Leitsatz (amtlich)
In einer Betreuungssache ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen die Teilnahme an dem Anhörungstermin zu ermöglichen (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 9.11.2011 - XII ZB 286/11, FamRZ 2012, 104).
Normenkette
FamFG § 278 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 08.06.2016; Aktenzeichen 25 T 370/16) |
AG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.02.2016; Aktenzeichen 98 XVII 146/15 I) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 8.6.2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Beschwerdewert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der 58-jährige Betroffene leidet nach dem Inhalt des vom AG eingeholten Sachverständigengutachtens an einer paranoiden Schizophrenie mit ausgeprägten Wahnvorstellungen.
Rz. 2
Das AG hat eine Betreuung für die Aufgabenkreise der Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über Unterbringung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Wohnungsangelegenheiten eingerichtet und die Beteiligte zu 1) als Berufsbetreuerin sowie die Beteiligte zu 2) als Ersatzbetreuerin bestimmt. Das LG hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Rz. 4
1. Das LG hat ausgeführt, dass der Betroffene aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, seine Angelegenheiten selbständig zu regeln. Zur freien Willensbildung sei er nicht in der Lage. Die Betreuung sei auch erforderlich; insb. könnten die Angelegenheiten in den genannten Aufgabenkreisen nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer durch andere Hilfen besorgt werden. Eine persönliche Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren sei nicht erforderlich, da diese in erster Instanz erfolgt sei und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten seien.
Rz. 5
2. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, leidet das Verfahren unter einem schwerwiegenden Verfahrensfehler.
Rz. 6
a) Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Im Beschwerdeverfahren kann allerdings nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht, vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen oder das gesamte Verfahren wiederholen (vgl. zur Unterbringung Senatsbeschluss v. 10.2.2016 - XII ZB 478/15, FamRZ 2016, 802 Rz. 10 m.w.N.).
Rz. 7
b) Ist der Betroffene wie hier durch einen Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigten vertreten, muss diesem Gelegenheit gegeben werden, an der Anhörung teilzunehmen (Senat, Beschl. v. 9.11.2011 - XII ZB 286/11, FamRZ 2012, 104 Rz. 25 m.w.N.). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Betroffene ist zwar im ersten Rechtszug in seiner Wohnung angehört worden. Das geschah jedoch unangekündigt und ohne den Verfahrensbevollmächtigten von dem Anhörungstermin zu unterrichten und ihm die Teilnahme daran zu ermöglichen.
Rz. 8
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die erforderliche erneute Anhörung nicht selbst durchführen kann.
Fundstellen
NJW 2017, 8 |
FamRZ 2017, 131 |
FuR 2017, 81 |
FGPrax 2017, 29 |
BtPrax 2017, 42 |
JZ 2017, 44 |
MDR 2017, 106 |
Rpfleger 2017, 148 |