Entscheidungsstichwort (Thema)
Erinnerung oder Vollstreckungsgegenklage gegen Vollstreckung einer Geldbuße
Leitsatz (amtlich)
Einwände gegen die Vollstreckung einer Geldbuße nach § 204 Abs. 3 Satz 1 BRAO sind je nach der Art des Einwands im Wege der Erinnerung an das Vollstreckungsgericht (§ 766 ZPO) oder der Vollstreckungsgegenklage an das Prozessgericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 767 ZPO) geltend zu machen.
Normenkette
BRAO § 204 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Bayerischer AGH (Beschluss vom 11.08.2008; Aktenzeichen BayAGH III-2/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats des Bayerischen AGH vom 11.8.2008 wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Der Antragsteller ist durch Urteil des AGH vom 29.7.1999 () zu einer Geldbuße von 5.000 M verurteilt worden, welche die Antragsgegnerin vollstreckt. Im Rahmen dieser Vollstreckung ist der Antragsteller von dem zuständigen Gerichtsvollzieher zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen worden. Dagegen wendet er sich mit einer Vollstreckungsgegenklage. Er macht geltend, die förmlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung lägen nicht vor. Außerdem rechnet er mit die Geldbuße übersteigenden Schadensersatzforderungen gegen die Antragsgegnerin auf.
[2] Die an den AGH gerichtete Klage hat dieser an das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer verwiesen. Dieses hat die Klage als Antrag nach §§ 116 Satz 2 BRAO, 458 StPO gewertet und als unbegründet zurückgewiesen. Die Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei formell in Ordnung gewesen. Eine Aufrechnung gegen die Geldbuße der Natur der Sache nach ausgeschlossen, jedenfalls seien die Schadensersatzansprüche weder gerichtlich festgestellt noch anerkannt. Zumindest seien sie nicht substantiiert. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat der AGH aus den von dem Anwaltsgericht angeführten Gründen zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde.
II.
[3] Das Rechtsmittel ist unzulässig.
[4] 1. Die Entscheidung des AGH über eine Beschwerde im Verfahren nach § 116 Satz 2 BRAO i.V.m. §§ 458 Abs. 1, 462 Abs. 3 Satz 1 StPO ist nicht anfechtbar. Sie entspricht nämlich einer Entscheidung des OLG, gegen die nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (Senat, Beschl. v. 12.2.2001, AnwSt (B) 2/00, BRAK 2001, 139; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 116 Rz. 67).
[5] 2. An diesem Ergebnis ändert es nichts, dass die Anträge des Antragstellers nicht als Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung nach § 458 Abs. 1 StPO hätten behandelt werden dürfen, sondern teilweise als Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO und teilweise als Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO behandelt werden müssen. Denn auch bei verfahrensmäßig richtiger Behandlung der Anträge wäre ein Rechtsmittel zum BGH nicht statthaft.
[6] a) Die Vollstreckung von Geldbußen im anwaltsgerichtlichen Verfahren erfolgt gem. § 204 Abs. 3 Satz 1 BRAO nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten. Mit dieser auf die ursprüngliche Fassung der Bundesrechtsanwaltsordnung zurückgehenden Regelung wollte der Gesetzgeber für die Vollstreckung von Geldbußen die gleiche Rechtslage herstellen wie für die Vollstreckung von Kammerbeiträgen nach dem heutigen § 84 Abs. 3 BRAO (= § 97 Abs. 3 BRAO-E) und des Zwangsgelds nach dem heutigen § 57 Abs. 4 BRAO (= § 69 Abs. 6 BRAO-E) (BT-Drucks. III/120 S. 119 f. zu § 219 BRAO-E). Danach kann sich der Rechtsanwalt gegen Verstöße gegen formelles Vollstreckungsrecht mit der Erinnerung nach § 766 ZPO an das Vollstreckungsgericht zur Wehr setzen. Gegen die Vollstreckung des Kammerbeitrags ist nach § 84 Abs. 3 BRAO die Vollstreckungsgegenklage zulässig, und zwar zu den ordentlichen Gerichten, die allerdings an die Kammerbeschlüsse gebunden sind (BGHZ 55, 255). Angesichts des Willens des Gesetzgebers, die gleiche Rechtslage zu schaffen, liegt es sowohl beim Zwangsgeld nach § 57 BRAO als auch bei der Geldbuße nach § 204 BRAO genauso. Die Sache hätte deshalb nicht an das Anwaltsgericht, sondern an die ordentlichen Gerichte verwiesen werden müssen, und zwar hinsichtlich des Einwands gegen die Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an das Vollstreckungsgericht und im Übrigen an das Prozessgericht.
[7] b) Eine Verweisung an diese Gerichte kommt gem. § 17a Abs. 5 GVG nicht mehr in Betracht. Der Antragsteller darf dadurch aber nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung nicht schlechter gestellt werden, als er bei verfahrensmäßig richtigem Vorgehen stünde. Auch dann wäre allerdings ein Rechtsmittel zum BGH nicht gegeben.
[8] aa) Die Einwände des Antragstellers gegen die Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, die als Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO zu behandeln gewesen wären, könnten zwar mit einer Rechtsbeschwerde zur Überprüfung durch den BGH gestellt werden. Diese ist aber nach § 574 Abs. 1 ZPO nur statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zulässt. Der AGH hat ein Rechtsmittel indessen nicht zugelassen. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO liegen auch nicht vor. Die Einwände des Antragstellers gegen die Ladung haben keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des BGH ist auch weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts erforderlich.
[9] bb) Hinsichtlich der Aufrechnung wäre die Sache an das Prozessgericht abzugeben gewesen. Gegen das Berufungsurteil des LG wäre ein Rechtsmittel nur bei Zulassung durch das Berufungsgericht gegeben gewesen, weil der in § 26 Nr. 8 EGZPO bestimmte Beschwerdewert für die Nichtzulassungsbeschwerde von mehr als 20.000 EUR nicht erreicht ist. Die Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO entsprechen denen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Sie sind auch insoweit nicht ersichtlich.
[10] 3. Ein statthaftes Rechtsmittel wäre im Übrigen auch unbegründet. Die Voraussetzungen des § 807 ZPO für die Ladung zur eidesstattlichen Versicherung lagen vor. Eine Aufrechnung setzte, wie das Anwaltsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, um den Zweck der Geldbuße nicht zu vereiteln, in Rechtsanalogie zu § 459 StPO i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrO und § 226 Abs. 3 AO voraus, dass die zur Aufrechnung gestellte Forderung gerichtlich festgestellt oder anerkannt war. Daran fehlt es.
III.
[11] Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (BGHZ 44, 25).
Fundstellen