Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.03.2019; Aktenzeichen 7560 Js 206693/13 5/29 KLs 14/16) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. März 2019
- im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben und
- in der Einziehungsentscheidung dahingehend geändert, dass gegen die Angeklagte F. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 262.554,05 EUR angeordnet wird, von denen sie in Höhe von 91.480,85 EUR als Gesamtschuldnerin haftet, sowie gegen den Angeklagten H. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 91.480,85 EUR, für die er als Gesamtschuldner haftet.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte F. wegen Betruges durch zwei selbständige Handlungen, von denen durch die eine 45, durch die andere 20 tateinheitliche Fälle verwirklicht wurden, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, den Angeklagten H. wegen Betruges in 69 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten. Es hat ausgesprochen, dass jeweils zwei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten und dass hinsichtlich der Angeklagten F. ein Betrag in Höhe von 262.554,05 EUR und hinsichtlich des Angeklagten H. ein Betrag in Höhe von 91.480,85 EUR einzuziehen sind. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen, haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Entgegen der Auffassung der Revisionen liegen die Prozessvoraussetzungen vor, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat. Auch hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Rz. 3
2. Indes kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.
Rz. 4
a) Die Strafkammer hat bei der Einzelstrafbemessung besonders dem Umstand Gewicht zu Lasten beider Angeklagten beigemessen, dass sie eine Durchsuchungsmaßnahme im November 2013, der Angeklagte H. „sogar noch eine weitere Durchsuchungsmaßnahme ein Jahr hierauf” nicht zum Anlass nahmen, „ihre Umtriebe einzustellen”. Im Widerspruch hierzu führt die Strafkammer zum Verfahrensgang aus, eine erste Durchsuchung habe am 25. November 2014, eine weitere am 4. November 2015 stattgefunden. Dieser Widerspruch lässt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht auflösen.
Rz. 5
b) Da ausweislich der Urteilsfeststellungen nach dem 25. November 2014 nur noch die Fälle 67 und 69 begangen wurden, für die allein der Angeklagte H. verurteilt wurde, kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer von einem unzutreffenden Schuldumfang ausgegangen ist und das Urteil hierauf beruht. Dies nötigt zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den Feststellungen, hierüber ist neu zu befinden.
Rz. 6
c) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, die jeweiligen Tatbeiträge und das jeweilige Tatinteresse der Angeklagten im Verhältnis zueinander in den Blick zu nehmen. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung geben dem Senat ferner Anlass zu dem Hinweis, dass rechtmäßiges Verteidigungsverhalten (etwa die bestreitende Einlassung der Angeklagten F. zum Fortbestand ihrer Gesellschaften) ebenso wenig strafschärfend berücksichtigt werden darf, wie Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind (§ 46 Abs. 3 StGB), wie etwa allein das Machen unwahrer Angaben (über die Gesellschaften, die den Geschädigten gegenüber als Vertragspartner präsentiert wurden) bei den Betrugshandlungen.
Rz. 7
3. Die Einziehungsentscheidung bedarf lediglich der aus der Beschlussformel ersichtlichen Korrektur.
Rz. 8
a) Wie aus den Urteilsgründen ersichtlich ist, will die Strafkammer (entsprechend auch der Liste der angewendeten Vorschriften) die Einziehung des Wertes von Taterträgen anordnen. Der Senat stellt den Tenor entsprechend klar.
Rz. 9
Der Einziehung bei den Angeklagten steht nicht entgegen, dass die Erträge aus den abgeurteilten Betrugstaten von den Geschädigten auf Konten der S. GmbH, der C. GmbH oder der He. GmbH eingezahlt worden waren (zur Einziehung beim Zufluss an eine juristische Person vgl. Senat, Beschluss vom 7. September 2016 – 2 StR 352/15, NStZ 2017, 151 mwN; Urteil vom 29. November 2017 – 2 StR 271/17; BGH, Beschlüsse vom 14. November 2018 – 3 StR 447/18, NZI 2019, 305; vom 17. Januar 2019 – 4 StR 486/18, NZWiSt 2019, 321; BVerfG NJW 2005, 3630). Dahinstehen kann, was nach den Urteilsgründen nicht fernliegt, ob die bei den Gesellschaften jeweils eingetretene Vermögensmehrung der Angeklagten F. bereits aufgrund faktischer Verschmelzung der Vermögensmassen zuzurechnen wäre. Denn die Strafkammer hat ohne Beschwer für die Angeklagten die Einziehung auf – rechtsfehlerfrei festgestellte – Erlöse beschränkt, die die Gesellschaften aus den ertrogenen Beträgen ab Januar 2012 an die Angeklagten weitergeleitet bzw. zur Begleichung von deren privaten Verbindlichkeiten gezahlt hatten. Deren Einziehung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um einen indirekten Vermögenszufluss handelt (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2019 – 3 StR 294/19, NJW 2020, 1309). Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen belegen hinreichend, dass die den Angeklagten ab Januar 2012 zugeflossenen Vermögenswerte aus den Zahlungen der Geschädigten stammten und dass sie als Gegenleistung für die Tatbeteiligung der Angeklagten geleistet wurden, an den Angeklagten H. für das tatplangemäße betrügerische Einwerben von Kunden, an die Angeklagte F. für ihre Mitwirkung im Zusammenhang mit den spätestens ab Januar 2012 allein zum Zwecke der Begehung der festgestellten Betrugstaten geführten Gesellschaften.
Rz. 10
b) Da hinsichtlich der dem Angeklagten H. weitergeleiteten Taterträge nicht auszuschließen ist, dass die Angeklagte F. daran zuvor (mit Zufluss an die Gesellschaften) Mitverfügungsgewalt erlangt hat, hat der Senat die Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte H. als Gesamtschuldner haftet.
Unterschriften
Franke, Appl, Krehl, Meyberg, Grube
Fundstellen
Dokument-Index HI13925418 |