Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich. Rentenanrechte
Leitsatz (amtlich)
Rentenanrechte, die in der neuen Ehe durch Entrichtung von Wiederauffüllungsbeiträgen (§ 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) für Zeiten einer früheren Ehe erworben worden sind, unterliegen dem bei Scheidung der neuen Ehe durchzuführenden Versorgungsausgleich.
Normenkette
BGB § 1587 Abs. 1 S. 1, § 1587b Abs. 1 S. 1; SGB VI § 187 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Pfälzischen OLG Zweibrücken als Familiensenat vom 20.4.2004 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.000 EUR
Gründe
I.
[1] Die Parteien streiten um die Höhe des Versorgungsausgleichs.
[2] Die am 10.7.1981 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 10.7.2003 zugestellten Antrag durch Verbundurteil vom 3.12.2003 geschieden (insoweit rechtskräftig) und der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt.
[3] In der Ehezeit (1.7.1981 bis 30.6.2003, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar die Antragstellerin (im Folgenden Ehefrau, geb. 19.6.1947) i.H.v. 395,97 EUR, der Antragsgegner (im Folgenden Ehemann, geb. am 14.4.1931) i.H.v. 642,03 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf den 30.6.2003. Die vom Ehemann erworbenen Anrechte beruhen teilweise - i.H.v. 232,62 EUR - auf Wiederauffüllungsbeiträgen. Mit diesen Beiträgen (i.H.v. insgesamt 59.802,21 DM = 30.576,38 EUR), die der Ehemann in der Ehe geleistet hat, hat es folgende Bewandtnis: Im Zusammenhang mit der Scheidung seiner ersten Ehe (1.11.1953 bis 31.8.1979) waren von seinem Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanrechte i.H.v. 236,90 DM, bezogen auf den 31.8.1979, auf das Rentenversicherungskonto seiner ersten Ehefrau übertragen worden. Die dadurch bedingte Minderung seiner Rentenanrechte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist durch die Leistung der Wiederauffüllungsbeiträge vollständig ausgeglichen worden. Durch diese Beitragszahlungen sind insgesamt 899,56 Werteinheiten = 8,9956 Entgeltpunkte (§ 264 SGB VI) begründet worden. Diese Entgeltpunkte ergeben, bezogen auf das Ende der zweiten Ehezeit, monatliche Rentenanrechte i.H.v. 232,62 EUR. Der Ehemann bezieht seit dem 1.11.1993 eine Vollrente wegen Alters.
[4] Das AG hat die durch die Wiederauffüllungsbeiträge begründeten Anrechte nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen; es hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Anrechte i.H.v. (409,41 EUR - 395,97 EUR = 13,44 EUR : 2 =) 6,72 EUR auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz übertragen hat. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das OLG die Entscheidung des AG abgeändert und vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Anrechte i.H.v. (409,41 EUR + 232,62 EUR - 395,97 EUR = 246,06 EUR : 2 =) 123,03 EUR auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz übertragen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemannes, mit der er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
II.
[5] Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
[6] 1. Das OLG geht davon aus, dass die Anrechte, die der Ehemann in der Zeit der zweiten Ehe, aber für in der ersten Ehe liegende Zeiten durch Leistung von Wiederauffüllungsbeiträgen begründet hat, zum Versorgungsausgleich bei Scheidung der zweiten Ehe heranzuziehen sind. Nach dem sog. "In-Prinzip" seien in der Ehezeit aus dem Vermögen geleistete Beiträge auch dann der Ehezeit zuzurechnen, wenn sie für Zeiten vor der Ehe gezahlt worden seien. Es seien mithin auch solche Rentenanwartschaften in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, die in der Ehezeit durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für voreheliche Zeiten begründet worden seien. So liege der Fall auch hier. Zwar habe der Ehemann lediglich sog. Wiederauffüllungsbeiträge geleistet, mit denen die durch den Versorgungsausgleich im Rahmen der Scheidung seiner ersten Ehe eingetretene Minderung seiner Rentenanwartschaften ausgeglichen worden sei. Die Interessenlage sei indes dieselbe wie in Fällen, in denen die Ehegatten freiwillige oder Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hätten; der dem sog. In-Prinzip zugrunde liegende Gedanke betreffe alle diese Fallgestaltungen in gleicher Weise. Die Inanspruchnahme des Ehemannes unter Berücksichtigung der von ihm geleisteten Wiederauffüllungsbeiträge sei auch nicht unbillig. Dies könnte allenfalls dann zweifelhaft sein, wenn die Beiträge nicht aus einem dem Zugewinnausgleich unterliegenden Vermögen gezahlt worden seien. Dafür fehle hier indes jeder Hinweis.
