Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wirksamkeit einer zu gerichtlichem Protokoll erklärten Vereinbarung über den Versorgungsausgleich setzt regelmäßig voraus, daß beide Eheleute dabei durch bei dem Gericht zugelassene Rechtsanwälte vertreten werden.
2. Ist diese Form nicht eingehalten, wird der Mangel durch die gerichtliche Genehmigung der Vereinbarung nicht geheilt.
Normenkette
BGB § 1587o; ZPO § 78 Abs. 2; FGG § 53d; BGB § 1587o Abs. 2 Sätze 2-3; ZPO § 78 Nr. 1 Fassung: 1986-02-20
Verfahrensgang
AG Kassel |
OLG Frankfurt am Main |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juli 1988 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.000 DM.
Gründe
I.
Die im Jahre 1953 geborene Ehefrau (Antragstellerin) hat am 17. April 1979 beantragt, die 1974 geschlossene, kinderlos gebliebene Ehe mit dem im Jahre 1950 geborenen Ehemann (Antragsgegner) zu scheiden. Dabei hat sie einen vom Ehemann unterzeichneten, privatschriftlichen „Vergleich” vorgelegt, der einen wechselseitigen Verzicht auf Unterhalt, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich enthält. Der Ehemann hat sich in dem Scheidungsverbundverfahren nicht anwaltlich vertreten lassen. In der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 1979 hat das Amtsgericht – Familiengericht – eine Vereinbarung der Parteien des Inhalts zu Protokoll genommen, daß der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werden solle. Durch am 27. Juli 1979 verkündetes Urteil hat das Gericht die Ehe der Parteien geschieden und im Tenor seines Urteils u.a. ausgesprochen, daß die Vereinbarung der Parteien vom 13. Juli 1979 genehmigt werde und ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde.
Am 24. März 1987 hat der Ehemann beim Amtsgericht beantragt, den Versorgungsausgleich durchzuführen, weil die Vereinbarung vom 13. Juli 1979 mangels anwaltlicher Vertretung auf seiner Seite unwirksam gewesen sei. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Oberlandesgericht die Entscheidung aufgehoben und die Sache zur Durchführung des Versorgungsausgleichs an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die – zugelassene – weitere Beschwerde der Ehefrau.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht führt aus, die Vereinbarung der Parteien vom 13. Juli 1979 sei mangels anwaltlicher Vertretung des Ehemannes nicht formgerecht abgeschlossen worden und daher rechtsunwirksam. Die durch das Familiengericht erteilte Genehmigung habe daran nichts ändern können. Der Ausspruch im Verbundurteil, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, sei keine echte Entscheidung, sondern lediglich ein statthafter Hinweis auf § 53d FGG. Da es an einer rechtskräftigen Entscheidung über den Versorgungsausgleich bisher fehle, sei das Verfahren nunmehr durchzuführen.
Was die weitere Beschwerde hiergegen vorbringt, dringt nicht durch.
2. In Ehesachen und Folgesachen besteht für die Parteien in allen Rechtszügen Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.d.F. des 1. EheRG, § 78 Abs. 2 in der seit 1. April 1986 geltenden Fassung). Für den Rechtszustand vor dem 1. Juli 1977 hat der Senat bereits entschieden, daß sich die Parteien in Scheidungsverfahren auch beim Abschluß eines Prozeßvergleichs grundsätzlich durch Rechtsanwälte vertreten lassen mußten (vgl. Urteil vom 30. Januar 1985 – IVb ZR 65/83 – FamRZ 1986, 458f.). Seit Inkrafttreten des 1. EheRG ist die Frage nicht anders zu beurteilen. Vorliegend handelt es sich allerdings um eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich gemäß § 1587o BGB, die nicht stets den Charakter eines Vergleichs – mit gegenseitigem Nachgeben – hat. Das Gesetz verlangt insoweit aber entweder die notarielle Beurkundung (Abs. 2 Satz 1) oder die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll wie bei einem Prozeßvergleich (Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 127a BGB). „Erklärungen” im Sinne des § 127a BGB können in einem Verfahren, für das Anwaltszwang besteht, rechtswirksam nur durch Rechtsanwälte abgegeben werden. Nach fast einhelliger Auffassung, die auch der Senat teilt, bedürfen daher im Scheidungsverbundverfahren gerichtlich protokollierte Vereinbarungen nach § 1587o BGB regelmäßig auf beiden Seiten der anwaltlichen Vertretung (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 1987, 84; MünchKomm/Strobel 2. Aufl. § 1587o Rdn. 18; Palandt/Diederichsen BGB 50. Aufl. § 1587o Rdn. 18; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, Eherecht § 78 ZPO Rdn. 13, 14; Schwab/Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts 2. Aufl. Teil I Rdn. 171, 611; Zöller/Vollkommer/Philippi ZPO 16. Aufl. § 78 Rdn. 33 und § 630 Rdn. 15; Baumbach/Hartmann ZPO 48. Aufl. Anh. § 307 Anm. 4 F; Bergerfurth, Ehescheidungsprozeß 7. Aufl. Rdn. 46; Rahm/Künkel/Lardschneider, Handbuch des familiengerichtlichen Verfahrens Teil V Rdn. 492; Göppinger, Vereinbarungen anläßlich der Ehescheidung 6. Aufl. Rdn. 130; Jost NJW 1980, 327, 328). Ob Ausnahmen in Betracht kommen, wenn eine solche Vereinbarung in einem Verfahrensabschnitt ohne Anwaltszwang getroffen wird, etwa im Prozeßkostenhilfeverfahren (vgl. dazu OLG Hamburg FamRZ 1988, 1299) oder während eines Sühneversuchs vor einem beauftragten Richter (§§ 78 Abs. 3, 279 Abs. 1 Satz 2 ZPO; dazu Philippi FamRZ 1982, 1083), kann offenbleiben, da derartiges hier nicht vorliegt.
