Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 23.05.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 23. Mai 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Während der Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, kann das Urteil nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat. Es hat dies – gestützt auf das Gutachten eines Sachverständigen – damit begründet, dass bei dem Angeklagten kein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB festgestellt werden könne. Zwar lägen Hinweise auf Missbrauch von Alkohol und Cannabis vor, doch erfüllten diese nicht die Merkmale einer Abhängigkeit. Hiergegen spreche vielmehr, dass der Angeklagte nach seiner Inhaftierung nur geringfügige Entzugserscheinungen gezeigt habe, nach seinen Angaben unter der Woche alkoholabstinent bleibe und hinsichtlich seines Cannabiskonsums keine Toleranzentwicklung zu verzeichnen sei, da dieser über weite Strecken weitgehend gleichgeblieben sei. Auch habe weder ein Kontrollverlust noch eine Interessenverschiebung zugunsten seines Konsums stattgefunden.
Rz. 3
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 Satz 1 StGB verkannt hat. Ein solcher liegt nicht nur im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit vor; vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (BGH, Beschlüsse vom 4. April 1995 – 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; vom 13. Januar 2011 – 3 StR 429/10, juris Rn. 4). Ausreichend für die Annahme eines Hanges zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist, dass der Betroffene aufgrund seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 – 3 StR 243/16, juris Rn. 3).
Rz. 4
Diese Voraussetzungen liegen angesichts der Feststellungen nahe, wonach der Angeklagte seit den Jahren 2011/2012 in erheblichem Umfang Alkohol und Marihuana konsumiert. So rauchte er bis zu seiner Verhaftung im Februar 2014 täglich vier bis fünf Gramm Marihuana. Nach der Haftentlassung im September 2016 nahm er den Konsum mit zwei bis drei Gramm pro Tag wieder auf. Auch Alkohol trank der Angeklagte seit 2012 sowohl die Woche über als auch an Wochenenden, bis er betrunken war. Nach der Haftentlassung beschränkte er seinen Alkoholkonsum nunmehr auf die Wochenenden, allerdings auch jetzt noch bis zum „Blackout”. Auch wenn der Sachverständige die Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms nicht gestellt hat, ist mit dem geschilderten Konsumverhalten das Vorliegen eines Hanges im Sinne von § 64 Satz 1 StGB nicht ausgeschlossen.
Rz. 5
Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
Unterschriften
Becker, Schäfer, Spaniol, Berg, Hoch
Fundstellen
Dokument-Index HI11388430 |