe Grün besonders beliebt. So seien Platinen und Fassungen für integrierte Schaltungen sehr oft in grüner Farbe ausgeführt. Die grüne, aber auch andere Farben seien auch bei anderen elektronischen Bauteilen weit verbreitet. Dies spreche für ein Bedürfnis des Verkehrs, auf diesem Warengebiet allgemein die Farbgestaltung – soweit sie nicht schon zur Codierung benötigt werde – frei zu wählen und Monopolisierungen einzelner Farben oder Farbkombinationen hintanzuhalten. Speziell bei Prozessoren würden beispielsweise neben dem verbreiteten Grau-Schwarz auch andere Farben verwendet, etwa das sogenannte „Sprague-Gold”, das „IBM-Blau” oder die allgemeinen Metallfarben Gold und Silber. Sie hätten dort nicht die Bedeutung von technischen Codierungen. Sie seien aber von Hause aus für den Verkehr auch nicht erkennbar als betrieblicher Herkunftshinweis aufzufassen, sondern erfüllten eher eine ästhetische Funktion. Der Gebrauch der Farbe Grün könne für die mit der Anmeldung in Anspruch genommenen Waren allerdings nicht nachgewiesen werden. Prozessoren seien weder insgesamt in einer der genannten Farben ausgeführt noch sei ihr Gehäuse insgesamt so eingefärbt. Es bewende insoweit offenbar durchweg bei den Farben Schwarz oder Grau, die sich nach dem Vortrag der Anmelderin aus technischen Gründen anböten.
Anhaltspunkte dafür, daß die grüne Einfärbung der Prozessoren als genormte Farbcodierung eine Beschreibung bestimmter Eigenschaften der Prozessoren darstellt und deshalb vom angesprochenen Verkehr nicht als Herkunftshinweis verstanden wird, hat das Bundespatentgericht nicht festgestellt.
Die vom Bundespatentgericht angeführte Tatsache, daß gerade die Farbe Grün für Kunststoffteile beliebt sei, besagt nichts über einen Mangel an Unterscheidungskraft der Farbe Grün für die hier allein in Betracht zu ziehenden Prozessoren. Denn das Bundespatentgericht hat auch festgestellt, daß weder die Farbe Grün noch – mit Ausnahme von Schwarz oder Grau – eine sonstige Farbe zur Einfärbung von Prozessorengehäusen verwendet werde; diese seien durchweg in den Farben Schwarz oder Grau gehalten, die sich nach dem Vortrag der Anmelderin aus technischen Gründen anböten. Hieraus ergibt sich zugleich, daß Prozessorengehäuse regelmäßig nicht in dekorativer Art farbig gestaltet sind, so daß die Annahme fernliegt, der Verkehr werde in der angemeldeten Aufmachung eine bloß dekorative Gestaltung sehen. Dies um so mehr, als nach dem Vortrag der Anmelderin, von dem das Bundespatentgericht ausgegangen ist, der Verkehr beispielsweise ein bestimmtes Blau dem Unternehmen IBM zurechnet, mithin bereits daran gewöhnt ist, in einer konkreten farblichen Aufmachung eines Prozessors einen Herkunftshinweis zu sehen.
Der Feststellung des Bundespatentgerichts, die beanspruchte grüne Farbe sei nach den im Beschwerdeverfahren eingereichten Mustern völlig unauffällig und unterscheide sich je nach den Beleuchtungsverhältnissen kaum von der sonst üblichen grauen Einfärbung der Gehäuse, kann nichts Maßgebliches dazu entnommen werden, ob die angesprochenen Verkehrskreise in der Einfärbung der Gehäuse mit der grünen Farbe der Anmeldung einen Herkunftshinweis sehen. Auf besondere (ungünstige) Beleuchtungsverhältnisse darf nicht abgestellt werden.
Schließlich greift auch die Erwägung des Bundespatentgerichts nicht durch, Prozessoren würden weniger auf Sicht gekauft, schon gar nicht anhand bloßer Farbstellungen ausgewählt. Das ist rechtlich unerheblich, weil eine Marke ihre Identifizierungsfunktion nicht allein beim Warenerwerb durch den Kunden ausübt, sondern in jedem Stadium des Warenabsatzes, also beginnend mit dem Angebot mittels jeder möglichen Werbemaßnahme, einschließlich solcher mit bildlichen Darstellungen der Ware, bis zum Absatz und darüber hinaus auch noch in der Hand des Kunden und nach dem Einbau zum funktionellen Gebrauch.
Nach alledem läßt sich eine Unterscheidungskraft der angemeldeten Farbmarke Grün für die beanspruchten Waren nicht verneinen.
3. Das Bundespatentgericht hat bisher nicht ausdrücklich über das Eintragungshindernis eines Freihaltungsbedürfnisses i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entschieden. Es hat allerdings ausgeführt, daß es letztlich fraglich erscheinen möge, ob der Eintragung der angemeldeten Marke ein konkretes Freihaltungsbedürfnis im Sinne der vorgenannten Vorschrift entgegenstehe, also die Eignung der angemeldeten Gehäusefarbe zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung oder sonstiger Merkmale der Waren. Sofern das Bundespatentgericht im neu eröffneten Beschwerdeverfahren keine weitergehenden Feststellungen hierzu treffen wird, wird es bei der Verneinung eines Freihaltungsbedürfnisses bewenden müssen.
4. Anhaltspunkte für das Vorliegen des Eintragungshindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sind derzeit nicht gegeben. Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts werden bestimmte Farben auf dem in Frage stehenden Warengebiet zwar allgemein aus technischen Gründen – etwa bei Sicherungen und Widerständen – als genormte Codierungen verwendet und könnten deshalb i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung von Waren üblich geworden sein. Feststellungen hierzu im einzelnen bezüglich der fraglichen Gehäuse hat das Bundespatentgericht jedoch bisher nicht getroffen. Die Annahme einer aus technischen Gründen verwendeten genormten Codierung durch die angemeldete Farbe liegt auch bezüglich der Gehäuse nach der allgemeinen Lebenserfahrung fern.
IV. Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Bornkamm, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.09.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 707633 |
BGHR 2002, 429 |
BGHR |
GRUR 2002, 538 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 2002, 452 |
BPatGE, 285 |
Mitt. 2002, 236 |