Verfahrensgang
LG Stralsund (Urteil vom 08.03.2019; Aktenzeichen 526 Js 10606/17 22 KLs 28/18) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 8. März 2019 mit den Feststellungen, soweit diese im angefochtenen Urteil getroffen worden sind, aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang durch Urteil vom 6. November 2017 wegen „Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht in acht Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit versuchtem sexuellen Übergriff und exhibitionistischer Handlung (Fall II. 5 der Urteilsgründe) sowie in zwei Fällen tateinheitlich mit sexueller Belästigung” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Auf die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 19. September 2018 (2 StR 153/18) dieses Urteil im Schuldspruch zu Fall II. 5 der Urteilsgründe, im gesamten Strafausspruch sowie im Adhäsionsausspruch, soweit dieser die Verpflichtung des Angeklagten zum Ersatz bereits entstandener immaterieller und materieller Schäden betraf, jeweils mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Im Übrigen hatte der Senat das Rechtsmittel verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten – nach Rücknahme des Adhäsionsantrags durch den Adhäsionskläger und nach Beschränkung des Verfahrens nach § 154a Abs. 2 StPO im Fall II. 5 der Urteilsgründe auf den Vorwurf eines Vergehens gemäß § 145a StGB – wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in acht Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Belästigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat wiederum Erfolg.
I.
Rz. 3
Die Verurteilung im Fall II. 5 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung erneut nicht stand. Die im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht nicht. Eine Bezugnahme auf die zu Fall II. 5 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen des ersten Urteils vom 6. November 2017 war dem Landgericht im zweiten Rechtsgang verwehrt, nachdem der Senat durch Beschluss vom 19. September 2018 diese Feststellungen aufgehoben hatte (vgl. Senat, Beschluss vom 28. März 2007 – 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; Beschluss vom 8. September 2015 – 2 StR 136/15, BeckRS 2015, 17203; KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl., § 267 Rn. 4 mwN). Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden Ausführungen der Zuschrift des Generalbundesanwalts an.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Der gesamte Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Im Rahmen der Strafzumessung hat die Jugendschutzkammer dem Angeklagten unter anderem seine „erheblichen Vorstrafen” sowie den Umstand straferschwerend angelastet, er habe „mehrfach Freiheitsstrafen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verbüßt”. Diese Erwägungen sind indes nicht mit innerprozessual bindenden oder im zweiten Rechtsgang neu getroffenen Feststellungen unterlegt.
Rz. 5
1. Im Hinblick auf die Fälle II. 1 bis 4 und II. 6 bis 8 der Urteilsgründe waren lediglich die im ersten Rechtsgang getroffenen, (auch) für den Schuldspruch relevanten Feststellungen zu der letzten Verurteilung des Angeklagten vom 23. Dezember 1999 durch das Landgericht Schwerin wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in neun und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen bindend geworden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 139/14, juris Rn. 14 ff., NStZ 2015, 182, 183; Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16, juris Rn. 12, BGHSt 62, 202, 204 f.; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 353 Rn. 30).
Rz. 6
2. Im Übrigen hatten die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen zur Person des Angeklagten und seinen Vorstrafen, auf die das Landgericht im zweiten Rechtsgang ausdrücklich Bezug nimmt, ausschließlich für den Strafausspruch Bedeutung. Diese Feststellungen aber waren von der Urteilsaufhebung durch den Senatsbeschluss vom 19. September 2018 erfasst und hätten daher im Urteil des zweiten Rechtsgangs nicht lediglich wörtlich wiedergegeben werden dürfen, sondern hätten erkennbar neu getroffen werden müssen (Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2012 – 2 StR 481/12, BeckRS 2013, 2238; Beschluss vom 8. September 2015 – 2 StR 136/15, BeckRS 2015, 17203; BGH, Beschluss vom 20. November 2016 – 4 StR 542/16, NStZ 2017, 108; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 353 Rn. 20c). Mithin enthalten die nunmehr vorliegenden Urteilsgründe keine (vollständigen) Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten sowie zu mehreren einschlägigen Vorstrafen und somit keinen hinreichenden Strafzumessungssachverhalt.
III.
Rz. 7
Sowohl der Schuldspruch im Fall II. 5 der Urteilsgründe als auch der gesamte Strafausspruch bedürfen auf der Grundlage eigens zu treffender Feststellungen neuer Prüfung und Entscheidung durch das Landgericht. Hierbei wird sich der neue Tatrichter nochmals zur Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu verhalten haben, da die diesbezüglichen – an sich rechtsfehlerfreien – Feststellungen und Wertungen des zweiten Rechtsgangs von der neuerlichen Aufhebung des Strafausspruchs erfasst sind (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 363/15, juris Rn. 11, BeckRS 2015, 20784; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 353 Rn. 20c).
Unterschriften
Franke, Appl, Krehl, Meyberg, Grube
Fundstellen
Dokument-Index HI14045032 |