Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 04.11.2020; Aktenzeichen 6 KLs 39/20 36 Js 481/19) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 4. November 2020 aufgehoben
- im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt worden ist, wobei die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
- im Maßregelausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen unter Einbeziehung zweier Vorstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Vorwurf der versuchten gefährlichen Köperverletzung (II.1 der Urteilsgründe) warf der Angeklagte, dessen Steuerungsfähigkeit aufgrund einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis erheblich vermindert war, zunächst drei bis vier leere 20 ml-Schnapsflaschen aus Glas, anschließend nacheinander zwei leere 0,33 l-Glasflaschen mit Verletzungsvorsatz in Richtung des Ehepaars A., ohne jedoch zu treffen.
Rz. 3
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen hat keinen Bestand, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB) nicht erkennbar geprüft hat. Ein solcher lag nicht allein deshalb fern, weil der Angeklagte die Zeugen mit den Flaschenwürfen verfehlt und sich nach dem Hinweis des Zeugen A., dass die Polizei gleich eintreffe, entfernt hatte. Vielmehr hätte das Landgericht die insofern allein maßgebliche subjektive Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung feststellen müssen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2020 – 6 StR 43/20, Rn. 9; Beschluss vom 5. September 2019 – 4 StR 394/19, NStZ 2020, 82, Rn. 6; jeweils mwN). Zu diesem Rücktrittshorizont lassen sich dem Urteil keine Feststellungen entnehmen. Derer hätte es jedoch bedurft, zumal sich bei dem Angeklagten die hohe aggressive Anspannung (UA S. 28) abgebaut haben und daher ein Abflauen der Aggressionen handlungsbestimmend gewesen sein könnte (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, Rn. 8). Den Urteilsgründen lässt sich ferner nicht hinreichend sicher entnehmen, ob dem Angeklagten eine nach seiner Vorstellung noch mögliche Fortsetzung der Tat aufgrund des zu erwartenden Eintreffens der Polizei zu risikoreich erschien (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ-RR 2007, 136, 137).
Rz. 4
2. Infolge dieses Erörterungsmangels kann der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung keinen Bestand haben. Die zu dieser Tat bisher getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können jedoch aufrechterhalten bleiben; das neue Tatgericht wird nur zur inneren Tatseite ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
II.
Rz. 5
Die Teilaufhebung lässt die Einzelstrafe für die weitere Tat (II.2 der Urteilsgründe) unberührt; die Gesamtstrafe muss indessen entfallen. Der Senat hebt zudem die Entscheidung über die Anordnung der Maßregel auf, weil er nicht ausschließen kann, dass das Landgericht beim Vorliegen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung wegen des Entfallens einer von nur zwei Anlasstaten von der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) abgesehen hätte. Denn ein etwaiger Rücktritt hätte bei der Gefährlichkeitsbeurteilung Berücksichtigung finden müssen. Um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat auch die der Gesamtstrafenbildung und der Maßregelanordnung zugrundeliegenden Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).
Unterschriften
Sander, Feilcke, Tiemann, Fritsche, von Schmettau
Fundstellen
Dokument-Index HI14473102 |