Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
a) Der einzelne Wohnungseigentümer kann den Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums gegen einen Miteigentümer ohne Ermächtigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen.
b) Auch wenn die Möglichkeit besteht, daß ein Wohnungseigentümer bei Zahlungsunfähigkeit des Miteigentümers, der eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG durchgeführt hat, selbst mit Kosten belastet werden könnte, so ist nicht deswegen die Maßnahme von seiner Zustimmung abhängig.
Normenkette
WEG § 16 Abs. 3, § 22 Abs. 1, § 43 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluß der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 10. Juli 1990 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde tragen die Antragstellerinnen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 4.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind Wohnungs- und Teileigentümer der Wohnanlage A-Straße in B.. Zum Sondereigentum des Antragsgegners gehört die in der Teilungserklärung mit Nr. 20 bezeichnete Wohnung sowie der mit Nr. D 20 bezeichnete Dachraum, der nach der Abgeschlossenheitsbescheinigung und der Teilungserklärung nicht zu Wohnzwecken dient.
Ursprünglich waren in dem Dachraum drei Dachlukenfenster von je 0,5 m × 1 m vorhanden. Der Antragsgegner hat sie ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer durch Dachflächenfenster von je 0,65 m × 1,15 m ersetzt.
Die Antragstellerinnen haben beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die Dachflächenfenster zu entfernen und die Dachhaut unter Einbau von drei Dachlukenfenstern der ursprünglichen Größe ordnungsgemäß zu verschließen.
Amts- und Landgericht haben den Antrag zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerinnen möchte das Kammergericht dem Beseitigungs- und Wiederherstellungsverlangen stattgeben. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Januar 1985 (ZMR 1985, 209) gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebeschluß abgedruckt in WuM 1991, 128).
II.
Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 ff WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).
1. Nach Auffassung des vorlegenden Kammergerichts erwächst den anderen Wohnungseigentümern durch den Einbau der Dachflächenfenster ein finanzieller Nachteil, der ihre Zustimmung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG erforderlich machte. Zwar sei nach § 16 Abs. 3 WEG ein Wohnungseigentümer, der der Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG nicht zugestimmt habe, auch nicht verpflichtet, die durch sie entstehenden Kosten zu tragen. Wenn der umbauende Wohnungseigentümer aber später nicht in der Lage sei, die ihn treffenden Kosten aufzubringen, bleibe es bei der Kostenbelastung der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 16 Abs. 2 WEG. Dasselbe gelte im Falle der Rechtsnachfolge, denn es sei nicht ersichtlich, daß den Nachfolger des Umbauenden die aus dem Wohnungsgrundbuch nicht ersichtliche Verpflichtung nach § 16 Abs. 3 WEG treffe. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in dem auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluß vom 14. Januar 1985 die Auffassung vertreten, „Fragen versicherungsrechtlicher und schadensersatzrechtlicher Art” rechtfertigten es im Hinblick auf § 16 Abs. 3 WEG nicht, einen Nachteil anderer Wohnungseigentümer im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG zu bejahen. Ob diese Entscheidung auf einer Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG beruht, von der das Kammergericht abweichen will, mag insoweit nicht zweifelsfrei sein, als das Oberlandesgericht Karlsruhe die nach seiner Auffassung unerheblichen „versicherungsrechtlichen und schadensersatzrechtlichen” Fragen nicht näher erörtert hat (vgl. BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1988, IVb ZB 36/88, BGHR FGG § 28 Abs. 2 – Abweichung 1). Zur Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG zwingen jedenfalls die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 11. Dezember 1980 (NJW 1981, 690) und vom 9. Juni 1988 (WuM 1988, 319), die auf weitere Beschwerde ergangen und deshalb zur Beurteilung der Vorlagepflicht heranzuziehen sind (BGHZ 96, 198, 201; 99, 90). Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Auffassung vertreten, die durch eine Maßnahme im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG verursachten Kosten schieden im Hinblick auf § 16 Abs. 3 WEG als Nachteil im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 WEG aus. Hiervon will das Kammergericht abweichen.
2. Die Ansicht des vorlegenden Gerichts, es könne ohne Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht entscheiden, ist für den Senat bindend, soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Rede steht (BGHZ 99, 90, 92; 109, 396, 398).
III.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 FGG), in der Sache hat sie aber keinen Erfolg.
1. Die Antragstellerinnen sind befugt, den auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gerichteten Antrag ohne eine Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer zu stellen, sie nehmen den Antragsgegner auf Beseitigung der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums, zu dem das Dach des Gebäudes nach § 5 Abs. 2 WEG zählt, in Anspruch (§ 1004 Abs. 1 BGB). Hierzu sind sie aufgrund ihres Miteigentumsanteils an dem gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 2 WEG) berechtigt.
