Entscheidungsstichwort (Thema)
sexueller Mißbrauch von Kindern
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 31. Juli 1998 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes unter Einbeziehung einer Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sowie wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes zu einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, erweist sich als unbegründet, da – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 21. Dezember 1998 zutreffend ausgeführt hat – die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der ergänzenden Erörterung bedarf nur die zu § 338 Nr. 6 StPO erhobene Verfahrensrüge. Dieser liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Vor der Vernehmung der zwölfjährigen Zeugin Sabrina L., eines der beiden Tatopfer, wandte sich die Vorsitzende an die im Sitzungssaal anwesenden Zuhörer mit der Frage, ob sie bereit seien, zur Erleichterung der Aussage für die kindliche Zeugin den Sitzungssaal zu verlassen. Daraufhin verließen zwei Personen den Sitzungssaal und waren bei der Vernehmung der Zeugin nicht mehr anwesend. Zwei weitere der anwesenden Zuhörer verblieben hingegen während der gesamten Vernehmung der Zeugin im Sitzungssaal.
Die Rüge ist zulässig in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben. Soweit die Revision fälschlicherweise als vernommene Zeugin das weitere Tatopfer Cynthia L. bezeichnet hat, handelte es sich, wie der Gesamtzusammenhang des Revisionsvorbringens deutlich macht, um ein offensichtliches und damit unschädliches Schreibversehen.
Die Rüge der Verletzung der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung (§ 169 GVG) ist jedoch nicht begründet. Folgt ein Zuhörer einer vom Vorsitzenden mit sachbezogener Begründung ausgesprochenen „Bitte”, den Sitzungssaal zu verlassen, freiwillig, so liegt darin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes noch kein die Revision begründender Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 1 = NJW 1989, 465 sowie hierzu Schneiders StV 1990, 91; BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 2 = NStZ 1993, 450). Anders verhielte es sich nach den vorgenannten Entscheidungen allerdings dann, wenn die „Bitte” in Wahrheit den Charakter einer Anordnung hatte. Dies läßt sich hier jedoch nicht feststellen. Soweit die Revision insoweit geltend macht, die „Bitte” der Vorsitzenden sei mit der Äußerung verbunden worden, „anderenfalls erginge Beschluß zur Ausschließung der Öffentlichkeit”, das Verlassen des Sitzungssaales sei mithin nicht freiwillig erfolgt, ist dieses Vorbringen auch nach der Einholung weiterer dienstlicher Stellungnahmen und der anwaltlichen Versicherung des Verteidigers nicht erwiesen. Zwar mag die Verteidigung die Äußerung der Vorsitzenden möglicherweise in diesem Sinne verstanden haben. Dagegen spricht jedoch der Inhalt der dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden sowie auch der Umstand, daß andere Zuhörer den Sitzungssaal nicht verlassen haben und unbeanstandet der gesamten Zeugenvernehmung beiwohnten.
Im übrigen gibt der Fall dem Senat aber Anlaß zu der Bemerkung, daß über den Ausschluß der Öffentlichkeit das Gericht nach Maßgabe der hierfür geltenden gesetzlichen Bestimmungen (§§ 171 a ff GVG) zu entscheiden hat, wobei hier eine Anwendung des § 171 b Abs. 1 GVG oder des § 172 Nr. 4 GVG nahe gelegen hätte. Da der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht der Disposition des Gerichts oder sonstiger Prozeßbeteiligter unterliegt, besteht daneben für einen „Ausschluß auf freiwilliger Basis” grundsätzlich kein Raum.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540863 |
NStZ 1999, 426 |