[7] 2. Diese Ausführungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
[8] Nach §§ 1587 Abs. 1 Satz 1, 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich statt, soweit für die Ehegatten oder einen von ihnen in der Ehe Versorgungsanrechte begründet werden. Aus dem damit ausdrücklich festgeschriebenen "In-Prinzip" hat der Senat gefolgert, dass auch solche Versorgungsanrechte in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind, die in der Ehezeit durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für voreheliche Zeiten begründet worden sind. Das Ergebnis rechtfertigt sich zum einen aus dem Gedanken der Ehe als einer Versorgungsgemeinschaft, die grundsätzlich alle während der Ehe begründeten Anrechte erfasst. Es erklärt sich aber auch aus dem Zusammenwirken von Zugewinn- und Versorgungsausgleich, die beide auf dem Gedanken der gleichberechtigten Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Vermögen bzw. Versorgungsvermögen beruhen. Dieses Zusammenwirken würde gestört, wenn Versorgungsanrechte, die ein Ehegatte in der Ehe für voreheliche Zeiten erwirbt, dem Versorgungsausgleich entzogen wären. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Vermögensgegenstände, die zum Erwerb dieser Versorgungsanrechte eingesetzt worden sind, ansonsten dem Zugewinnausgleich unterlägen. Denn dann wäre weder das mit diesen Mitteln erworbene Versorgungsvermögen - weil nicht für Ehezeiten begründet - als solches auszugleichen, noch wären die zu seinem Erwerb eingesetzten Vermögensgegenstände dem Zugewinnausgleich unterworfen, da sie im Endvermögen als solche nicht mehr vorhanden sind. Einer solchen Störung wird durch das "In-Prinzip" begegnet, das die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte auch dann dem Versorgungsausgleich unterwirft, wenn diese Versorgungsanrechte für voreheliche Zeiten begründet worden sind.
[9] Diese bislang für die Nachentrichtung von Beiträgen entwickelten Grundsätze (für die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge vgl. etwa Senatsbeschlüsse BGHZ 81, 196 = FamRZ 1981, 1169, vom 16.3.1983 - IVb ZB 807/80 - FamRZ 1983, 683, 684 und vom 7.10.1992 - XII ZB 4/92 - FamRZ 1993, 292, 293; für die Nachentrichtung von Beiträgen aufgrund einer Heiratserstattung Senatsbeschluss vom 13.11.1996 - XII ZB 140/96 - FamRZ 1997, 414) müssen auch für die Entrichtung von solchen Beiträgen gelten, mit denen ein Ehegatte in einer späteren Ehe Versorgungsanrechte, die in einer früheren Ehe begründet und aufgrund des bei Auflösung dieser früheren Ehe durchgeführten Versorgungsausgleichs gemindert worden sind, wiederauffüllt (§ 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
[10] Die Besonderheiten solcher Wiederauffüllungsbeiträge stehen dem nicht entgegen. Zwar ist - worauf auch die Rechtsbeschwerde und die Beteiligte zu 1) hinweisen - das Schicksal der durch diese Beiträge begründeten Anrechte vom Versorgungsschicksal des ausgleichsberechtigten Ehegatten der früheren Ehe abhängig. Sind nämlich in den Fällen des § 4 VAHRG aus den diesem Ehegatten übertragenen oder für ihn begründeten Anrechten keine oder keine höheren als die in § 4 Abs. 2 VAHRG genannten Leistungen gewährt worden oder zu gewähren, so wird die Versorgung des ausgleichspflichtigen Ehegatten nicht aufgrund des bei Auflösung der früheren Ehe durchgeführten Versorgungsausgleichs gekürzt; Beiträge, die zur Wiederauffüllung der aufgrund dieses Versorgungsausgleichs geminderten Anrechte geleistet worden sind, werden gem. § 8 VAHRG erstattet. Der mit der Erstattung der Wiederauffüllungsbeiträge einhergehende Fortfall der durch sie begründeten Anrechte wirkt sich auf den bei Auflösung der späteren Ehe durchgeführten Versorgungsausgleich aus, wenn diese Anrechte nach dem "In-Prinzip" in diesen Versorgungsausgleich einbezogen worden sind. Denn in diesem Fall vermindert sich die Höhe der vom (bisher) ausgleichspflichtigen Ehegatten auszugleichenden Anrechte nachträglich um die durch die Wiederauffüllungsbeiträge begründeten Anrechte. Dem könnte an sich nach Maßgabe des § 10a VAHRG durch eine Abänderung des bei Auflösung der späteren Ehe durchgeführten Versorgungsausgleichs Rechnung getragen werden. Eine solche Abänderung des bei Auflösung der späteren Ehe durchgeführten Versorgungsausgleichs würde allerdings dazu führen, dass der Ehegatte der späteren Ehe einerseits seiner Teilhabe an den Versorgungsanrechten, die durch die in der Ehe gezahlten Wiederauffüllungsbeiträge begründet worden sind, nachträglich verlustig geht, andererseits aber auch nicht an der Erstattung dieser Beiträge teilhat, da diese erst nach dem für den Zugewinnausgleich maßgebenden Bewertungsstichtag (§ 1384 BGB) erfolgt ist und deshalb vom Zugewinnausgleich nicht erfasst wird. Dieses unbillige Ergebnis kann indes durch eine Anwendung der Härteklausel des § 10a Abs. 3 VAHRG vermieden werden. Das Vertrauen des ausgleichsberechtigten Ehegatten, dem aus Wiederauffüllungsbeiträgen gebildete Versorgungsanrechte übertragen worden sind, verdient in solchen Fällen regelmäßig Vertrauensschutz (vgl. auch Senatsbeschluss vom 28.9.2005 - XII ZB 31/03 - FamRZ 2005, 2055, 2057 betr. Versorgungsanrechte aus rechtswidrig gezahlten Beiträgen).
Fundstellen
Haufe-Index 1801203 |
BGHR 2008, 83 |
EBE/BGH 2007 |
FamRZ 2007, 1719 |
FuR 2007, 492 |
NJW-RR 2007, 1446 |
JurBüro 2007, 670 |
MDR 2008, 31 |
FamRB 2007, 294 |
NJW-Spezial 2007, 470 |
ZFE 2007, 362 |