Wohnungseigentum ist echtes Eigentum im Sinne des § 903 BGB (BGHZ 49, 250, 251) und genießt den Schutz des § 1004 BGB (OLG Stuttgart NJW 1970, 103; BayObLGZ 1975, 177, 179; Weitnauer, WEG, 7. Aufl. § 22 Rdn. 3 e). Bei der Bruchteilsgemeinschaft ist es unbestritten, daß der einzelne Teilhaber den Abwehranspruch gegen die Mitberechtigten zwar nicht gemäß § 1011 BGB in Ansehung der ganzen Sache, wohl aber aufgrund seines Teilrechts geltend machen kann (BGB/RGRK-Pikart, 12. Aufl., § 1011 Rdn. 2; MünchKomm/Karsten Schmidt, BGB 2. Aufl., § 1011 Rdn. 1; Palandt/Bassenge, BGB 50. Aufl., § 1011 Rdn. 1; Soergel/Stürner, BGB 12. Aufl., § 1011 Rdn. 3). Für die Wohnungseigentümergemeinschaft gilt grundsätzlich nichts anderes, wie aus § 10 WEG i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG folgt. Danach kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen oder, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht (vgl. BayObLG, NJW-RR 1987, 717; 1988, 271 und 587; OLG Hamm, OLGZ 1990, 159; KG, NJW-RR 1990, 334).
2. Die Antragsteller nehmen zu Recht den Antragsgegner in Anspruch. Durch die Anordnung der Zwangsverwaltung über das Wohnungseigentum während des Beschwerdeverfahrens vor dem Landgericht wurde dem Antragsgegner zwar die Befugnis entzogen, das Wohnungseigentum zu verwalten und zu benutzen (§ 148 Abs. 2 ZVG); diese Rechte wurden durch den Zwangsverwalter ausgeübt (§ 152 ZVG; vgl. Zöller/Stöber, ZVG, 13. Aufl., § 148 Rdn. 3.1). Die Beschlagnahme ist aber mit der Aufhebung der Zwangsverwaltung am 7. November 1990 entfallen. Dieser Umstand kann aus prozeßökonomischen Gründen im Verfahren über die Rechtsbeschwerde (§§ 43 WEG, 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 561 Abs. 1 ZPO), wie dies auch im Revisionsverfahren möglich wäre, berücksichtigt werden (BGHZ 104, 215, 221).
3. Das Landgericht meint, der Einbau der Dachflächenfenster anstelle der Dachlukenfenster stelle eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe (§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG). Das Dach sei durch die Baumaßnahme des Antragsgegners in seiner Substanz verändert worden. Die Maßnahme werde nicht durch die Zweckbestimmung des Dachraums gedeckt und sei auch keine ordnungsgemäße Erstherstellung.
Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
4. Die Zustimmung eines Wohnungseigentümers zu baulichen Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen, ist insoweit nicht erforderlich, als durch die Veränderung dessen Rechte nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 WEG). Maßgebend ist danach, ob dem Wohnungseigentümer durch die Maßnahme in vermeidbarer Weise ein Nachteil erwächst (vgl. BGHZ 73, 196, 201). Unter einem Nachteil in diesem Sinne ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen (BayObLG, DWE 1984, 27, 28; WE 1988, 22; WuM 1989, 262, 263; Weitnauer aaO, § 22 Rdn. 3). Nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen gelten als ein solcher Nachteil; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BayObLG, ZMR 1987, 190, 191 = WEZ 1987, 84 m. Anm. Müller; Weitnauer aaO; Junker, WEZ 1987, 8, 12).
Einen Verstoß gegen diese Rechtsgrundsätze läßt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
a) Frei von Verfahrensfehlern und damit nach §§ 43 ff WEG, 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 561 Abs. 2 ZPO bindend hat das Landgericht festgestellt, daß der Einbau der Dachlukenfenster nicht zu einer Beeinträchtigung der Rechte der Antragstellerinnen durch eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage (vgl. BGHZ 73, 196, 202; OLG Frankfurt, WEZ 1987, 40 m.w.N.) geführt hat; von einer Beeinträchtigung der Standsicherheit des Daches war nicht die Rede. Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die eingebauten Dachflächenfenster gegenüber den früheren Lukenfenstern keine erhöhte Wartungsbedürftigkeit und Reparaturanfälligkeit aufweisen und solche Folgen auch nicht für das Dach als ganzes nach sich ziehen. Die Rechtsbeschwerde nimmt dies hin.
b) Der Auffassung des vorlegenden Gerichts, bereits die Möglichkeit, daß ein Wohnungseigentümer wegen Zahlungsunfähigkeit der Teilhaber, die der Maßnahme nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG zugestimmt haben, selbst mit Kosten belastet werden könnte, mache die Maßnahme auch von seiner Zustimmung abhängig (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG), schließt sich der Senat nicht an.
