Gründe
Gegen das Urteil des Landgerichts vom 24. Oktober 1994 hat die Staatsanwaltschaft am 26. Oktober 1994 Revision eingelegt. Am 30. November 1994 wurde ihr das angefochtene Urteil zugestellt. Die - weder unterschriebene noch mit einem Beglaubigungsvermerk versehene - Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ging beim Landgericht am 5. Dezember 1994 ein, wurde von dort an die Staatsanwaltschaft zurückgegeben, vom zuständigen Staatsanwalt am 12. Januar 1995 unterschrieben und an das Landgericht zurückgeleitet, wo sie am 23. Januar 1995 erneut einging. Mit Beschluß vom 25. Januar 1995 hat das Landgericht das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil die Revisionsanträge "nicht in gehöriger Form fristgerecht angebracht" worden seien.
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts. Sie ist der Auffassung, die Revisionsbegründung sei nicht verspätet, da ihr das Urteil vom 24. Oktober 1994 nicht wirksam zugestellt worden sei und infolgedessen die Begründungsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Im Zeitpunkt der Urteilszustellung sei das Sitzungsprotokoll vom 20. Oktober 1994 nämlich noch nicht fertiggestellt gewesen, weil der Vorsitzende in der Niederschrift eine Ergänzung vorgenommen habe, die von der Protokollführerin nicht abgezeichnet worden sei. Diese Ausführungen treffen zu.
Zwar war die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft zunächst unwirksam, weil sie nicht unterschrieben oder zumindest - was ausgereicht hätte - mit einem Beglaubigungsvermerk versehen war (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 42. Aufl. § 346 Rdn. 23). Das war jedoch unschädlich; denn das angefochtene Urteil war der Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirksam zugestellt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine Urteilszustellung unwirksam, wenn das Hauptverhandlungsprotokoll zum Zeitpunkt der Zustellung zwar vom Urkundsbeamten und vom Vorsitzenden unterschrieben worden ist, der Urkundsbeamte sich aber zu den vom Vorsitzenden eingefügten sachlichen Ergänzungen noch nicht erklärt hat. In diesem Fall beginnt die Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO auch dann nicht, wenn die Protokollergänzungen für die eingereichte Revisionsbegründung ohne Bedeutung sind (BGHSt 37, 287).
So verhält es sich hier. Die Protokollführerin hatte in der Niederschrift vom 20. Oktober 1994 einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß § 154a StPO nur unvollständig wiedergegeben und durch eine Punktierung (...) zum Ausdruck gebracht, daß sie "an den gestellten Antrag keine eigene Erinnerung mehr hatte".
Dies ergibt sich aus der dienstlichen Erklärung der Protokollführerin vom 9. Februar 1995. Zwar war der Vorsitzende unter diesen Umständen befugt, von sich aus die Lücke in der Niederschrift anhand seiner Unterlagen oder aus seiner Erinnerung zu schließen. Er hätte jedoch anschließend das so ergänzte Protokoll der Urkundsbeamtin zur Genehmigung vorlegen müssen; denn die Ergänzung betraf keinen für den Verfahrensgang völlig unbedeutenden Protokollteil. Die Urkundsbeamtin hätte daher jedenfalls Gelegenheit erhalten müssen, sich hierzu zu äußern (BGHSt aaO.). Dies war auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Protokollführerin sich (zunächst) nicht mehr an den Wortlaut des Antrages der Staatsanwaltschaft zu erinnern vermochte; es war nämlich nicht von vornherein auszuschließen, daß sie, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, auf Grund der vom Vorsitzenden vorgenommenen Ergänzung sich doch wieder erinnerte und dazu sachlich - zustimmend oder ablehnend - erklären konnte. Eine allgemeine vorweggenommene Zustimmung zu der Ergänzung, gleich welchen Inhalts, war in der Vorlage an den Vorsitzenden jedenfalls nicht zu erblicken.
War mithin das Sitzungsprotokoll vor der Zustellung des Urteils an die Beteiligten nicht ordnungsgemäß fertiggestellt, so fehlte es an einer wesentlichen Voraussetzung für den Beginn der Revisionsbegründungsfrist. Das Landgericht hätte deshalb die am 12. Januar 1995 in der gehörigen Form begründete Revision der Staatsanwaltschaft nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Der Beschluß vom 25. Januar 1995 war daher aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 2993343 |
NStZ 1996, 22 |
wistra 1995, 273 |
StV 1995, 568 |