Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 17.01.2005) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 17. Januar 2005 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die in der Revisionsbegründung für die Angeklagte E. vorgenommene Beschränkung der Revision ist unwirksam, da die geltend gemachte Unzuständigkeit des Gerichts nicht nur für einen Teil seiner Entscheidung geprüft werden kann.
2. Die auf § 338 Nr. 4 StPO gestützte Rüge, an Stelle der Strafkammer sei ein Jugendgericht zur Aburteilung der Angeklagten E. zuständig gewesen, ist jedoch unbegründet.
a) Ihr liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der am 31. Oktober 1980 geborenen Angeklagten war zur Last gelegt worden, ab Sommer 2001, also wenige Monate vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres, bis Frühjahr 2004 gemeinsam mit anderen eine Cannabisanbauanlage auf ihrem elterlichen Hof betrieben und damit durch eine Handlung Betäubungsmittel gewerbsmäßig unerlaubt angebaut und mit ihnen in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Nach Eröffnung des Verfahrens vor der Strafkammer hat der Verteidiger die Verweisung an das Jugendschöffengericht beantragt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat die Strafkammer jedoch das Verfahren gemäß § 154 a StPO auf den Zeitraum ab November 2001 beschränkt.
b) Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 4 StPO ist nicht gegeben. Die Strafkammer hat die Angeklagte E. nur wegen Straftaten verurteilt, die sie als Erwachsene begangen hat. Damit war ihre Zuständigkeit im allein maßgeblichen Urteilszeitpunkt gegeben (vgl. BGHSt 1, 346 f.; 10, 64 f.). Insofern ist auch ohne Belang, daß der Teil des Tatgeschehens, den die Angeklagte als Heranwachsende begangen hat, vor der Hauptverhandlung durch Verfahrensbeschränkung nach § 154 a StPO von der Verfolgung ausgenommen worden ist (vgl. BGH NStZ 1991, 503; aA Eisenberg/Sieveking NStZ 1992, 295; ebenso für den Fall der Teileinstellung bzw. Beschränkung gemäß §§ 154, 154 a StPO schon mit dem Eröffnungsbeschluß BGH NStZ 1996, 244).
c) Ein Fall gezielter Umgehung jugendgerichtlicher Zuständigkeit zur Vermeidung der Anwendung von Jug endrecht liegt hier offensichtlich nicht vor. Da die Angeklagte E. zu Tatbeginn bereits 20 ¾ Jahre alt war und es sich bei dem Betrieb einer größeren Cannabisproduktion nicht um eine typische Jugendverfehlung handelt, erscheint es bereits fraglich, ob für den auf das Heranwachsendenalter entfallenden Tatabschnitt überhaupt die Anwendung von Jugendstrafrecht in Betracht gekommen wäre. Jedenfalls läge das Schwergewicht der Taten gemäß § 32 JGG nach Sachlage bei denjenigen, auf die allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre. Hierfür spricht insbesondere, daß die Angeklagte E. nach dem Zerwürfnis mit ihrem früheren Lebensgefährten im Herbst 2002 die organisatorische Abwicklung und Vermarktung übernahm, während ihre Mitarbeiter nur untergeordnete Tätigkeiten verrichteten.
3. Soweit das Landgericht bei der Angeklagten E. von nur einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgegangen ist, könnte dies Bedenken begegnen. Jedenfalls in einem Fall wie hier, in dem mehrere Ernten aus jeweils gesonderten Anbauvorgängen gewonnen und anschließend vermarktet worden sind, liegt die Annahme mehrerer selbständiger Taten des Handeltreibens nahe. Daher könnten die im Tatzeitraum festgestellten vier Ernten als vier selbständige Taten zu bewerten sein. Die Angeklagte wäre durch einen etwaigen Rechtsfehler jedoch nicht beschwert, da auch bei den einzelnen Ernten die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten worden ist.
4. Bei der Strafzumessung hat die Strafkammer bei beiden Angeklagten rechtsfehlerhaft nicht erörtert, ob die Strafrahmenuntergrenze nach § 31 Nr. 1 BtMG i. V. m. § 49 Abs. 2 StGB abzusenken ist (allerdings entgegen der Revisionsbegründung der Angeklagten E. nicht auf bis zu drei Monate Freiheitsstrafe, sondern bis zum gesetzlichen Mindestmaß). Der Senat kann jedoch von einer Aufhebung des Strafausspruchs nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO absehen, da die verhängten Strafen angemessen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Aufklärungshilfe bei der Strafzumessung ausdrücklich mildernd berücksichtigt worden ist und die Verhängung einer Strafe im Bereich der Mindeststrafe angesichts der Schwere der begangenen Taten, insbesondere der außerordentlich großen Menge von Marihuana, die in den Handel gelangt ist
oder im Fall II. 3 der Urteilsgründe in den Handel gelangen sollte, nicht in Betracht kommt. Bei dem Angeklagten R. war die Aufklärungshilfe, wie dem Zusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden kann, allenfalls in geringem Umfang zu bewerten.
Die Erwiderungsschrift des Verteidigers der Angeklagten E. vom 18. April 2005 hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, Pfister, Becker, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2556716 |
NStZ 2005, 650 |
StraFo 2005, 470 |