aa) Die Kosten einer baulichen Maßnahme oder einer Aufwendung, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht, belasten im Regelfall nicht denjenigen, der ihr nicht zuzustimmen brauchte und auch nicht zugestimmt hat (für den Fall des regelwidrigen Mehrheitsbeschlusses und des gegen § 16 Abs. 3 WEG verstoßenden Wirtschaftsplans vgl. BayObLGZ 1973, 78 und BayObLG NJW 1981, 1990). Er ist nach § 21 Abs. 1, 3, und 4 WEG nicht verpflichtet, an der Vergabe der zur Durchführung der Maßnahme erforderlichen Aufträge mitzuwirken und dadurch eine gesamtschuldnerische Haftung nach außen (BGHZ 67, 232, 235 f) zu übernehmen. Einer erhöhten Beitragsleistung ist er nicht ausgesetzt, denn die Instandhaltungsrücklage darf zu diesem Zweck nicht angegriffen werden (Bärmann/Pick, WEG, 12. Aufl., § 22 Rdn. 22; Palandt/Bassenge aaO, § 16 WEG Rdn. 3, jeweils m.w.N.); ebensowenig darf aus diesem Grunde eine Sonderumlage unter Einbeziehung der nicht zustimmenden Wohnungseigentümer erhoben werden. Dies gilt im Grundsatz auch für die Folgekosten der Maßnahme (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 6. Aufl., § 16 Rdn. 148 und § 22 Rdn. 71; Zimmermann, ZMR 1986, 305, 307). Allerdings kann eine über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehende Veränderung zu Folgemaßnahmen führen, die durch eine ordnungsgemäße Verwaltung geboten sind. Hierzu würden etwaige, durch die Auswechslung der Fenster verursachten kostenerhöhenden Arbeiten bei der in der Vergangenheit durchgeführten Dachsanierung zählen, über deren Anfall die Parteien streiten. Dasselbe gilt für eine Kostenerhöhung bei der künftigen Wartung und Reparatur des Daches oder, hiervon unabhängig, der Dachflächenfenster selbst, wenn sie zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören (vgl. Bärmann/Pick aaO, § 5 Rdn. 18 m.w.N.). Soweit es die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes des gemeinsamen Eigentums erforderlich macht, können die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer aufgrund ihrer Gemeinschaftspflicht im Rahmen der Verwaltung gehalten sein, an den notwendigen Maßnahmen mitzuwirken (§ 21 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 WEG).
bb) Mußte der Wohungseigentümer, der der außergewöhnlichen Maßnahme im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG nicht zugestimmt hatte, zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Zustandes des gemeinsamen Eigentums im Außenverhältnis eine Verbindlichkeit eingehen, so kann er, soweit er hieraus in Anspruch genommen wurde, von den Zustimmenden unmittelbar nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 16 Abs. 3 WEG oder, was hier offen bleiben kann, erst aufgrund des Wirtschaftsplanes (§ 28 WEG i.V.m. § 16 Abs. 3 WEG, vgl. BGHZ 104, 197, 202) Ausgleich verlangen. Mußten Gelder der Gemeinschaft auf gewendet werden, so sind sie im Wirtschaftsplan auf diejenigen Wohnungseigentümer umzulegen, die der Maßnahme zugestimmt haben (§§ 28 Abs. 1 Satz 2, Nr. 2, 16 Abs. 3 WEG). Damit ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers den finanziellen Interessen des Teilhabers, dessen Rechte durch die Maßnahme sonst nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt worden sind, Rechnung getragen.
Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Gemeinschaft ist eine wesentliche Veränderung des gemeinschaftlichen Gegenstandes nur mit Zustimmung aller Teilhaber möglich (§ 745 Abs. 3 Satz 1 BGB). Außerordentliche Maßnahmen, wie sie § 22 Abs. 1 WEG nennt, könnten danach nur einstimmig durchgeführt werden. Dies findet in § 749 Abs. 1 BGB, welcher dem Teilhaber das Recht einräumt, jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, einen Ausgleich. Bei der grundsätzlich unauflösbaren Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 11 WEG) ist der Zwang zur Einstimmigkeit durch die in § 22 Abs. 1 WEG vorgesehene Einschränkung gemildert (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG aaO, § 22 Rdn. 60 m.w.N.). Bei dem dort ausgewählten Kreis von Maßnahmen ist zwar am Grundsatz der Einstimmigkeit festgehalten, die Zustimmung derjenigen Teilhaber, die durch die Maßnahme nicht in dem in § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG bestimmten Maße beeinträchtigt sind, ist aber nicht erforderlich (BGHZ 73, 196, 199). Die dadurch bewirkte Auflockerung des Einstimmigkeitsgrundsatzes wäre weitgehend wirkungslos, wenn allein die Pflicht, die Kosten anteilig mitzutragen, die Zustimmung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG nötig machte. Kosten sind mit einer baulichen Veränderung oder sonstigen Aufwendung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG in aller Regel verbunden. Die in § 16 Abs. 3 Halbs. 2 WEG vorgesehene Befreiung der nicht zustimmenden Teilhaber von den mit der außergewöhnlichen Maßnahme verbundenen Kosten macht die für bauliche Veränderungen und sonstige Aufwendungen gewünschte Lockerung des Einstimmigkeitsgrundsatzes überhaupt erst möglich (vgl. zu § 22 WEG BR-Drucks. 75/51, S. 22 f). Sie wäre hinfällig, wenn die bloße Möglichkeit einer Ausfallhaftung die Zustimmung aller Mitglieder der Gemeinschaft erforderlich machte.
