Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 07.12.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Siegen vom 7. Dezember 2017 wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- im Strafausspruch,
- soweit eine Entscheidung über die Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Siegen vom 18. Mai 2016 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Seine gegen dieses Urteil gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer dem Angeklagten bei der konkreten Bestimmung der Einzelstrafe für die abgeurteilte Tat (Tatzeit: 15. Mai 2016) angelastet hat, diese „keine zwei Monate nach seiner einschlägigen Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis” begangen zu haben (UA 10), ohne dass die Feststellungen dies belegen. Danach wurde der Angeklagte vor dem 15. Mai 2016 nur einmal, und zwar am 20. März 2015, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und anderer Delikte verurteilt (UA 5). Diese Verurteilung durch das Amtsgericht Siegen lag zum Tatzeitpunkt aber nicht weniger als zwei, sondern bereits mehr als elf Monate zurück. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer zu einer niedrigeren Einzelstrafe gelangt wäre, wenn sie von einer geringeren als der von ihr angenommenen sehr hohen Rückfallgeschwindigkeit ausgegangen wäre. Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht auch die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Rz. 3
2. Soweit das Landgericht die Prüfung der Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat, obwohl sich diese nach den Urteilsfeststellungen zum Drogenkonsum der Angeklagten und seinen Auswirkungen aufdrängte, hält das Urteil revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
Rz. 4
Nach den Feststellungen begann der Angeklagte „vor zweieinhalb Jahren” damit, alle zwei Tage ca. 1 bis 2 Gramm Kokain und Amphetamin zu konsumieren. Eine einmonatige Therapie führte nicht zu einer dauerhaften Abstinenz. Das bei ihm am 15. Mai 2016 aufgefundene Rauschgift (99,81 Gramm Marihuana und 12,5 Gramm Amphetamin) war für den Eigenverbrauch bestimmt. In der ihm in diesem Zusammenhang entnommenen Blutprobe konnten Amphetamin und Kokain nachgewiesen werden. Nach seiner Inhaftierung in anderer Sache am 10. Mai 2017 litt er unter Entzugserscheinungen. Danach liegt es nahe, dass der Angeklagte einen Hang im Sinne des § 64 StGB hat, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 3 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 140 [Ls]) und der abgeurteilten Tat ein Symptomwert für diesen Hang zukommt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 – 3 StR 166/18, Rn. 15 f. mwN). Auch die Annahme einer hangbedingten Gefährlichkeit, insbesondere in Bezug auf Beschaffungstaten, ist danach keinesfalls fernliegend (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, StV 1998, 75). Da das Landgericht bei seiner positiven Bewährungsentscheidung davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte „bereit ist, Hilfe anzunehmen und etwas gegen seinen Drogenkonsum zu unternehmen”, bestehen schließlich auch Anknüpfungspunkte für eine positive Therapieprognose im Sinne des § 64 Satz 2 StGB.
Rz. 5
Der neue Tatrichter wird über die Frage der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Beachtung des § 246a Abs. 1 Satz 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2011 – 4 StR 434/11, NStZ 2012, 463, 464) neu zu entscheiden haben. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die etwaige Nachholung einer Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2018 – 3 StR 563/17, Rn. 9 mwN). Der Angeklagte hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2017 – 1 StR 367/17, Rn. 10 [insoweit in NStZ-RR 2017, 370 nicht abgedruckt]).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Franke, Quentin, Feilcke
Fundstellen
Dokument-Index HI11844728 |