Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 25.11.2005) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 25. November 2005 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen B., S. und E. im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Zu der von dem Angeklagten P. erhobenen Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren durch die Terminsanberaumung des Vorsitzenden bemerkt der Senat ergänzend:
- Das vor dem Schwurgericht anhängige Verfahren richtete sich gegen fünf Angeklagte, die sich bereits seit einem Jahr in Untersuchungshaft befanden. Neben sechs Verteidigern waren drei Nebenklägerinnen sowie deren anwaltliche Vertreter an dem Verfahren beteiligt. 23 Zeugen waren zu laden. Nach wochenlangen intensiven Terminsabklärungen beraumte der Vorsitzende am 4. Oktober 2005 Termin zur Hauptverhandlung auf den 25., 26., 27. und 28. Oktober 2005 an. Dem Beschwerdeführer, der durch Rechtsanwalt L. als Wahlverteidiger verteidigt wurde, ordnete er zusätzlich einen Pflichtverteidiger bei, nachdem Rechtsanwalt L. zuvor mitgeteilt hatte, dass er am 26. Oktober 2005 verhindert sei, weil er an diesem Tag einen Termin vor dem Schöffengericht Saarbrücken wahrnehmen werde. Dem von Rechtsanwalt L. daraufhin gestellten Antrag auf Aufhebung des Hauptverhandlungstermins vom 26. Oktober 2005 lehnte der Vorsitzende ab, weil die anberaumten Termine nur nach wochenlangen Abstimmungen mit allen Beteiligten hätten ermöglicht werden können und weiteren Verfahrensverzögerungen das Beschleunigungsgebot entgegenstünde.
- Weder die Terminsanberaumung vom 4. Oktober 2005 noch die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Hauptverhandlungstermins vom 26. Oktober 2005 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren.
Grundsätzlich hat ein Angeklagter das Recht, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BGH NStZ 1998, 311, 312; Senat, Beschluss vom 19. Januar 2006 – 1 StR 409/05 –). Daraus folgt aber nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden könnte. Die Terminierung ist grundsätzlich Sache des Vorsitzenden. Hierüber und insbesondere über Anträge auf Terminsverlegungen oder -aufhebungen hat er nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu entscheiden. Nichts anderes gilt bei entsprechenden Anträgen, die mit der Verhinderung eines Verteidigers begründet werden (Senat aaO).
Das Landgericht hat sich ersichtlich an diesen Grundsätzen ausgerichtet, nach denen die Terminierung wie auch die Ablehnung einer Verlegung des Termins vom 26. Oktober 2005 sachgerecht erscheint. Zu Recht hat das Landgericht insbesondere das dem Interesse der Angeklagten dienende und das gesamte Strafverfahren erfassende Beschleunigungsgebot in den Vordergrund gestellt. Dieses Gebot unterliegt strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. etwa BVerfG NJW 2006, 672, 673; BVerfG StraFo 2006, 196). Insbesondere in Haftsachen zwingt es dazu, dass die Hauptverhandlung so bald und so schnell wie möglich durchgeführt wird. Das Landgericht hatte sich entsprechend seiner prozessualen Fürsorgepflicht ernsthaft bemüht, zeitnahe Termine zu finden, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden. Die verbleibende Terminskollision des Wahlverteidigers des Beschwerdeführers betraf einen der fünf inhaftierten Angeklagten für einen von vier Verhandlungstagen. Eine Vermeidung dieser Kollision wäre nur durch eine Verlängerung der Hauptverhandlung möglich gewesen, deren Ausmaß wegen der notwendigen terminlichen Abstimmung mit den zahlreichen Prozessbeteiligten und der Terminslage der Kammer ungewiss war. Bei dieser Sachlage hatte das Landgericht der schnellstmöglichen Durchführung der Hauptverhandlung Vorrang zu geben, zumal es davon ausgehen konnte, dass der zur Verfahrenssicherung bestellte Verteidiger zu ordnungsgemäßer Verteidigung des Beschwerdeführers in der Lage war. Der Senat kann dabei offenlassen, ob der
Wahlverteidiger hinreichend deutlich gemacht hat, warum der Termin vor dem Amtsgericht Saarbrücken gegenüber dem vorliegenden Schwurgerichtsverfahren für ihn vorrangig sein musste.
Unterschriften
Nack, Wahl, Kolz, Elf, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2554557 |
NStZ 2006, 513 |
NStZ-RR 2006, 271 |
StV 2006, 625 |
StraFo 2006, 371 |