Im übrigen verwirklicht sich in der Möglichkeit, im Gemeinschaftsinteresse für wirtschaftlich ausfallende Teilhaber einstehen zu müssen, ein Risiko, das im Gemeinschaftsverhältnis als solchem angelegt ist, und in § 14 WEG eine spezielle Ausprägung erfahren hat. Auch bei den Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und den Kosten der ordnungsgemäßen Verwaltung kann den Wohnungseigentümer im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Teilhabers die Verpflichtung treffen, über das Verhältnis seines Anteils (§ 16 Abs. 2 WEG) hinaus mit seinem Vermögen eintreten zu müssen (BGHZ 108, 44; Weitnauer, WEG aaO, § 16 Rdn. 18, § 28 Rdn. 2 c).
cc) Verfehlt ist die Ansicht des vorlegenden Gerichts, eine Zustimmungsbedürftigkeit ergebe sich daraus, daß die Verpflichtung zur Kostentragung nicht auch einen Rechtsnachfolger treffe, weil sie aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist. Die Freistellung des Wohnungseigentümers, der einer Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG nicht zugestimmt hat, von den durch sie verursachten Kosten beruht auf gesetzlicher Anordnung. Sie wirkt uneingeschränkt gegenüber jedermann. Der den rechtsgeschäftlichen Erwerber schützende öffentliche Glaube des Grundbuchs (§ 892 BGB) kommt ihr gegenüber nicht zum Tragen. Die Schutzwirkung des § 892 BGB ist auf eintragungsfähige Rechte, Verfügungsbeschränkungen und Tatsachen begrenzt. Hierzu zählt die in § 16 Abs. 3 WEG getroffene Anordnung nicht; ihre Eintragung in das Grundbuch ist weder vorgeschrieben noch ausdrücklich oder stillschweigend, etwa dadurch, daß das materielle Recht an die Eintragung eine rechtliche Wirkung knüpfte (vgl. Horber/Demharter, GBO, 19. Aufl., Anhang zu § 13, Anm. 7), zugelassen. Eine Grundbucheintragung wäre nur im umgekehrten Falle möglich, nämlich bei einer von § 16 Abs. 3 abweichenden Regelung (zur Abdingbarkeit der Vorschrift vgl. Weitnauer aaO, § 16 vor Rdn. 1) des Verhältnisses der Wohnungseigentümer durch Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 WEG. Der Rechtsnachfolger muß von dem Zeitpunkt an, ab dem er für Verwaltungsverbindlichkeiten haftet (für die Lasten- und Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 WEG vgl. BGHZ 104, 197 und 107, 285), die Kostenfreiheit anderer Teilhaber nach § 16 Abs. 3, Halbs. 2 WEG gegen sich gelten lassen.
c) Andere Möglichkeiten einer durch den Einbau der Dachflächenfenster verursachten nachteiligen Auswirkung auf das Sondereigentum der Antragstellerinnen oder auf das Gemeinschaftseigentum (vgl. BayObLGZ 1990, 120, 123) sind nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht ersichtlich. Die Auffassung des vorlegenden Gerichts, die Eigentümergemeinschaft hätte die Auswechslung der Dachfenster nur dulden müssen, wenn der Antragsgegner einen Anspruch auf Zustimmung zu der Maßnahme gehabt hätte, verkennt die Rechtswirkung des § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG. Soweit danach eine Zustimmung nicht erforderlich ist, kann sie auch nicht verlangt werden.
Da die Antragsteller mithin die bauliche Maßnahme zu dulden haben, ist das Beseitigungsverlangen ausgeschlossen (§ 1004 Abs. 2 BGB). Die sofortige weitere Beschwerde ist deshalb zurückzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Entscheidung über die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 48 Abs. 2 WEG.
Unterschriften
H, R, L-L, W, T
Fundstellen
Haufe-Index 512662 |
BGHZ |
BGHZ, 392 |
NJW 1992, 978 |
BGHR |
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