Die weitere Beschwerde weist darauf hin, daß gemäß §§ 630 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 78 Abs. 3 ZPO auch schwerwiegende Entscheidungen, wie sie die Zustimmung zu einer Scheidung oder der Vorschlag zur Regelung der elterlichen Sorge für ein Kind darstellten, ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts getroffen werden könnten. Sie meint, es liege daher nahe, eine Vereinbarung gemäß § 1587o BGB, die ohnehin wegen der nach Abs. 2 Satz 3 erforderlichen Genehmigung der richterlichen Inhaltskontrolle unterliege, erst recht vom Anwaltszwang auszunehmen. Solche Überlegungen (ähnlich Tiarks NJW 1977, 2303; AG Groß-Gerau FamRZ 1988, 187) verlassen aber den Boden des geltenden Rechts, da es sich um formelle, strikt anzuwendende Vorschriften handelt. Deswegen kann auch einer Entscheidung des OLG München (Anwaltsblatt 1988, 124; zust. Thomas/Putzo ZPO 16. Aufl. § 630 Anm. 5c) nicht gefolgt werden, die analog § 630 Abs. 2 Satz 2 ZPO einen Unterhaltsvergleich, bei dem nur eine Seite anwaltlich vertreten war, als wirksam behandelt hat. Das Oberlandesgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß die Vereinbarung der Parteien vom 13. Juli 1979 der gesetzlich vorgeschriebenen Form ermangelt und damit nichtig ist (§ 125 Satz 1 BGB). Soweit der bereits zuvor vom Ehemann unterzeichnete Vergleich einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich enthält, folgt das gleiche aus § 1587o Abs. 2 Satz 1 BGB.
3. Die Formnichtigkeit der Vereinbarung vom 13. Juli 1979 ist nicht dadurch geheilt worden, daß das Familiengericht sie genehmigt hat (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1987, 494, 495; Soergel/Vorwerk BGB 12. Aufl. § 1587o Rdn. 28; MünchKomm/Strobel a.a.O. § 1587o Rdn. 20; Göppinger a.a.O. Rdn. 415; Schwab/Hahne a.a.O. Teil VI Rdn. 294). Die im Scheidungsverbundurteil vom 27. Juli 1979 ausgesprochene Genehmigung ist daher ohne Bedeutung.
4. Der Auffassung der weiteren Beschwerde, dem Antrag des Ehemannes stehe entgegen, daß das Verbundurteil vom 27. Juli 1979 bereits rechtskräftig über den Versorgungsausgleich entschieden habe, kann nicht gefolgt werden. Zwar enthält das Verbundurteil den Ausspruch, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, ohne daß dieser Ausspruch in den Gründen der Entscheidung erläutert wird. Wie bereits das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich aber lediglich um einen (an sich nicht erforderlichen) Hinweis auf die kraft Gesetzes eintretenden Rechtsfolgen des § 53d Satz 1 FGG. Verfahrensbeendigende Wirkung kommt schon dem Abschluß der Vereinbarung in Verbindung mit der Genehmigung des Gerichts zu (vgl. Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber a.a.O. § 53d FGG Rdn. 5). Stellt sich heraus, daß die Vereinbarung unwirksam war, ist das Verfahren weiterzuführen, weil es tatsächlich nicht beendet worden ist.
5. Das von Amts wegen durchzuführende Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ist somit hier durch Vereinbarungen der Parteien nicht entbehrlich geworden. Es muß nachgeholt werden. Daß der Scheidungsausspruch bereits rechtskräftig geworden ist, steht ebensowenig entgegen wie in den Fällen, in denen gemäß § 628 ZPO über die Scheidung vorab entschieden worden ist (ebenso Soergel/Vorwerk a.a.O. § 1587o Rdn. 28; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber a.a.O. § 53d FGG Rdn. 6).
6. Die weitere Beschwerde macht geltend, der Antrag des Ehemannes sei rechtsmißbräuchlich, da das Familiengericht seinerzeit durch Verfügung vom 30. April 1979 auf den Anwaltszwang hingewiesen habe, der Ehemann die Vereinbarung trotzdem ohne anwaltliche Mitwirkung abgeschlossen habe und nahezu acht Jahre bis zu seinem nunmehrigen Antrag habe verstreichen lassen. Auch dem kann nicht gefolgt werden. Gesetzliche Formvorschriften dürfen im Interesse der Rechtssicherheit in aller Regel nicht aufgrund von Billigkeitserwägungen außer acht gelassen werden. Ausnahmen gelten nur in ganz besonderen Fällen, wobei auch der Zweck und die Bedeutung der gesetzlichen Bestimmung zu berücksichtigen ist (vgl. etwa BGHZ 92, 164, 172). Die Vorschriften des § 1587o Abs. 2 Sätze 1 und 2 BGB haben nicht nur Warnfunktion für die Parteien, sondern dienen ebenso wie das Genehmigungserfordernis auch Belangen des Gemeinwohls; es soll verhindert werden, daß ein sozial schwacher Ehegatte ohne entsprechende Gegenleistung zu Lasten der Allgemeinheit auf ihm zustehende Versorgungsanrechte verzichtet (vgl. BVerfG NJW 1982, 2365, 2366). Deswegen müssen im Falle des § 1587o BGB an den Einwand des Rechtsmißbrauchs besonders strenge Anforderungen gestellt werden. Was die weitere Beschwerde hierzu vorbringt, reicht keinesfalls aus, zumal es für die Weiterführung des Verfahrens auf den Antrag des Ehemannes, wie ausgeführt, nicht entscheidend ankommt.
Fundstellen